«Wir haben von China enorm profitiert»

Rechenzentren fürs Edge Computing

CW: Ein anderer Wachstumsmarkt für Dätwyler ist Edge Computing. Welche Projekte haben Sie umgesetzt?
Müller: Die meisten Projekte laufen zurzeit international. Zum Beispiel können wir für ein grosses chinesisches Reisebüro eine neue IT-Infrastruktur inklusive der Rechenzentren implementieren. Das Unternehmen betreibt am Hauptsitz ein eigenes, grosses Rechenzentrum. Die Systeme dort haben wir erneuert. Momentan bereiten wir gerade den Roll­out für die Mini-Rechenzentren in den insgesamt mehr als 100 Reisebürofilialen auf dem chinesischen Festland und teilweise im Ausland vor.
Im Mittleren Osten haben wir beispielsweise die «digitale Kuh» installiert. Der staatliche Milchverarbeiter eines Sultanats betreibt eine riesige Nutztierfarm. Die Anlage ist hochgradig digitalisiert – von der Fütterung über das Monitoring der Ställe bis hin zur Qualitätskontrolle der Milchprodukte. Dort hat Dätwyler die Infrastruktur ebenfalls mit einem zentralen Rechenzentrum und mehreren, über das ganze Areal verteilten Mini-Rechenzentren aufgebaut.
Dätwyler-Cabling-CEO Johannes Müller will mit Edge Computing das Portfolio zusätzlich erweitern
Quelle: Samuel Trümpy


CW: Gibt es auch ein Projekt in der Schweiz?
Müller: Ja, natürlich. Wir arbeiten an verschiedenen Projekten dieser Art, sogar bei Dätwyler Cabling Solutions selbst. Hier haben wir gemeinsam mit einem Schweizer Telekommunikationsanbieter einen Pilotaufbau für «Industrie 4.0» lanciert. Dazu haben wir mehrere unserer Produktionsanlagen vernetzt und sammeln laufend Livedaten über die Fertigung. Hierzu sind an den Standorten in Altdorf und – in ähnlicher Weise in Taicang – Mikro- und Mini-Data-Center installiert, die Informationen lokal in Echtzeit verarbeiten und speichern. Die Daten lassen sich einerseits nutzen für Analysen, andererseits aber auch für die vorausschauende Wartung der Maschinen. Denn wenn eine Anlage den Toleranzbereich verlässt, soll sie natürlich nicht noch minutenlang weiterproduzieren. Diese Kabel würden sonst unseren Ausschuss in die Höhe treiben.
Die Produktionsmaschinen und die Mini-Data-Center sind über 5G-Mobilfunk vernetzt. Über das «Network Slicing» werden uns eine hohe Bandbreite und kurze Latenzzeiten garantiert – sowohl innerhalb der Fabriken als auch ausserhalb beim Anschluss an die Cloud. Aber selbst wenn die Verbindung in die Cloud aus irgendeinem Grund einmal nicht steht, können die Daten in den lokalen Mini-Rechenzentren weiterhin ausgewertet und die Betriebssicherheit gewährleistet werden.
CW: Die Turnaround- oder Transformationsprojekte wie dasjenige aktuell bei Dätwyler Cabling Solutions ziehen sich durch Ihren Lebenslauf, den eines ETH-Ingenieurs. Ist dies ein Steckenpferd von Ihnen?
Müller: Zunächst einmal denke ich, dass Turnaround-Projekte häufig nur einseitig angesehen werden. Es geht dabei nicht nur um das Aufbrechen der bestehenden Strukturen und das Neuordnen der Organisation, meistens verbunden mit Kosten- und Personalabbau. Für mich ist Turn­around zwingend auch verbunden mit der nachhaltigen Neuausrichtung, mit der die Zukunft des Unternehmens gesichert werden kann.
Anspruchsvoll wird es dann, wenn für die bestehenden oder auch für neue Geschäfte zukunftsträchtige Potenziale und – damit einhergehend – auch neue Strukturen gesucht und gefunden werden müssen. Dieser Teil des Turnarounds, und vor allem die vertrauensvolle Arbeit mit den Menschen, hat mir immer besonders Freude gemacht. Im Fall von Dätwyler Cabling Solutions habe ich die Potenziale früh gesehen und bin sie zusammen mit meinen Führungsteams mit voller Energie und Herzblut an­gegangen. Bis heute habe ich es nie bereut!



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