«Open Source sichert den Kunden die Wahlfreiheit»

Nachbar Google

Computerworld: Wie gross sind Ihre Bedenken, dass die zukünftigen Nachbarn in der Europaallee (Google) Ihnen die Leute abwerben?
Bodmer: Google zügelt demnächst mit tausenden Angestellten hier in das Quartier. Ich kann mir schon vorstellen, dass es vereinzelte Wechsel gibt, aber prinzipiell sind meine 80 Kollegen schon happy mit ihren Jobs. Die meisten meiner Angestellten arbeiten zielorientiert mit vielen Freiheitsgraden. Sie sind verantwortlich für bestimmte Projekte – so wie ich verantwortlich bin für die gesamte Schweizer Organisation. Ich übertrage den Kollegen die volle Kontrolle – mit allen positiven wie negativen Konsequenzen. Denn wir haben eben nicht tausende Mitarbeiter. Jeder sieht, wenn's gut läuft. Aber jeder sieht es auch, wenn es einmal nicht läuft. Diese Transparenz steigert einerseits den Druck, sie motiviert andererseits aber auch. Dabei orientieren wir uns sehr an dem Open-Source-Gedanken: «The best idea wins.» Der Sales-Mitarbeiter kann durchaus im Recht sein – auch wenn ich glaube, es besser zu wissen. Nur weil ich der Chef bin, habe ich dann nicht automatisch recht.
“Nur weil ich Chef bin, habe ich nicht automatisch recht„
Léonard Bodmer, Red Hat Switzerland
Computerworld: Wie gewinnen Sie die Talente für sich?
Bodmer: Die Berufseinsteiger bei Red Hat haben mir zurückgemeldet, dass bei ihnen zwei Gründe den Ausschlag für die Wahl des Arbeitsgebers gegeben hat: Der fortwährende Change in der Organisation und die Freiheit von Open Source.
Diese Vorzüge haben aber beispielsweise unsere Kunden nicht. Die Verantwortlichen aus Banken und Versicherungen berichten von grossen Problemen, den Nachwuchs auf sich aufmerksam zu machen. Sie locken zwar mit hohen Löhnen, das Geld ist aber nur ein Faktor für die Talente. Die flexible Arbeitszeit und der selbst wählbare Arbeitsort sind ebenfalls wichtige Faktoren. Red Hat hat beispielsweise bewusst den Standort an der Europaallee ausgewählt, um den Kandidaten entgegen zu kommen. Sie wollen an einem gut erreichbaren und zentralen Ort arbeiten – nicht in Baden oder Wallisellen.
Computerworld: Welche Pläne haben Sie mit der Belegschaft und dem Geschäft von Red Hat Schweiz?
Bodmer: Natürlich wollen wir weiter wachsen. Das bedingt auch, dass wir die Organisation neu aufstellen werden. Von den rund 80 Kollegen in der Schweiz sind circa 50 allein am Standort Zürich versammelt. Hier müssen wir über eine neue Management-Ebene sprechen, damit die Unternehmung skalierbarer wird als heute.
Computerworld: Welche Pläne haben Sie mit Red Hat Schweiz für die nähere Zukunft?
Bodmer: Aktuell knüpfen wir enge Partnerschaften mit den Schweizer Niederlassungen von grossen Partnern. Wir arbeiten viel mir Accenture zusammen, mit Microsoft demnächst ebenfalls. Neu hinzu kommen wird IBM, die den Betrieb von Avaloq übernehmen werden, und dann auch Red Hat einsetzen wird.
Computerworld: Haben Sie spezielle Pläne für die Westschweiz?
Bodmer: Es gibt ein Office in Neuchâtel. Weitere sechs Kollegen in der Westschweiz mieten sich bei Bedarf in Coworking Spaces in Lausanne ein. Wenn wir dort noch weitere Mitarbeiter gewinnen, könnten wir eine weitere Niederlassung eröffnen.
Zur Firma
Red Hat
wurde 1993 von Marc Ewing gegründet. Der Firmenname geht auf den roten Lacrosse-Hut zurück, den Ewing von seinem Grossvater geschenkt bekommen hatte. Zwei Jahre später folgte der Zusammenschluss mit dem kanadischen Linux- und Unix-Händler ACC von Bob Young. Young übernahm das Amt des CEO. Heute führt Jim Whitehurst den Konzern, der durch die Fokussierung auf Geschäftskunden und diverse Übernahmen zu einem Milliarden-Unternehmen geworden ist.



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