Blockchain rückt bei Schweizer IT-Anbietern in den Fokus

Nicht alles ist DLT-fähig

Ausserdem warnt er davor, DLT für die «falschen» Anwendungen einzusetzen. «Wir haben in den letzten Jahren viele Anwendungsfälle gesehen, bei denen DLT keinen Mehrwert bietet, dafür jedoch zusätzlich Komplexität und Aufwand erzeugt.» Wenn es zum Beispiel in einem Business-Ökosystem eine zentrale Partei gebe, der alle anderen Teilnehmer vertrauen oder vertrauen müssten, sei eine zentrale Lösung viel effektiver und viel effizienter umsetzbar als eine Blockchain-Lösung.
Toni Caradonna, CTO der in Herisau ansässigen Blockchain Trust Solution (BCTS), betont ebenfalls, dass es keinen Mittelsmann mehr brauche, der die Regeln bestimme und überall die Hand aufhalte und abkassiere. «Ich kann Peer-to-Peer-Transaktionen tätigen, kann eigene Ökosysteme bauen, Werte verschieben, Zusammenarbeitsregeln festlegen, die automatisch eingehalten werden, und vieles mehr», führt er aus. Und auch er warnt davor, die Technologie in den Vordergrund zu stellen, statt der konkreten Problemlösung. Ausserdem würde bei DLT «der Skalierungseffekt unterschätzt, was Auswirkungen auf den Preis der Transaktionen hat und den Durchsatz, denn dieser ist begrenzt».
Zu beachten sei weiter etwa die Tatsache, dass alles, was in einem Smart Contract festgelegt werde, sich nicht einfach so über den Haufen werfen lasse. Will heis­sen, dass man sich zu Beginn sehr gut überlegen muss, was wie abgewickelt beziehungsweise abgebildet werden soll. «Im Nachhinein am Mechanismus etwas zu ändern, ist sehr schwierig und äusserst umständlich», erklärt der Technik-Chef von BCTS weiter.

Grosse Vielfalt an Apps und Firmen

Nach Anwendungsszenarien gefragt, verweist er darauf, seit 2012 in der DLT-Branche aktiv zu sein und so eine sehr gros­se Bandbreite zu kennen. Die umfasse die Tokenisierung von Werten genauso wie die Bereiche Supply Chain oder Security sowie alles, was mit Transparenz, Herkunftsnachweis, Rückverfolgbarkeit und Echtheit von Produkten zu tun hat oder mit digitalen Identitäten, NFTs und vieles mehr. Nicht anders sieht es laut Jakob Gülünay, dem CEO und Gründer von BCTS, im DLT-Firmenumfeld aus: Abgesehen von seinem Unternehmen zählt er Apps with Love auf, CollectID, Modum, Crowdlitoken, Securikett, Decentage, Quantoz, Cardossier und hält fest, dass sich die Liste beliebig erweitern liesse.
«Mittlerweile gibt es zahlreiche Banken, Versicherungen und auch Revisionsgesellschaften, die sich intensiv mit der Blockchain-Technologie auseinandersetzen und diese auch schon in diversen Projekten einsetzen.» Für ihn ist die Schweiz «sicherlich eine der führenden Nationen, was das Thema Blockchain angeht – sei es im Bereich Produkte, Dienstleistungen, Infrastruktur oder Wissen generell». Zudem sei hierzulande die Rechtssicherheit für DLT-Projekte sehr gross, zumal soeben erst ent­sprechende Gesetzesanpassungen ohne Gegenstimme im Parlament durchgewunken worden sind.
Ganz anders schätzt Hans-Peter Gier, Gründer und CEO von Trustwise aus Pratteln, die Situation ein. «Breitflächig eingesetzte Blockchain-Lösungen in der Schweiz sind mir nicht bekannt», führt er aus und schiebt nach, «das Cardossier wäre eine solche Lösung, die sich aber aus meiner Sicht noch im Anfangsstadium befindet». Recht weitverbreitet sei dagegen das Banking von Krypto-Assets und alle damit verbundenen Dienstleistungen. Trustwise ist 2017 gestartet und liefert eine selbst entwickelte Blockchain-Lösung namens TWEX zur Ausgabe von Blockchain-basierten Aktien und zur Verwaltung von Aktiengesellschaften, also für Corporate Finance und Corporate Governance. Ausserdem ist mit Trustwise Health eine DLT-basierte Impfpasslösung verfügbar.
Nach seinen Erfahrungen gefragt, erklärt Gier: «Blockchain-Technologie erfordert ein wesentlich präziseres Arbeiten, da die Korrektur von Fehlern wesentlich aufwendiger ist.» Vorteilhaft sei hingegen, dass die Blockchain helfen könne, die Trans­aktionenkosten (präziser: Vertragserfüllungskosten) gerade im internationalen Bereich zu senken. Weiter meint Gier von Trustwise, dass DLT als eine Multi-Jurisdiktions-Technologie internationale Vertragsdurchsetzung deutlich erleichtern könne, indem sie Vertragssicherungskon­strukte (Escrow Accounts) klar verbillige. In Zukunft, ergänzt er, werden auf der Blockchain «nur wirklich wirtschaftlich relevante Transaktionen abgewickelt, zumal ihre Kapazität in der Regel beschränkt ist».



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