Interview mit Markus Bierl, DSAG-Fachvorstand Schweiz 04.07.2025, 10:04 Uhr

«Show me the money»

Markus Bierl ist CIO der Franke-Gruppe und seit Herbst 2024 DSAG-Fachvorstand Schweiz. Im Gespräch mit der Computerworld spricht er über das Verhältnis zu SAP, den realen Nutzen von Cloudlösungen – und warum gute IT-Projekte auf einem realistischen Dialog beruhen.
(Quelle: zVg)
Markus Bierl ist nicht nur CIO der Franke-Gruppe, sondern auch Fachvorstand Schweiz bei der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). In dieser Doppelfunktion kennt er sowohl die strategischen Herausforderungen grosser Industrieunternehmen als auch die Erwartungen der SAP-Community. Im Gespräch mit der Computerworld spricht Bierl über das Spannungsfeld zwischen Cloudstrategie und Realität, den Einfluss der DSAG – und warum erfolgreiche IT-Projekte vor allem eines brauchen: einen realistischen Business Case.
Interview
Das Gespräch führte Christian Bühlmann, Chefredaktor Computerworld Schweiz.
Markus Bierl
CIO Franke-Gruppe und DSAG-Fachvorstand Schweiz
Bild: zVg
Computerworld (CW): Seit Oktober letzten Jahres sind Sie DSAG-Fachvorstand für die Schweiz. Wie haben Sie die vergangenen Monate in dieser Funktion erlebt?
Markus Bierl: Ich kannte die DSAG bereits vorher gut – Franke ist Mitglied, seit wir SAP im Einsatz haben. Aber als Fachvorstand erlebt man die Organisation nochmals ganz anders. Vieles lebt vom freiwilligen Engagement, es gibt aber auch festangestellte Mitarbeitende in der Geschäftsstelle. Ich bezeichne mein Engagement gerne als spannendes Hobby. Wir im Vorstand arbeiten ehrenamtlich – für die Community. Ich hatte viele Gespräche mit Anwenderunternehmen in der Schweiz, auch mit der SAP-Geschäftsführung  Schweiz. Die Aufnahme war sehr herzlich. 
CW: Sie vertreten auf der einen Seite die Interessen der Anwender, auf der anderen Seite pflegen Sie einen engen Austausch mit SAP. Wie würden Sie die Rolle der DSAG beschreiben? Ist sie der Gegenpol zu SAP?
Bierl: Ich sehe uns nicht als Gegenpol zu SAP. In den vielen Arbeitskreisen arbeiten wir eng zusammen. Dort bringen wir Erfahrungen ein, die SAP helfen, ihre Produkte weiterzuentwickeln. Gleichzeitig vertreten wir die Sicht der Anwenderunternehmen. SAP will strategisch stark in die Cloud, aber wir müssen realistisch einschätzen, wie schnell und mit welchen Ressourcen Unternehmen diesen Weg gehen können. Die wirtschaftliche Lage erlaubt oft kein «Vollgas». Unser Ziel ist eine konstruktive, partnerschaftliche Zusammenarbeit.
CW: Trotzdem tun sich viele Unternehmen schwer mit der Cloud-Strategie von SAP. Warum eigentlich?
Bierl: Weil sich ein Cloud-Umzug allein oft nicht rechnet. Wenn Sie keine Prozesse verändern oder automatisieren, bringt die Cloud keinen echten Mehrwert – im Gegenteil, sie verursacht zusätzliche Kosten. Deshalb ist ein Business Case notwendig. CIOs stehen in der Pflicht, gegenüber CFOs aufzuzeigen: Was kostet es, und was bringt es? Ohne spürbaren Nutzen bleibt die Cloud-Migration ein Rechenexempel – oder wie man im Englischen sagt: «Show me the money».
CW: Wie reagieren SAP und DSAG auf diesen Realitätscheck?
Bierl: SAP hat auf das Feedback der DSAG bzw. der Anwender reagiert und nachjustiert – etwa mit dem SAP-Programm «RISE with SAP Migration & Modernization». Es beinhaltet Incentive-Massnahmen beim Wechseln in die Cloud.und soll den Umstieg erleichtern. Es braucht aber immer noch interne Ressourcen und ein Zielbild, das über eine rein technische Migration hinausgeht.
CW: Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die zentralen Themen für Schweizer SAP-Anwender?
Bierl: Zum einen die Umstellung auf S/4HANA – viele Firmen sind noch nicht so weit, wie man denkt. Zum anderen die Frage: Gehe ich in die Cloud oder nicht? Diese zwei Themen überschneiden sich, haben aber auch unterschiedliche Herausforderungen. Darüber hinaus beschäftigen sich viele mit dem Einsatz von KI, Investitionsprioritäten und der unsicheren Wirtschaftslage. Man muss gezielt entscheiden, wo Digitalisierung echten Nutzen stiftet.
CW: Wie viel Einfluss hat die DSAG konkret auf SAP?
Bierl: Mehr, als viele glauben. Im Vergleich zu anderen Grossanbietern ist der Austausch mit SAP  direkt und regelmässig. Wir erhalten Briefings mit Vorständen wie Muhammad Alam oder Thomas Saueressig. Es geht dabei nicht nur um Strategie, sondern um konkrete Rückmeldungen aus der Anwenderbasis. SAP hört zu – nicht immer in allen Punkten, aber mehr, als man vermuten würde.
CW: Und wie steht es um kleinere und mittlere Unternehmen?
Bierl: Sehr grosse Firmen haben direkten Zugang zu SAP. Die DSAG ist besonders für mittlere Unternehmen wichtig. Viele KMU haben keine eigenen SAP-Teams, sie arbeiten mit Beratungsfirmen – die sind bei uns in der DSAG stark vertreten. Zahlreiche mittlere Unternehmen sind aber auch direkt Mitglied bei uns. SAP selbst will im KMU-Segment wachsen, etwa mit Angeboten wie Cloud ERP Public (ehemals GROW with SAP), mit denen Anwender in die Business Suite gelangen können. Dass bei diesen Entwicklungen die Interessen der KMU-Anwender berücksichtigt werden, dafür setzen wir uns ein. 
CW: Ein aktuelles Thema ist die souveräne Cloud. Wie bewerten Sie das aus DSAG-Sicht?
Bierl: Das Thema ist in der Schweiz weniger virulent als in Deutschland. SAP bietet unterschiedliche Hosting-Modelle an, darunter auch souveräne Optionen wie die Delos Cloud (in Deutschland). Es gibt keine Pflicht, auf die grossen US-Hyperscaler zu setzen. Manche Aussagen von SAP wurden in den Medien überspitzt dargestellt. Ich bin überzeugt: Europa braucht mehr digitale Eigenständigkeit – aber zu viel Regulierung hemmt Innovation. Das ist kein SAP-Problem, sondern eher ein politisches.
CW: Sie sagten in einem früheren Interview, Sie wollten «spürbare Ergebnisse» erzielen. Ist Ihnen das gelungen?
Bierl: Ich denke schon. Wir hatten gute Gespräche mit dem SAP-Management, konnten wichtige Anliegen einbringen – etwa an der Sapphire. Die Zusammenarbeit mit der IG SAP läuft gut. Für die Schweiz möchte ich die Relevanz der DSAG weiter stärken, gerade im KMU-Bereich. Es bleibt Luft nach oben, aber ich bin mit dem Start zufrieden.
CW: Wie lange planen Sie, das Amt noch auszuüben?
Bierl: Die Amtsdauer beträgt zwei Jahre, mit Möglichkeit zur Wiederwahl bis zu sechs Jahren. Ich bin 61, also mal sehen, wie lange es sich mit meinem Hauptjob vereinbaren lässt. Aber solange es mir Freude bereitet und ich etwas bewirken kann, mache ich weiter.
CW: Was wünschen Sie sich für die Zukunft – von SAP und von der Community?
Bierl: Von SAP wünsche ich mir weiterhin ein offenes Ohr – und dass man die Realitäten der Kunden ernst nimmt. Von der Community wünsche ich mir Beteiligung: Die DSAG lebt vom Mitmachen. Und für alle gilt: Nur gemeinsam erzielen wir Fortschritte. Wer seine Lieferanten auspresst, bekommt keine Innovation – das gilt auch im ERP-Markt.
Vielen Dank, Markus Bierl, für das offene Gespräch.
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) ist einer der einflussreichsten Anwenderverbände der Welt. Viele engagierte Mitglieder aus über 4'000 Unternehmen bilden ein starkes Netzwerk: vom Mittelstand bis zum DAX-Konzern, von der Fachabteilung bis zur CxO-Ebene, quer über alle Branchen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Community in der Schweiz umfasst rund 3'300 Mitglieder aus 290 Unternehmen.
Weitere Informationen: www.dsag.de



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