«Wir führen Firmen zu mehr Diversität»

Frauenquoten als Interims-Lösung

CW: Brauchen wir am Ende also doch verbindliche Frauen­quoten, um mehr weibliche Fachkräfte in Tech-Berufe oder Top-Positionen zu bringen?
Vuillerat: Seit rund 20 Jahren debattiert man in Wirtschaft und Politik darüber, mehr Frauen in Führungsposi­tionen zu holen. Die anhaltende Debatte zeigt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Ein Blick in die nordeuropäischen Länder offenbart, dass strukturelle und systemische Massnahmen durchaus helfen. Eine Quote, begrenzt auf ein paar Jahre, wäre also sinnvoll und würde zum Erfolg führen. Dann müssten Unternehmen reagieren und wir würden eine kulturelle Veränderung erleben. Später liesse sich dann ja auch ohne Quote weiterarbeiten.
CW: Wo kann man heute bereits anfangen, um die Diversität im Unternehmen zu fördern?
Fischer: Es gibt verschiedene punktuelle Eingriffe, die man sofort machen kann – etwa Job-Inserate anders schreiben oder Rekrutierungsprozesse objektivieren –, um sicher­zustellen, dass man Diversität rekrutiert. Aber dann muss man auch sicherstellen, dass eine Kultur gelebt wird, welche die Diversität unterstützt. Dies braucht eine andere und tiefgründigere Arbeit des Unternehmens. Wir gehen individuell auf die Firmen ein und holen sie dort mit den treffenden Massnahmen ab, wo sie zurzeit stehen.
“Eine Frauenquote für ein paar Jahre wäre sinnvoll und würde zum Erfolg führen„
Valérie Vuillerat
CW: Wie offen sind die Entscheider für Ihre Ansätze?
Vuillerat: Das ist ganz unterschiedlich. Unsere Kunden lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen. Es gibt diejenigen, die sich für das Thema überhaupt nicht interessieren, da sie kein Problem sehen mit homogenen Teams. Daneben gibt es welche, die spüren, dass sie etwas unternehmen müssen, bei denen es aber bei einem Lippenbekenntnis bleibt. Dann gibt es die dritte Gruppe, die sich klar dazu bekennt und Diversity wirklich leben will. Denen ist auch klar, dass es ein Change-Prozess ist, der zwei bis drei Jahre andauert, bis man am Ziel ist. Hierfür muss man mit kleinen Schritten beginnen und iterativ arbeiten.
CW: Woher stammen Ihre Kunden und in welchen Branchen sind sie aktiv?
Fischer: Im Moment stammen viele unserer Kunden aus den Wirtschaftsräumen Zürich und Bern. Der Musterkunde ist momentan das mittelständische Unternehmen mit 20 bis 250 Mitarbeitenden. Wir unterstützen aber auch Kunden aus dem Enterprise-Segment.
Vuillerat: Wir merken seit einiger Zeit, dass Unternehmen vermehrt auf uns zukommen. Darunter sind auch Firmen, die zum Teil männlich dominiert sind und von ihren Kunden darauf angesprochen werden, weshalb sie nicht mehr Frauen in der Geschäftsleitung oder im Entwicklungsteam haben. Manche verloren bereits einen Pitch deswegen. Der wirtschaftliche Druck steigt also und damit das Bewusstsein und die Bereitschaft, die Situation zu verbessern.
CW: Welches Feedback erhalten Sie von Ihren Kunden? Inwieweit hat sich die Zusammenarbeit für sie gelohnt?
Fischer: Wir sind im Herbst letzten Jahres gestartet, in­sofern ist es noch etwas früh für eine erste Bilanz. Aber gemäss unseren Kunden erhalten sie mehr Bewerbungen von Frauen, etwa von IT-Spezialistinnen. Manche Bewerberin hätten sie ohne uns nicht bekommen. Auch die Präsenz der Unternehmen auf unserer Website ist interessant für sie. Sie können sich öffentlich präsentieren als Unternehmen, die etwas dafür (Women in Tech & Digital) unternehmen.
Zudem berichten unsere Kunden von mehr Klarheit im Diversitätsthema aufgrund der Aufklärungsarbeit, die wir leisten. Einzelne tiefgründigere Massnahmen, die sie getroffen haben, müssen noch gemessen werden. Aber nur schon die Tatsache, dass wir der ganzen Belegschaft ganz konkrete Massnahmen vorschlagen, um das Thema zu bearbeiten, hilft enorm, um das Bewusstsein auf neutrale Art und Weise zu stärken.



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