Schweizer Banken 21.05.2014, 20:06 Uhr

Aufbruch zu Finance 2.0

Der Finanzplatz Schweiz steht trotz US-Milliardenbusse der Credit Suisse gut da. Die zunehmende Digitalisierung der Bankgeschäfte zwingen die etablierten Player aber zum Umdenken.
Marc Paul Henauer von der Melani sieht die Schweiz als sicheren Standort fürs Banking
Kürzlich starteten Contovista, DealMarket und Knip. Die drei Unternehmen sind bis anhin weitgehend unbekannt ? im Unterschied zu Crealogix, NZZ und der UBS. Alle sechs aber haben den Hauptsitz in Zürich gemeinsam ? und ihre Tätigkeit in der Finanzbranche. Contovista mit Personal Finance Management, DealMarket mit Private Banking und Knip mit einem Finanzprodukt-Vergleich wollen den Bankenplatz Schweiz aufmischen. Auf dem tut sich etwas. An der Konferenz Finance 2.0 am Mittwoch diskutierten 270 Vertreter von Kreditinstituten und Lösungsanbietern über die Zukunft des Bankings hierzulande.

Schweiz wird von Antiviren-Firmen vernachlässigt

Als ein herausragendes Merkmal des Finanzstandortes Schweiz bezeichnete an dem Anlass Marc Paul Henauer die hohen Sicherheitsstandards. Traditionell haben die hiesigen Banken ein besonderes Augenmerk auf die Abschottung ihrer Systeme gelegt (auch wenn teilweise veraltete Technologie in Betrieb ist). Die Sicherungsmechanismen hätten sich schon häufig bewährt, erklärte der Operativer Chef der Melde- und Analysestelle Informationssicherung (Melani) des Bundes. Henauer führte als Beispiel an, dass bei einem gezielten Angriff auf Deutschschweizer E-Banking-Kunden im Jahr 2007 nur 2 von rund 20 Antivirus-Anbietern ihre Signaturen innerhalb von 24 Stunden aktualisiert hätten. Für die Security-Hersteller habe damals eine Lage mit «geringem Risiko und lokal begrenztem Schaden» bestanden, erinnerte sich der Melani-Experte. Die Deutschschweiz zählt für weltweit operierende Software-Konzerne nur als kleine Region ? ein Update für gezielte Angriffe hat zu wenig Abnehmer. Umso verheerender sei es, wenn sich ein Hacker eine Projektgruppe in einer Firma als Ziel definiere. Für solche Attacken würde dann nicht einmal ein einziger Anbieter einen Patch programmieren, so Henauer. Unter anderem wegen der gezielten und regionalen Angriffsvektoren sei die Meldestelle seit einigen Jahren von ihrer schlichten Empfehlung, Unternehmen und Verbraucher sollen eine Antivirus-Programm installieren sowie regelmässig Updates einspielen, abgerückt. Nach Aussage des Sicherheitsspezialisten gelte diese Massgabe zwar weiter, sie genüge aber nicht mehr. Bei Melani würde heute das Risiko als Produkt aus Verwundbarkeit, Bedrohungslage und dem möglichen Schadensausmass angesehen. Dass V(erwundbarkeit), B(edrohungslage) und S(chadensausmass) gleich Risiko ist, wollte Henauer allerdings als Scherz verstanden wissen. Denn die Lage sei ernst. Unternehmen und insbesondere Banken dürften Cyber-Risiko nicht allein als Anforderung an die IT verstehen, forderte der Experte. Bedrohungen aus dem Internet setzten sich vielmehr zusammen aus physischer Anfälligkeit (etwa des Rechenzentrums), personellen Gefahren (beispielsweise durch illoyale Administratoren) und organisationale Defizite (Zwei- statt Vier-Augen-Prinzip bei Freigaben) ? plus natürlich der Informatik-Sicherheit. Nächste Seite: Milliarden für SAP-Banking ###BILD_46014_left###Bei der Sicherheit haben die Schweizer Bankhäuser ihre Hausaufgaben offenbar einigermassen gemacht. Trotzdem stecken Kreditinstitute noch immer viel Geld in die Infrastruktur, kritisierte Frank-Rainer Nitschke an der Konferenz. Der heutige Leiter Neugeschäfte bei der NZZ Mediengruppe weiss, wovon er spricht. Er amtete zuletzt als Managing Director bei der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. Beim grössten deutschen Kreditinstitut läuft noch bis 2015 das Projekt «Magellan». In den Aufbau einer Prozess- und IT-Plattform für das Privatkundengeschäft mit SAP-Technologie steckt das Unternehmen rund eine Milliarde Euro, erklärte Nitschke. Das Geld für Innovationen fehlen der Deutschen Bank an anderer Stelle. Start-ups würden für den Bruchteil dieser Summe eine Konkurrenz für die Grossbank aufbauen, so der NZZ-Manager. Sein aktueller Arbeitgeber hat mit MyLiberty (Finanzprodukte-Handel) und Qontis (Personal Finance Management) zwei Firmenbeteiligungen am Start, die den hiesigen Markt bedienen wollen.

UBS im Wandel

###BILD_46012_left###Mit welchen Herausforderungen eine Grossbank bei der Öffnung für die neuen Technologien zu ringen hat, weiss Andreas Kubli, Head Multichannel Management & Digitization bei UBS Schweiz. Er hatte zuletzt ein neues ##{"type":"InterRed::Userlink","linktype":"b","linkoffset":0,"ziel_ba_name":"cwx_artikel","bid":0,"cid":0,"extern":"","fragment":"","t3uid":"64805","page":0,"text":"E-Banking","target":"_top","alias":"","_match":"","_custom_params":[]}#!, neue Authentifizierungslsungen für Mobile Banking und einen portablen Kartenleser für den Handel mit auf den Markt gebracht. Diese Innovationen bei der UBS konnte Kubli nach eigener Aussage an der Konferenz nicht allein auf den Weg bringen. «Die Digitalisierung des Banking-Geschäfts benötigt die Unterstützung des Top-Managements», sagte der Experte. Hätte die Führung die Notwendigkeit zum Wandel erkannt, könnte die Ausführung dann delegiert werden. So sei es bei der UBS geschehen. Das nächste Projekt der Zürcher Grossbank ist die Digitalisierung des Wealth Managements, führte Kubli aus. Ziel sei ein rund um die Uhr und aus allen weltweit verfügbaren Quellen gespeistes Anlageberatungsportal, das sowohl Kunden als auch den UBS-Angestellten für die Portfolio-Optimierung zur Verfügung stehe. Die Lösung werde für Touch-Bedienung auf beispielsweise Tablets ? nicht nur das iPad ? ausgelegt sein, aber auch auf herkömmlichen Computern laufen, so der UBS-Manager. Ein Pilot werde im Herbst lanciert, der Regelbetrieb sei für den Jahresbeginn 2015 geplant. Nächste Seite: der virtuelle Banküberfall In der Anlageberatung wird heute noch viel auf Papier gedruckt. Diese Praxis hätten Banken sich über die Jahrzehnte beibehalten, berichtete der britische Finanzexperte und Buchautor Chris Skinner an der Konferenz. «Das Bankengeschäft bestand traditionell darin, Papier um die Welt zu schicken. Heute bewegen sich aber hauptsächlich Daten durch das globale Netzwerk», sagte er. Gleichfalls sei es für einen Bankräuber unterdessen lukrativer, ein Kreditinstitut via Internet zu bestehlen. «In der Filiale erbeuten Diebe vielleicht 50'000 Franken. Über die Webseite kann es leicht 50 Millionen sein», spekulierte Skinner. In der neuen Realität der Digitalisierung, Mobilität und Social Media müssten Banken sich von ihren tradiert Praktiken verabschieden, um relevant für die Kunden zu bleiben. Der Experte schlug den anwesenden Bankern fünf Strategien vor, mit denen sie den Wandel ihrer Finanzhäuser hin zur digitalen Bank meistern können.

Strategien fürs digitale Banking

###BILD_46013_left###Die Kundenhistorie und die Transaktionen seien meist ungenutzte Assets der Banken. Die Institute sollten nach den Worten Skinners erstens die Werte in den Daten finden und für ihre Geschäfte nutzen. Zweitens sei die Digitalisierung eine Reise ohne Ziel. Zum Beispiel sei ein ausgefeiltes Personal Finance Management im E-Banking lediglich ein Zwischenhalt. Darauf müsse aufgebaut werden, indem permanent neue Funktionen addiert oder weitere Innovationen lanciert werden. Drittens betonte Skinner, dass die digitale Beziehung zwischen Bank und Kunde so human wie möglich gestaltet werden sollte. Ein vielleicht attraktives E-Banking sei heute kein Grund mehr, einem Finanzdienstleister treu zu bleiben. Kunden wollten über alle Kanäle von realen Personen unterstützt und beraten werden. Das kostet menschliche Ressourcen weiss auch der britische Finanzexperte. Die Kapazitäten würden aber frei, wenn sich die Bank auf ihr Kerngeschäft konzentriere ? wie vor Jahrzehnten die Automobilindustrie. Analog könnten Backoffice-Leistungen und die Informatik von Partnern erbracht sowie beispielsweise Marktforschungen von Spezialisten zugekauft werden. Ein Autohersteller sei heute auch nur noch Monteur und Vertragspartner von Werkstätten. Schliesslich ermahnte Skinner die Banker, sich niemals auf dem Erreichten auszuruhen und selbstgefällig zu werden. Allein permanente Innovation schütze die Kreditinstitute davor, für den Kunden irrelevant zu werden.



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