Konzentration aufs Wesentliche

Agilität: Konzentration aufs Wesentliche

Eignen sich agile Methoden auch für umfangreiche Projekte mit entsprechend grossen Teams?

Mir persönlich ist das Risiko bei einem grossen und verteilten Team zu hoch, einen anderen als einen agilen Prozess einzusetzen. Bei einem umfangreichen Team besteht die Gefahr, dass jedes Team ein eigenes System entwickelt und am Ende nicht ein einziges kohärentes Produkt entsteht. Ausserdem stellt die Zusammenarbeit verschiedener Teams an sich schon ein grosses Risiko dar, so dass es umso wichtiger ist, alle Risiken so früh wie möglich auszuschliessen - und genau das erlaubt eine agile Vorgehensweise.

Wann sollte doch besser auf traditionelle Software-Entwicklung zurückgegriffen werden?

Man kann immer dann gefahrlos einen anderen als einen agilen Prozess einsetzen, wenn man die Domäne gut kennt. Etwa dann, wenn man mit einem bestimmten Team in der Vergangenheit bereits ähnliche Produkte entwickelt hat, das Projekt weiterhin komplett ohne jegliches Risiko ist und der Zeitpunkt für die Präsenz am Markt unkritisch ist.

Die Wurzeln der agilen Software-Entwicklung reichen bis Anfang der 90er Jahre zurück. Warum wird sie erst jetzt so populär?

Das ist auf die übliche Inkubationszeit von Neuentwicklungen zurückzuführen. Im Vergleich zu manch anderen ging es bei der agilen Vorgehensweise sogar recht schnell. So haben sich beispielsweise relationale Datenbanken erst nach rund 20 Jahren letztendlich durchgesetzt. Die Objektorientierung hat gar von 1967 bis Anfang/Mitte der 90er Jahre gebraucht bis sie im Mainstream angekommen war.

Stellen wir die Frage also andersherum: Warum ging es mit der agilen Entwicklung eigentlich so rasant vorwärts?

Das liegt meiner Ansicht nach vor allem daran, dass es immer mehr Domänen gibt, die es sich einfach nicht mehr leisten können, ihr Produkt erst am Ende der Entwicklungszeit auf den Markt zu bringen. Sowohl das Internet als auch die zunehmende Globalisierung fordern die Beschleunigung hinsichtlich Marktverfügbarkeit ein.
Zur Person

Jutta Eckstein

Jutta Eckstein ist als internationale Beraterin und Trainerin tätig. Sie verfügt weltweit über einen einzigartigen Erfahrungsschatz mit der Umsetzung agiler Prozesse in mittleren bis grossen Projekten, wovon auch ihr Buch «Agile Software Entwicklung im Grossen» handelt. Sie ist Mitglied der AgileAlliance sowie des Technical Advisory Board der SET (Software Engineering Today) 2008. Im Weiteren gehört sie den Programmkomitees verschiedener weiterer europäischer und amerikanischer Konferenzen zum Thema Agilität an.
Begriffserklärung

Agile Software-Entwicklung

Ziel der agilen Software-Entwicklung ist es, den gesamten Entwicklungsprozess zu optimieren, indem er verschlankt wird. Dafür werden die Projektziele, das lauffähige System sowie die Kunden ins Zentrum gerückt, während der bürokratische Aufwand auf ein Minimum reduziert wird. Die agile Software-Entwicklung versteht sich als Gegenbewegung zu den traditionellen Vorgehen, die zunehmend als schwergewichtig, dokumentenlastig und bürokratisch angesehen werden.
Die Wurzeln der agilen Software-Entwicklung reichen bis Anfang der 1990er-Jahre zurück. Grosse Popularität erreichte sie 1999, als das Buch «Extreme Programming Explained» von Kent Beck erschien. Das darauf hin wachsende Interesse an Extreme Programming ebnete den Weg für weitere agile Prozesse und Methoden.
Das Fundament der agilen Software-Entwicklung bildet das 2001 niedergeschriebene «Agile Manifest» der AgileAlliance.
Claudia Bardola



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