Blockchain rückt bei Schweizer IT-Anbietern in den Fokus

Nicht nur auf den Trend setzen

Die BCTS selbst ist gemäss Caradonna als Infrastruktur-Anbieter am Markt unterwegs und stellt als Blockchain-Provider ein Netzwerk zur Verfügung, das ausschliesslich in der Schweiz betrieben wird. «Weiter entwickeln wir auch Lösungen, welche auf unserer Blockchain betrieben werden.» Konkret nennt der CTO die Tokenisierung von Solaranlagen und hochsicheren Inspektionsprozessen. Ausserdem sei das Unternehmen mit der Porini Stiftung in einem globalen Projekt involviert, bei dem die Tokenisierung von CO2-Zertifikaten in die Wege geleitet werde, illustriert Caradonna das aktuelle Aufgabenfeld.
Interessant ist, dass er nicht zwingend für DLT-Lösungen plädiert. Es komme stark darauf an, welches Problem gelöst werden solle: «Blockchain zu nutzen, ist nicht immer zwingend. In vielen Fällen kann man auch den Prozess optimieren oder eine gute Datenbank nutzen», führt er aus. «Wenn man die Blockchain des Trends wegen nutzt, ist das der falsche Ansatz.»
“Wenn man Blockchain des Trends wegen nutzt, ist das der falsche Ansatz„
Toni Caradonna, Blockchain Trust Solution
Worauf man vor allem achten sollte, sei das Blockchain-Netzwerk, das man nutze, um seine App­likationen zu betreiben. Denn beim aktuellen Hype rund um Kryptowährungen könne der Betrieb von Projekten sehr kostspielig werden, wenn man, wie der grösste Teil, die Projekte auf Ethereum laufen lasse. «Da kann es gut sein, dass eine Transaktion in einem Fall mal ein paar Cent und bei grosser Nachfrage mehrere Dollar kosten kann», warnt der BCTS-CEO Gülünay und fügt an: «Wir haben dieses Pro­blem mit unserer SwissDLT Blockchain gelöst.»

Drei Risikofaktoren

Beachten sollte man zudem drei Risikofaktoren:
  • Energieverbrauch,
  • regulatorische Unsicherheit,
  • Reputationsrisiko.
Ihnen würde insbesondere im Retail-Bereich Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl für alle drei Punkte Lösungen vorliegen, sagt Caradonna. Wer Innovationen beispielsweise mit DLT-Lösungen umsetzen wolle, stehe heute vor der Herausforderung, einen Change-Management-Prozess auf allen Ebenen umsetzen zu müssen. Grosse Firmen tun sich da schwerer als kleine, agile Firmen. Mit denen zu arbeiten, mache Spass, «die sehen die Chancen und sind bereit für Veränderung», so der BCTS-CTO.
Interessant ist, was Gülünay und Caradonna heute nicht mehr machen würden. Das jahrelang mühsam aufgebaute Wissen würden sie nicht mehr «einfach so preisgeben» und auch keine Energie mehr in den Fintech-Bereich investieren. Denn es sei sehr aufwendig und kostspielig, das klassische Banken-Business zu revolutionieren. «Die Old Economy hat aktuell noch ein zu grosses Gewicht und lässt sich so schnell nicht ablösen», halten die beiden fest.
Auch bei AdNovum ist man wählerischer geworden. So betont Kuhn, «wir würden heute keine rein technologischen Proof-of-Concepts mehr durchführen». Die Technologie komme inzwischen an zweiter Stelle, man sei viel selek­tiver bei der Auswahl der Anwendungsfälle geworden und hinterfrage mehr, ob ein Case sinnvoll und die Verwendung einer DTL dafür wirklich vorteilhaft sei.

Auf dem Weg zur digitalen Allmend

Man müsse laut dem AdNovum-Product-Manager im Auge haben, dass DLT die Effizienz und Effektivität durch die Synchronisation von Daten zwischen verschiedenen Silos genauso steigert wie die Automatisierung von organisationsübergreifenden Geschäftsprozessen. Klare Dateneigen­tümerschaft (Data Ownership), selektive Datenweitergabe und datenschutzfreundliche Datenstrukturen erhöhten Vertrauen und Compliance. Damit ermögliche DLT «die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen sowie die Entstehung von Datenmärkten», sagt Kuhn.
Genau hier setze Cardossier an und verfolge als Prototyp einer «internet-scaled organization» den Ansatz einer digitalen Allmend. Die Mitglieder entwickeln und betreiben die Plattform gemeinsam und jeder kann seine Business Cases auf der Plattform einzeln oder mit anderen umsetzen. «Dies
erfordert neben einer gemeinschaftlichen Planung und Koordination eine neue Art der Zusammenarbeit. Wir können hier viel von einer Bauerngemeinschaft lernen, die gemeinsam eine Alp betreibt», unterstreicht Kuhn den Ansatz.
Er trifft sich hier mit Caradonna. So verweist auch der BSCT-Cheftechniker auf «gemeinschaftlich genutzte Allmende, die aber nur funktionieren, wenn sich alle an gewisse Regeln halten». Auch wenn das Wort Genossenschaft in einigen Kreisen verpönt sei, in der Schweiz werde sie noch gelebt, «wir sind ja eine Eid-Genossenschaft», schiebt er nach.
Die Welt aber kranke derzeit oft an Pro­blemen, die sich auf das Konzept «Tragedy of the Commons» reduzieren liessen. Nötig wäre ein Umdenken auch bei den grossen Problemen des Klimas, der Luftreinheit oder in Sachen Biodiversität. «Global koordinierte eindeutige Datenstrukturen wie eine DLT, die unveränderbar ist, kann eindeutig helfen, Koordinationsbemühungen effizienter zu gestalten, Transparenz zu schaffen, Effizienz zu fördern und Korruption zu reduzieren», sagt Caradonna.
Der Autor
Volker Richert
ist Wirtschafts- und Technologiejournalist aus Zürich.



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