Interview mit Billy Kneubühl, Oracle Schweiz
06.06.2025, 15:23 Uhr
«Wir bringen AI dorthin, wo die Daten sind»
Wie Oracle auf die Cloud-Anforderungen regulierter Branchen und die Nachfrage nach Daten-Souveränität reagiert, erklärt Billy Kneubühl, Vice President Technology Cloud Sales ALPS & Country Leader Switzerland bei Oracle, im Interview mit Computerworld Schweiz.

(Quelle: Computerworld)
Computerworld: Billy Kneubühl, bereits auf der letztjährigen CloudWorld in Las Vegas gab es einige spannende Ankündigungen seitens Oracle. Seither sind zahlreiche weitere News hinzugekommen. Wird es da nicht schwierig, den Überblick zu behalten?
Billy Kneubühl (lacht): In der Tat ist vieles in Bewegung. Die Oracle CloudWorld ist immer ein wichtiger Moment im Jahr – dort kündigen wir viele Innovationen an. Besonders prägend war dieses Jahr das Thema Multicloud. Wir arbeiten heute ganz offen auch mit Mitbewerbern zusammen – nennen wir sie «Frenemies». Die Partnerschaft mit Microsoft besteht schon länger. Neu hinzugekommen sind Kooperationen mit Google Cloud und – etwas überraschender – auch mit AWS. Zudem werden unsere Systeme, Services und Lösungen laufend weiterentwickelt. Auch das ist natürlich eine nicht versiegende Quelle für Neuigkeiten. Ich möchte hier nur das vor wenigen Wochen vorgestellte AI Agent Studio vorstellen. Ziel aller Aktivitäten ist es, dass unsere Kunden Oracle-Technologie dort nutzen können, wo es für sie am besten passt.
“Die Kunden sollen unsere Technologien dort nutzen können, wo es für sie am besten passt.„
Billy Kneubühl, Oracle Schweiz
CW: Dann bleibt das Thema Cloud also weiterhin zentral?
Kneubühl: Absolut. Ein wichtiger Treiber ist die Distributed Cloud – also die Frage, wo und in welcher Form man Cloud-Technologien einsetzt. Gerade in stark regulierten Branchen und im öffentlichen Sektor sehen wir zunehmend den Wunsch, nicht auf zentrale Hyperscaler-Rechenzentren angewiesen zu sein. Stattdessen sucht man nach kleineren, kontrollierbaren „Shapes“ der Cloud. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere „Cloud@Customer“-Lösung, die wir schon länger anbieten. Besonders spannend finde ich aber unsere Dedicated Region, die wir an der CloudWorld in Las Vegas vorgestellt haben. Das ist eine vollständige Cloud-Region mit rund 150 Services und zahlreichen Applikationen – kompakt untergebracht in nur drei Standard-Racks. Sie kann beim Kunden vor Ort betrieben werden, mit derselben Sicherheit und Qualität wie in einer Public Cloud.
CW: Welchen Nutzen haben die Kunden davon?
Kneubühl: Der Kunde bestimmt den Standort – sei es im eigenen Rechenzentrum, in Zürich, Basel oder irgendwo anders. Diese Lösung bietet volle Kontrolle über Infrastruktur, Daten und Compliance. Und der Clou: Man braucht dafür kein ganzes Stockwerk oder mehrere Bereiche im Rechenzentrum – drei Racks genügen. Das ist besonders attraktiv für Länder wie die Schweiz, die grossen Wert auf Datensouveränität legen.
CW: Das dürfte dem Schweizer Bedürfnis nach Kontrolle und Souveränität sehr entgegenkommen.
Kneubühl: Genau. Die Schweiz tickt hier wie ein „gallisches Dorf“ in Europa – mit hohem Anspruch an Autonomie und Sicherheit. Aber das Interesse an diesen Lösungen sehen wir auch international. Es geht um Latenz, Datenresidenz und Souveränität – Themen, die angesichts der weltpolitischen Unsicherheiten immer wichtiger werden.
CW: Das dürfte dem Schweizer Bedürfnis nach Kontrolle und Souveränität sehr entgegenkommen.
Kneubühl: Genau. Die Schweiz tickt hier wie ein „gallisches Dorf“ in Europa – mit hohem Anspruch an Autonomie und Sicherheit. Aber das Interesse an diesen Lösungen sehen wir auch international. Es geht um Latenz, Datenresidenz und Souveränität – Themen, die angesichts der weltpolitischen Unsicherheiten immer wichtiger werden.

Die Angebot von Oracle seien besonders attraktiv für Länder wie die Schweiz, welchze grossen Wert auf Datensouveränität legen.
Quelle: Computerworld
CW: Ist diese Lösung skalierbar?
Kneubühl: Ja, sie kann klein starten und bei Bedarf ausgebaut werden. Kunden können selbst bestimmen, ob sie etwa mehr GPU-Rechenleistung benötigen oder ob Speicher im Vordergrund steht. Auch Redundanz und weitere nichtfunktionale Anforderungen lassen sich abbilden.
CW: Was steckt hinter dem Bedarf – ist es der Leistungsbedarf von KI oder das Datenwachstum?
Kneubühl: Ich denke, beides. Auf der einen Seite gibt es enorme Rechenmodelle, etwa für das Training von LLMs. Auf der anderen Seite wird Daten-Governance immer wichtiger: Wer darf mit welchen Daten arbeiten? Zudem verlangen gewisse Geschäftsmodelle sehr schnellen Zugriff, auch auf ältere Daten. Und natürlich spielt die Datensouveränität eine zentrale Rolle.
CW: In Basel wurde kürzlich das erste kommerzielle Quantenrechenzentrum eröffnet. Wie steht Oracle zu diesem Thema?
Kneubühl: Quantum Computing adressiert aus unserer Sicht andere Anwendungsfälle – etwa Simulationen oder Materialforschung. Wir entwickeln keine eigene Quanteninfrastruktur, aber wir arbeiten an Technologien, die unsere Systeme postquantum-sicher machen. Das wird zunehmend ein Thema in Gesprächen mit Kunden.

Schnelligkeit, Leistung und Präzision - beim Oracle Red Bull Racing Team hat die IT gut lachen.
Quelle: Computerworld
CW: Ist das Interesse der Kunden in diesem Bereich spürbar?
Kneubühl: Ja, es ist da – aber noch sehr forschungsnah. Unternehmen loten Einsatzmöglichkeiten aus. Quantencomputer werden andere Probleme lösen als klassische CPUs oder GPUs. Viele Gespräche sind noch explorativ, aber es bewegt sich etwas.
CW: Was heisst das für Oracle – sind Sie für die kommenden Anforderungen in Sachen Rechenleistung und Speicher gerüstet?
Kneubühl: Absolut. Wir bauen eigene Rechenzentren und betreiben diese sehr effizient – unter anderem mit NVIDIA-GPUs, die direkt in unsere Infrastruktur integriert werden. Das verschafft uns ein starkes Alleinstellungsmerkmal, besonders bei grossen KI-Modellen.
CW: Spüren Sie Auswirkungen der geopolitischen Verschiebungen?
Kneubühl: Sehr deutlich. Themen wie Souveränität werden stark diskutiert – auf Ebene von Ländern, Unternehmen und Organisationen. Es geht nicht um Autarkie, sondern darum, Technologien zu beherrschen. Internationale Zusammenarbeit bleibt wichtig, aber jeder will in der Lage sein, seine IT selbstständig betreiben zu können – auch in Krisenszenarien.
CW: Das erklärt wohl auch den Trend zu kleineren, verteilten Cloud-Modellen.
Kneubühl: Genau. Viele Kunden wollen Cloud-Betriebsmodelle nutzen, aber eben nicht zentralisiert. Deshalb setzen wir auf „kleine Shapes“ – etwa Racks oder Quarter Racks –, um maximale Flexibilität zu bieten. Diese Individualisierung war auch eines der grossen Themen an der CloudWorld.
“Viele Kunden wollen Cloud-Betriebsmodelle nutzen, aber eben nicht zentralisiert.„
Billy Kneubühl, Oracle Schweiz
CW: Welche weiteren Highlights gab es in Las Vegas?
Kneubühl: Ein zentrales Thema war Oracle 23ai – unsere neue Version der Datenbanktechnologie. Das Besondere daran: Die KI kommt nicht zu den Daten, sondern ist direkt in die Produkte integriert, etwa über Funktionen wie Vektorensuche. Unternehmen erhalten mit dem Releasewechsel sofort KI-Fähigkeiten – ob generativ oder autonom –, ohne zusätzliche Infrastruktur aufzubauen.
CW: Gibt es neue Tools, mit denen Unternehmen KI gezielt einsetzen können?
Kneubühl: Ja, mit dem neuen «AI Agent Studio» geben wir unseren Kunden ein Werkzeug in die Hand, um KI-Agenten nicht nur zu nutzen, sondern auch zu individualisieren. Unternehmen können bestehende Agents in unseren Cloud-Applikationen anpassen, sie mit anderen KI-Agenten kombinieren und auch mit Drittanbietern integrieren. Besonders wichtig: Das lässt sich neu auch intern umsetzen – ohne zwingend externe Unterstützung. Das bringt viel Flexibilität. Gleichzeitig ist das Tool kostenlos im Abonnement enthalten – inklusive automatischer Updates.
“Mit dem neuen «AI Agent Studio» geben wir unseren Kunden ein Werkzeug in die Hand, um KI-Agenten nicht nur zu nutzen, sondern auch zu individualisieren.„
Billy Kneubühl, Oracle Schweiz
CW: In welchen Branchen sehen Sie aktuell das grösste Potenzial?
Kneubühl: Sehr stark sind wir im Gesundheitswesen aufgestellt – unter anderem dank der Übernahme von Cerner, einem der weltweit führenden Anbieter im Bereich Gesundheitsdaten. Aber auch in der medizinischen Forschung und Pharmaindustrie gibt es zahlreiche konkrete Anwendungsfälle. Und der öffentliche Sektor ist ebenfalls spannend – vor allem mit Blick auf souveräne Cloud-Lösungen.
CW: Wie sieht die strategische Ausrichtung aus?
Kneubühl: Wir verfolgen drei grosse Ziele: Erstens wollen wir vorgefertigte KI-Anwendungsfälle in unseren Business-Anwendungen wie ERP, HCM und SCM verbreiten – aktuell bieten wir bereits rund 50 KI-Agents und 150 klassische und generative AI Use Cases an. Zweitens investieren wir massiv in Daten als Grundlage für AI-Modelle. Drittens bauen wir unsere Cloud-Infrastruktur weiter aus – etwa mit Nvidia-GPUs in unseren Superclustern, die hochoptimiert laufen.
CW: Können Sie ein konkretes Beispiel aus der Praxis nennen?
Kneubühl: Ein spannender Case ist Oracle Red Bull Racing. Nach einem Rennen bleiben den Teams oft nur 30 Minuten, um einen Protest einzureichen – in dieser Zeit müssen Tausende Seiten vergangener Reglementsentscheidungen geprüft werden. Unsere GenAI-Lösung hilft hier massiv: Sie kombiniert RAG (Retrieval-Augmented Generation) mit einem leistungsfähigen LLM und ermöglicht so, alle früheren Urteile in Echtzeit zu durchsuchen und direkt passende Argumente zu formulieren. Das spart enorm Zeit – ein klarer Wettbewerbsvorteil, der zeigt, was mit unserer Technologie möglich ist.
CW: Wenn Sie einen Wunsch für die digitale Zukunft Ihrer Kunden äussern dürften – was wäre das?

Billy Kneubühl: «Ich wünsche mir, dass Unternehmen den Mut haben, neue Technologien nicht nur zu testen, sondern produktiv einzusetzen – dort, wo sie echten Mehrwert schaffen.»
Quelle: Computerworld
Kneubühl: Ich wünsche mir, dass Unternehmen den Mut haben, neue Technologien nicht nur zu testen, sondern produktiv einzusetzen – dort, wo sie echten Mehrwert schaffen. Ob KI, Cloud oder Datenstrategie: Entscheidend ist, nicht in alten Strukturen zu denken, sondern die Möglichkeiten konsequent mit dem eigenen Geschäftsmodell zu verknüpfen. Dann wird Technologie vom Werkzeug zum Wachstumstreiber.
Vielen Dank, Billy Kneubühl, für das aufschlussreiche Gespräch.