«Wir haben von China enorm profitiert»

Pionier mit Turnkey-Projekten

CW: Das tönt eigentlich nach einer soliden Strategie. Warum hat sie nicht auf Anhieb funktioniert?
Quelle: Samuel Trümpy
Müller
: Bereits 2009 gefiel uns der Gedanke, künftig nicht nur Produkte zu liefern, sondern auch umfassende Services dazu. Mit dieser Idee von Turnkey-Projekten waren wir in der Branche ein Pionier. Wir haben dann ein kleineres Unternehmen gekauft, das genau diesen Ansatz verfolgt hat und auch entsprechende Projekte in der Pipeline hatte. Ein erstes Projekt war die Erneuerung der IT-Infrastruktur aller Botschaften im Auftrag einer der grossen Golfstaaten, der global in rund 120 Ländern präsent ist. So sind wir um die Welt gereist für erste Site Assessments, haben gemeinsam mit dem Kunden die Standards definiert und anschliessend die neuen Systeme schlüsselfertig geliefert, installiert und dokumentiert. Das war ein sehr anspruchsvolles Projekt, das uns an die Grenzen gebracht hat, bei dem wir aber auch viel gelernt haben. Unter anderem war unsere Organisation noch nicht so richtig bereit dazu, zusätzlich zum Kabelverkauf auch noch weitere Produkte und Services zu bieten. Es fehlten uns anfänglich die Ressourcen für das Projektcontrolling, das Global Sourcing sowie das Projektmanagement. Daneben mussten wir die Assessments und die Installation schrittweise an lokale Partner vergeben – zumindest dort, wo wir keine Niederlassung hatten. Das Projekt wurde schlussendlich aus der Sicht des Kunden erfolgreich abgeschlossen – nur unsere Profitabilität galt es noch zu verbessern.
Trotz dieser Anfangsschwierigkeiten haben wir aber an der Strategie festgehalten, was sich letztendlich als richtig erwiesen hat. Denn die Kunden wollen heute beim Bau eines Rechenzentrums nicht mit Dutzenden Lieferanten zusammenarbeiten. Wenn ein Anbieter die Kabel, die Racks, die Kühlung, die Stromversorgung plus die passenden Services etc. aus einer Hand liefern kann, hat er eine viel bessere Verhandlungsposition als ein reiner Kabelhersteller.

CW: Hatten Sie bei den nächsten Projekten mehr Erfolg?
Müller: Ja, durchaus. Aufgrund der Learnings aus dem Botschaftenprojekt konnten wir die weiteren Projekte wesentlich erfolgreicher abschliessen. Während beim ersten Mal mehrheitlich «Elitetruppen» an den verschiedenen Standorten unterwegs waren, nahmen sich in der Folge auch andere Dätwyler-Mitarbeitende und unsere zertifizierten Partner den neuen Anforderungen an. So konnten wir später in sämtlichen Regionen eine gute Profitabilität erreichen.
CW: Dann stand dem Wachstum nichts mehr im Wege.
Müller: Theoretisch nicht. Allerdings hat es während der Strategieumsetzung immer wieder unerwünschte Unterbrüche gegeben. Während uns die Weltfinanzkrise 2007/2008 nicht so sehr geschadet hat, war die Währungskrise 2011 ein grosser Rückschlag. Denn schon damals erwirtschafteten wir 60 Prozent der Umsätze im Euroraum. Als der Franken fast die Parität erreichte, riss das ein gros­ses Loch in die Erfolgsrechnung. Wir mussten schnell handeln. Teile der Produktion (rund 100 Arbeitsplätze) wurden innerhalb eines Jahres ausgelagert, um weiterhin zu wettbewerbsfähigen Preisen liefern zu können. So verlagerten wir die eine Hälfte der Liftkabelproduktion nach Tschechien und die andere Hälfte nach China. 2015 fiel der Euro gegenüber dem Franken nochmals, worauf wir den Hauptteil unserer Logistik von Altdorf nach Frankfurt am Main auslagerten und dort unseren europäischen Logistik-Hub schufen.



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