14.02.2011, 07:00 Uhr

Die zwölf schärfsten Microsoft-Rivalen

Software-Riese Microsoft hat unzählige Konkurrenten. Es ist schwer zu sagen, welcher Mitbewerber CEO Steve Ballmer in der Nacht am ehesten wachhält. Ist es Apple, Google oder ganz ein anderer Rivale?
Steve Ballmer - CEO von Microsoft
Microsoft will anscheinend alle Software-Märkte beherrschen - sowohl im Consumer- als auch im Business-Bereich. Windows und Microsoft Office alleine würden wohl den meisten Anbietern ausreichen, aber die Redmonder wollen mehr: Datenbanken, Cloud Computing, E-Mail, Suche, Virtualisierung, Unified Communications, Webbrowser, Smartphones, Tablets und Videospiele.
 
Manchmal verwischt Microsoft die Grenzen zur Konkurrenz,  in dem der Konzern enge Partnerschaften eingeht. In der Vergangenheit ist dies etwa bei Citrix und Yahoo passiert. Auf den folgenden Seiten konzentrieren wir uns auf jene Mitbewerber, die vermutlich die grösste Bedrohung für die Redmonder darstellen.

Apple

Microsoft kritisiert zwar Google in der Öffentlichkeit schärfer als Apple, aber der iPhone-Hersteller hat den Software-Riesen bei der Marktkapitalisierung überholt und ist damit weltweit das wertvollste Technologieunternehmen. Einst wurde Apple von Microsoft beinahe aufgrund der Windows-Dominanz im PC-Markt vernichtet. Apples Mac-Geschäft blieb aber lukrativ und Steve Jobs meldete sich zurück mit marktverändernden Produkten wie iPod, iPhone und iPad. Obwohl Windows nach wie vor auf einer überwiegenden Mehrheit von Desktop-Rechnern und Notebooks läuft, hinkt Microsoft dem Konzern aus Cupertino bei Smartphones und Tablets meilenweit hinterher. Windows Phone 7 hat die Schwungkraft von Apple nicht gestoppt. Microsofts Versprechen, die nächste Windows-Generation für Touch-Screen-Geräte fit zu machen, zeigt, dass auch Steve Ballmer erkannt hat, dass Windows 7 nicht die erste Wahl von Endanwendern ist, wenn es um Tablet-Betriebssysteme geht. Falls User nicht nach einem Windows-Startmenü auf ihren iPads verlangen, ist Microsoft wohl weit davon entfernt, Apple einzuholen.

Google

Der Suchmaschinenriese könnte das zweite Technologieunternehmen sein, das an Microsoft bei  der Marktkapitalisierung vorbeizieht. Derzeit liegen die Redmonder mit 232 Milliarden Dollar zwar noch deutlich vor Google (195 Milliarden Dollar), aber das könnte sich künftig ändern. Microsoft und Google bekriegen sich in enorm vielen Bereichen: Google vs. Bing, Android vs. Windows Phone 7, Hotmail vs. Gmail, Windows Azure vs. Google App Engine, Microsoft Office vs. Google Apps, Internet Explorer vs. Chrome und last but not least Windows gegen Chrome OS, das bisher aber noch nicht erhltlich ist. Die Auseinandersetzungen zwischen Google und Microsoft finden einerseits via Blogposts oder auf Twitter statt, andererseits trifft man sich vor Gericht. Google-Verantwortliche haben den Remondern einen Stoss versetzt, als sie Details zu Internet-Explorer- und Windows-Schwachstellen veröffentlicht haben, während sich  Microsofts Security-Team daran machte, diese zu beseitigen. Sowohl Microsoft als auch Google haben Add-Ons fr die Browser des Konkurrenten verffentlicht. Damit wollen beide vermeintliche Lücken bei der Funktionalität stopfen.
 
Google hat gezeigt, dass es neue Märkte beschreiten und diese dominieren kann. Ganz so wie Microsoft dies vor vielen Jahren mit Windows, Windows Server und Office getan hat. Die Redmonder können zwar weiterhin Geld für Windows- und Office-Lizenzen einheimsen, aber bei Web-basierten Anwendungen und mobilen Geräten ist bisher Google der Gewinner.

VMware

Apples iOS und Googles Android drohen die Bedeutung von Windows unter Endanwendern zu senken. Der nächste Rivale von Microsoft will die Relevanz von Windows Server im Rechenzentrum schwächen. Mit dem finanziellen Background des Haupteigentümers EMC und einem Team von ehemaligen Microsoft-Verantwortlichen an der Spitze, hat VMware dargelegt, dass seine Virtualisierungs- und Management-Tools die Arbeit von Windows Server übernehmen, wenn es ums Hardware-Management geht. VMware hat 190'000 Kunden ? dazu gehören alle Unternehmen aus der Fortune-100-Liste. Analysten meinen aber, dass Microsofts eigene Virtualisierungsplattform Hyper-V an Funktionalität aufholt und bei vielen Usern Anklang finden wird, da sie gratis ist. Microsoft taucht jeweils auf der VMworld-Konferenz auf und versucht Anwender wegzulocken, behauptet aber auch, dass VMware-Kunden zuerst Windows-Anwender sind.
 
VMwarehatte einen gigantischen Start in den Virtualisierungsmarkt. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, ehe Microsofts Hyper-V für die meisten Virtualisierungskunden gut genug ist. Obwohl Microsoft der Underdog im Server-Virtualisierungsgeschäft hat, besitzen die Redmonder eine gewaltige Waffe: die Möglichkeit Hyper-V mit Windows Server zu bündeln. VMware müsste seine Preise senken und fehlerlos funktionieren, um die Nummer eins zu bleiben.

Red Hat

Microsoft hat seine Einstellung gegenüber Open Source Software zwar aufgeweicht. Dennoch dürfte es den Redmondern schwer fallen, ein grösseres Publikum davon zu überzeugen, dass sie Linux nicht hassen. Steve Ballmer bezeichnete Linux vor einem Jahrzehnt als Krebs. 2007 beschuldigte der Konzern Linux und andere Open Source Software, dass sie über 230 Microsoft-Patente verletzen.
 
Red Hat schwenkt die Linux-Fahne möglicherweise besser als alle anderen IT-Anbieter. Dadurch wird das Unternehmen für Microsoft zu einem Dorn im Auge. Die Redmonder betreiben noch immer eine Website, auf der sie Windows und Red Hat verglichen. Im Zuge dessen fragen sie, «wie etwas kostenloses so teuer sein kann?» Im Desktop-Bereich ist Canonicals Ubuntu populärer als das Red-Hat-Angebot. Red Hat behauptet aber, dass nur sie selbst und Microsoft alle Komponenten hätten, um Cloud-Netzwerke zu bauen ? inklusive Server-Virtualisierung, Betriebssystem, Verwaltungs- und Management-Tools, Middleware und dem Rahmen für Applikationsentwicklung. Microsoft-Tools sind in den Unternehmen verankert. Windows kommt fast auf die Hälfte der weltweiten Server-Umsätze. Red Hat ködert Kunden aber mit der Aussicht auf billigere Software und Interoperabilität mit Produkten, die nicht von Red Hat stammen.
 
Im abgelaufenen Quartal hat Red Hat einen Umsatz von 235,6 Millionen Dollar erwirtschaftet - nicht schlecht für ein Open-Source-Unternehmen. Red Hat hat definitiv das Know-how, Microsoft Marktanteile abzugraben. Dennoch ist der Anbieter zu klein, um eine echte Bedrohung darzustellen.

Oracle

Datenbanken sind für Oracle sowohl die Butter als auch das Brot. Gemäss den Analysten von Gartner erwirtschaftet Oracle 2009 damit einen Umsatz von neun Milliarden Dollar, was einem Marktanteil von 48 Prozent entspricht. Dahinter folgen IBM mit 4, 1Milliarden Dollar und Microsoft mit 3,3 Milliarden Dollar.
Die Redmonder bevorzugen es, die Zahlen von IDC zu zitieren. Diese besagen, dass SQL Server 41 Prozent Marktanteil hat, wenn es um die ausgelieferten Stückzahlen geht, und damit vor Oracle und IBM rangiert. Microsoft will mit Denali, dem nächsten Major Release von SQL Server, seine Erlöse nach vorne treiben. Ebenso soll eine Data-Warehouse-Appliance, die man gemeinsam mit HP entwickelt, den Umsatz ankurbeln.
 
Wie Microsoft, ist auch Oracle sehr breit aufgestellt. Somit ist der Datenbank-Krösus in vielen anderen Software-Segmenten wie etwa Business Intelligence und Customer Relationship Management ein ernstzunehmender Konkurrent für die Redmonder. Oracles Übernahme von Sun Microsystems brachte CEO Larry Ellison ausserdem die Leitung über Open-Source-Produkte wie Java und OpenOffice? eine Konkurrenz für Microsofts .NET Framework sowie Office. Open-Source-Befürworter dürften von Ellisons Verantwortung zwar nicht sehr angetan sein, dennoch ist er einer von wenigen CEOs, die gerissen genug sind, um Microsoft Kopfschmerzen zu bereiten. Wenn Ellison entdeckt, dass Oracle etwas fehlt, kauft er einfach das entsprechende Know-how zu.

Salesforce

Salesforce ist einer von Microsofts schärfsten Rivalen im Bereich Cloud Computing. Die Software-as-a-Service-Tools und das Platform-as-a-Service-Angebot Force.com stellen jeweils bedeutende Hindernisse dar. Microsoft startete eine grosse Offensive mit seiner Dynamics CRM Online Software. Diese wurde weltweit in über 40 Märkten lanciert und bietet Anwendern finanzielle Anreize. Geht es um Platform-as-a-Service-Produkte konnten die Redmonder bereits 31'000 Nutzer von Windows Azure überzeigen, das 5000 Applikationen hostet. Force.com liegt mit 185'000 Anwendungen weit voran. Zudem verbündet man sich mit VMware, um eine Java-basierte Cloud namens VMforce zu entwickeln. Gemäss Analysten könnte Azure Fortschritte machen, wenn es um .NET-Framework-Anwender geht, die Apps in der Cloud entwickeln wollen. Bis jetzt ist dieser Markt allerdings winzig, verglichen mit jenem, denen der nächste Microsoft-Rivale dominiert.

Amazon

Auch wenn Microsoft die Platform-as-a-Service-Clouds Force.com und Google App Engine übertrumpft, hat der Konzern noch immer mitAmazon Web Services zu kämpfen ? inklusive der überaus erfolgreichen Elastic Compute Cloud. Die Redmonder setzen darauf, dass Kunden höchst abstrakte Entwickler-Tools anstatt direktem Zugriff auf Virtuelle Maschinen und Storage möchten. Aber bis jetzt hat sich Amazons Vision von Infrastructure-as-a-Service durchgesetzt. Die Adaptierung von Platform as a Service ist blass, verglichen mit Amazon-artigen Clouds, meint Gartner-Analyst Richard Watson. 2010 betrug der geschätzte Umsatz mit Azure-Clouds 140 Millionen Dollar, während Amazons Cloud 2,7 Milliarden Dollar einheimste, so Gartner. Erste Berichte von Azure-Nutzern fallen positiv aus. Dennoch erscheint Microsoft in Anbetracht der momentanen Zahlen als Nischen-Player.

IBM

Google Apps haben sehr viel Aufmerksamkeit bekommen, im Enterprise-Umfeld konnte sich Gmail laut Gartner allerdings weniger als ein Prozent vom Kuchen schnappen. Tatsächlich ist IBMs Lotus Notes der stärkere Konkurrent im Markt für Business-E-Mails ? vor allem wenn es um Grossunternehmen anstatt Kleinfirmen geht. 2009 hatte Lotus eine Installationsbasis von rund 156 Millionen Mailboxen. Dies entspricht ungefähr der Hälfte von Microsoft Exchange Installationen, berichtet die Radicati Group. Cloud-basierte E-Mails werden künftig ein Hauptteil von Unternehmensstrategien. Die Redmonder schlagen sich gut, sowohl beim On-Premise-Angebot als auch in der gehosteten Welt mit Exchange Online. «Microsoft hat die grössten Business-Anteile und baut seinen Marktanteil aus», erklärt Gartner-Analyst Matt Cain.
 
Wie bereits erwähnt, übertrumpft IBM bei den Datenbankumsätzen. Big Blue hat sich aber auch mit Canonical und Red Hat zusammen getan, um Linux-basierte Windows-Alternativen zu entwickeln. Weiter richtet sich IBMs WebSphere gegen SharePoint, der Kauf von Netezza bedeutet Konkurrenz für Microsofts Parallel Data Warehouse.

Sony und Nintendo

Sony und Ninendo kooperieren zwar nicht. Dennoch wollen wir sie hier gemeinsam nennen, da Microsoft viele seine Entwicklungsressourcen in die Videospielkonsole Xbox 360 und die dazugehörige Bewegungssteuerung Kinect gesteckt hat. Damit wollen die Redmonder die beiden Videospielgiganten Sony und Nintendo in den Schatten stellen. Die Xbox und Kinect sind wohl das beste Beispiel dafür, wie Microsoft mit einem jüngeren Publikum in Verbindung steht. Nintendo hat zwar als erster Bewegungssteuerung bei Spielen eingeführt. Kinect geht aber einen Schritt weiter. So ist hierbei kein Kontroller notwendig, Spieler können Games mit ihren eigenen Körpern bzw. Gesten steuern. Laut eigenen Angaben haben die Redmonder innert 60 Tagen acht Millionen Kinect-Einheiten abgesetzt. Ausserdem gingen bisher 50 Millionen Xbox-360-Konsolen über die Ladentische ? verglichen mit 85 Millionen Nintendo Wiis und 48 Millionen Playstation-3-System von Sony.
Kinect dürfte wohl eines der innovativsten Videospielprodukte des vergangenen Jahres sein. Nintendo lanciert in Krze mit dem 3DS aber die erste portable Spielkonsole, die 3D-Gamen ohne Spezialbrille ermöglicht. Und für die mobile Gaming-Front hat Microsoft bisher noch immer keine Antwort.

Research in Motion

Apple und Google treten gegen Microsoft in zahlreichen Märkten an. Research in Motion tut dies nur im mobilen Bereich mit Smartphones und neu auch Tablets. Wie schon Apple, ist auch RIMs BlackBerry den Redmondern meilenweit voraus. Windows Phone 7 wird einen schweren Stand haben, um iPhone- und Android-Nutzer zu überzeugen. Die Präsenz von BlackBerry stellt sicher, dass Microsofts Bemühungen mit Smartphones ins Business zu kommen, sehr schwierig werden. Im vierten Quartal 2010 gingen gemss den Marktforschern von Canalys lediglich 3,1 Prozent der weltweiten Smartphone-Auslieferungen auf das Konto von Microsoft. RIM liegt mit 14,4 Prozent weit voran, befindet sich aber selbst nur auf dem vierten Platz hinter Android, Nokia und Apple. Sollte Research in Motion straucheln, wird dies wegen iPhones und Android-Geräten passieren und nicht wegen Windows Phone 7.

Mozilla

Die Browser-Welt spricht zwar derzeit in erster Linie von Google Chrome, aber es ist noch immer Mozillas Firefox, der hinter Microsoft auf dem zweiten Platz liegt und die grösste Bedrohung für den Internet Explorer darstellt. Firefox ging 2004 an den Start und liegt je nach Statistik bei einem Marktanteil zwischen 22 und 30 Prozent. Der Open-Source-Browser gilt unter anderem als sicher und anpassbar. Microsofts Internet Explorer hält einen Marktanteil zwischen 41 und 57 Prozent, während Chrome die 10-Prozent-Marke überschritten hat.
 
Microsoft versucht mit dem Internet Explorer 9 Boden gut zu machen. Der neuste Browser der Redmonder ist bisher nur als Beta verfügbar. Klar ist, dass das neue Surfbrett eine klare Verbesserung gegenber frheren IE-Versionen ist. Allerdings büsst der Internet Explorer seit Jahren kontinuierlich Marktanteile ein. User entdecken zunehmend, dass neue Browser Vorteile gegenüber dem Internet Explorer bieten und sich innerhalb weniger Mausklicks installieren lassen. Der Vorteil, den Microsoft aus der vormaligen Kombination von Internet Explorer und Windows noch hat, wird Tag für Tag geringer. Nur ein äusserst erfolgreicher IE9-Start wäre ausreichend, um die Einbussen von Microsoft im Browser-Markt umzukehren.

Cisco

Ciscohat ein stabiles und weitverbreitetes Unified-Communications-System aufgebaut, mit Produkten wie TelePresence, WebEx und VoIP-Telefonen. «Microsoft und Cisco sind die bestaufgestellten Unified-Communications-Anbieter», erklärte Infonetics Research im vergangenen Jahr nach einer Kundenbefragung. Microsoft gibt Unified Communications eine noch höhere Priorität mit Lync und Lync Online, dem Nachfolger des Office Communications Server. Mit der letzten Generation hat Microsoft den Preis gesenkt. Unternehmen, die sich für Cloud-basierte Software interessieren, müssen allerdings noch warten. Lync Online wird bis zur Veröffentlichung von Office 365nicht erhältlich sein und dass befindet sich noch immer im Beta-Stadium. Die Anfangsversion von Lync Online wird auch nicht alle Telefon-Features der On-Premise-Variante beinhalten. Dennoch scheint es, als ob Microsoft souverän genug wäre, in diesem Markt eine grosse Performance hinzulegen. Dieser Artikel stammt im Original von unserer US-Schwesterpublikation Networkworld (Autor: Jon Brodkin).
Harald Schodl



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