«Wir haben von China enorm profitiert»

Abschied von den «Elitetruppen»

CW: Wie sind Sie und Ihre Kollegen diesen Transformationsprozess angegangen?
Müller: Nun, auf der einen Seite hatten wir die Vision, IT-Infrastrukturen für unsere Kunden zu bauen und weiterzuentwickeln, sodass sich die Kunden voll auf ihr Kern­geschäft fokussieren können. Auf der anderen Seite stand unsere Organisation, die sich erst teilweise auf die neuen Umstände einstellen konnte. Die Frage stellte sich also, wie der Gap zwischen dem Ist-Zustand und der Vision überbrückt werden soll.
Zusammen mit Professor Seán Meehan von der IMD Lausanne und sechs seiner MBA-Absolventen haben wir vor zwei Jahren eine Situationsanalyse vorgenommen. Im Projekt ging es darum, unsere Vision intern und extern zu hinterfragen, gegebenenfalls abzugleichen und sodann einen Weg aufzuzeigen, wie die Ziele mit der bestehenden Organisation zu erreichen sind.
CW: Zu welchem Ergebnis kamen die Experten?
Müller: Die Vision wurde sowohl intern als auch extern als vielversprechend empfunden. Allerdings stellen sich auf dem Weg drei Haupt-Herausforderungen: Die Brand Perception, sprich Dätwyler, muss es schaffen, vom Markt und auch von den eigenen Mitarbeitenden nicht mehr als reine Cabling-Firma wahrgenommen zu werden. Zweitens muss die Vision von allen Angestellten mitgetragen werden. Es genügt nicht, wenn eine «Elitetruppe» oder das Management allein die Vision verfolgt. Und schliesslich drittens müssen Experten angeworben und intern aufgebaut werden, um im neuen Geschäft erfolgreich zu sein.
Ausgehend von diesen Anforderungen haben wir zusammen mit den IMD-Spezialisten ein dreijähriges Transformationsprogramm mit sechs parallelen Workstreams entwickelt, das sich derzeit in der Umsetzung befindet.
Einer der Workstreams heisst «Marketing». Es geht darin nicht ausschliesslich um Brand Perception, sondern auch um unsere Präsenz in sozialen Medien oder Studien zu aktuellen Themen, in denen wir Kompetenz beweisen können. Zur Kommunikation mit unseren Kunden und Partnern weltweit haben wir zusammen mit einer Agentur ein «Messaging House» aufgebaut. Ziel ist: Alle sollen einheitliche und konsistente Botschaften empfangen.
Ein weiterer Workstream heisst «Interne Kommunikation»: Für die Mitarbeiteransprache benützen wir auch hier das vorgenannte Messaging House als Kommunikationsgrundlage. Die Kommunikation selbst erfolgt über unser weltweit verfügbares Intranet. Daneben veranstalten wir regelmässig Roundtables, Workshops und Townhall Meetings, um die verschiedenen Anspruchsgruppen noch gezielter zu erreichen.

CW: Ist die Mitarbeitendenausbildung übergeordnet oder ebenfalls ein Workstream?
Müller: Die systematische Ausbildung unserer Mitarbeitenden ist generell in der DNA von Dätwyler verankert. Dennoch haben wir dem Thema Ausbildung im Workstream «Capabilities» besondere Bedeutung beigemessen. Wir veranstalten intern Schulungen sowie Workshops und haben E-Learning eingeführt. Zusätzlich rekrutieren wir neue Mitarbeitende aus anderen Industrien. Sie bringen neue Sichtweisen mit, die nicht ausschliesslich auf IT-Netzwerke fokussieren, sondern beispielsweise auf Rechenzentren inklusive Kühlung oder die Stromversorgung. Diese Experten ziehen weitere Spezialisten an, die noch andere Perspektiven mitbringen und unsere Fähigkeiten über die eigenen Grenzen hinaus erweitern.
CW: Fachkräfte dürften generell schwierig zu bekommen sein. Was unternimmt Dätwyler?
Müller: Dätwyler bildet für den Produktionsstandort im Kanton Uri jährlich zwischen 50 und 60 Lernende aus. Nach Abschluss der Ausbildung versuchen wir stets, so viele Absolventen wie möglich zu übernehmen. Daneben arbeiten wir mit den Hochschulen in Lausanne und Zürich zusammen, um auch dort Absolventen für uns zu gewinnen. Neu ist ausserdem das «Employer Branding» ein wichtiger Faktor. Wir kommunizieren aktiv, dass wir attraktive Arbeitsplätze und Weiterbildungsmöglichkeiten zu bieten haben.
Ein grosser Vorteil ist, dass wir neben der Schweiz noch weitere Standorte haben. Das vereinfacht die Rekrutierung, insbesondere von erfahrenen Fachkräften. So konnten wir in Europa, China, dem Mittleren Osten und in Asia Pacific exzellente Leute anstellen, die für einen Job nicht un­bedingt den Wohnort gewechselt hätten. Hierdurch ergibt sich ein weiterer Vorteil für Dätwyler und unsere Kunden, denn wir gewährleisten damit die für die Umsetzung der Strategie notwendigen Kompetenzen direkt vor Ort.
CW: Bleiben wir noch kurz beim Personal: Der Dät­wyler-Konzern führt SuccessFactors und SAP S/4Hana ein. Gilt das auch für Dätwyler Cabling Solutions?
Müller: Ja, wir nutzen die IT-Applikationen des Konzerns ebenfalls. Auch SuccessFactors zählt dazu. Ich bin sehr zufrieden mit der Lösung. Sie bietet insbesondere für die Bedürfnisse einer dezentralen Organisation viele nützliche Funktionen, die uns die Arbeit sehr erleichtern. Daneben setzen wir die modernsten Tools für die Kommunikation und die Zusammenarbeit ein: SharePoint, Skype for Business, Microsoft Teams und teilweise Zoom.
Zur Firma
Dätwyler Cabling Solutions
Als ehemalige Division der börsenkotierten Dätwyler Holding ist seit Ende 2012 ein eigenständiges Unternehmen im Besitz der Pema Holding (Pema steht für Peter und Max Dät­wyler). Was 1915 mit der Herstellung von elektrischen Leitern aus Aluminium begann, ist heute eine moderne Produktion von Kupfer-, Glasfaser-, Sicherheits- und Lift­kabeln. Inzwischen hat Dätwyler sein Portfolio erweitert und bietet Komplettlösungen für IT-Infrastrukturen und Rechenzentren an. Am Hauptsitz in Altdorf (UR) sowie Niederlassungen in China, der EU, dem Mittleren Osten und Südostasien sind rund 1000 Angestellte beschäftigt.



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