IT wird zentraler Wirtschaftsfaktor

Kernbanken-IT und Outsourcing

Die Finanzbranche war mit 216 IT-Projekten in den vergangenen zwölf Monaten weniger aktiv als auch schon. Im Vorjahr waren es noch 225 Projekte – ein Rückgang auf hohem Niveau also. Bei den Banken, die für gut die Hälfte aller Informatik-Projekte verantwortlich zeichnen, ging es in vielen Fällen sogar um die Kernsysteme. Die zwei grossen Schweizer Anbieter Avaloq und Finnova verzeichnen sechs Neukunden: Die Genfer S. P. Hinduja Banque Privée, die Basler Kantonalbank und die Tochterbank Bank Cler, die BBVA Switzerland und die BG Suisse sind neu mit dem Avaloq-Kernbankensystem unterwegs. Bei der Ausgründung der Basellandschaftlichen Kantonalbank, Radicant, wird auf Finnova-Technologie gesetzt und im Outsourcing auf Swisscom. Die Privatbank Julius Bär und die St. Galler Kantonalbank haben sich für Crealogix-Technologie entschieden. Das Kernbankensystem «Finstar» der Hypothekarbank Lenzburg kommt neu beim Anlage- und Vorsorgespezialist Tellco, der Edelmetall-Handelsplattform GCB Suisse und dem Token-Marktplatz der Berner Kantonalbank zum Einsatz. Für ein IT-Outsourcing zu Inventx haben sich zuletzt die Kantonalbanken von Appenzell, Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri sowie die Clientis-Gruppe entschieden. Inventx selbst bekam grünes Licht für den Neubau seines Hauptsitzes mit 200 Arbeitsplätzen in Chur. Dem Baustart war ein jahrelanger Rechtsstreit mit Anwohnern vorausgegangen, den das Bundesgericht im Oktober 2021 endgültig entschied.
Von langer Hand geplant war das Outsourcing von IT-Leistungen in die Rechenzentren von Microsoft Schweiz bei der Basellandschaftlichen, der Glarner und der Zürcher Kantonalbank, Leonteq sowie der Bank Avera. Insbesondere das Projekt bei der Zürcher Kantonalbank liess im November aufhorchen, als IT-Leiter Remo Schmidli der Computerworld sagte, bei der Sicherheit keine Kompromisse machen zu wollen. Genau wie alle anderen Partner müsse auch Cloud-Betreiber Microsoft die hohen Anforderungen der Bank an die Security erfüllen, so Schmidli.
Für ein Komplett-Outsourcing der Informatik hat sich die Berner Kantonalbank im vergangenen Jahr entschieden. Anfang April startete dann die eigenständige Tochterfirma aity. Die gemeinsame Ausgründung mit dem IT-Dienstleister DXC verantwortet künftig den Betrieb der Informatik-Infrastruktur und soll das Kernbankensystem IBIS3G zu IBIS4D weiterentwickeln. Während sich die Berner und ihr Partner einig sind über das Outsourcing, zeigt der Fall der Genfer Kantonalbank, dass es bei IT-Vorhaben nicht nur harmonisch zugeht: Mittlerweile vor Gericht streiten die Westschweizer mit ihrem IT-Dienstleister IBM über nicht oder zu teuer erbrachte Leistungen. In erster Instanz war Big Blue im Juni 2021 zu einer Schadensersatzzahlung von 46,8 Millionen Franken verurteilt worden. Jedoch will IBM gegen das Urteil in Berufung gehen.

Post setzt auf Diversifizierung

Die Schweizerische Post als grösstes Dienstleistungs­unternehmen des Landes hat zwar mit der Paketflut aus dem stetig wachsenden Online-Handel alle Hände voll zu tun. Sie hat aber auch weniger Briefsendungen und mit neuer Konkurrenz zum Beispiel durch lokale Lieferdienste im Kerngeschäft zu kämpfen. So suchen die Post-Manager seit einigen Jahren ihr Heil in der Diversifizierung. Dabei setzt der Konzern auf Übernahmen – mehrheitlich von KMU. Den Anfang machte im Juli 2021 der Werbevermarkter Livesystems aus Liebefeld, gefolgt vom Online-Speicherdienst Tresorit aus Luxemburg und dem Start-up Bring Labs aus Zürich, das elektronische Postizettel von 12 Millionen Menschen verwaltet. Die Einnahmen der SwissSign Group fliessen seit Oktober vergangenen Jahres in die Kassen der Post. SwissSign ist bekannt als He­rausgeber der SwissID und als schweizweit grösster Anbieter von digitalen Zertifikaten. Der Zukauf von Dialog Verwaltungs-Data, einem Spezialisten für E-Government aus Baldegg, ist ähnlich weit weg vom Kerngeschäft wie die Übernahme des Buchhaltungsanbieters Klara vor anderthalb Jahren. Die Klara-Beteiligung stiess zuletzt auch auf Widerstand: Die auf Buchhaltungs-Software spezialisierte Abacus hat die Post bei der Wettbewerbskommission (WEKO) angezeigt. Die Verantwortlichen von Abacus stören sich daran, dass Klara die Buchhaltungs-Software «aufgrund der Quersubventionierungen durch die Post-Gruppe» kostenlos anbieten kann. Die Abacus-Verantwortlichen verlangen, dass die WEKO den Datentransfer zwischen dem Monopolbereich der Post und Klara unterbindet. Der Entscheid der WEKO steht noch aus.
Die IT in der Frei­burger «BCF-Arena» wird von HPE in einem Abo-Modell bezogen
Quelle: BCF-Arena
Bei weiteren rund 150 Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor wurden in den vergangenen zwölf Monaten IT-Projekte umgesetzt. Dabei musste nicht immer gleich gezahlt werden, wie das Beispiel der «BCF Arena» in Fribourg zeigt. Der IT-Partner Hewlett Packard Enterprise (HPE) hat zusammen mit 16 Lieferanten drei Kilometer Netzwerkkabel verlegt, 270 Hotspots und 500 Navigationssender eingerichtet und 200 Livestreaming-Bildschirme installiert. Für die Hardware zahlen die Verantwortlichen des Hockeyclubs Fribourg-Gottéron nun eine monatliche Gebühr. Für die IT-Ausstattung der künftigen «Swiss Life Arena» in Zürich-Altstetten sind die ZSC Lions auf Einkaufstour gegangen. Die Displays, die elektronischen Banden und einen der grössten LED-Würfel Europas (12 × 12 × 8 Meter) liefert Samsung.



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