«Wo bleibt der Alfred Escher des Digital-Zeitalters?»

Die Rolle von CDO und CEO im digitalen Zeitalter

CW: In Ihrem Buch schlagen Sie ja unter anderem auch den Einsatz eines Chief Digital Officers (CDO) in Unternehmen vor. Kann so jemand in Anbetracht der Zurückhaltung so vieler Schweizer Unternehmen überhaupt etwas bewirken?
Eugster: Auf jeden Fall. Denn er wirkt wie ein digitaler Botschafter im Unternehmen und treibt die Entwicklung voran, und zwar auf allen Ebenen der Digitalisierung. Zu diesen gehören nicht nur die Prozesse, sondern auch das Online-Marketing mit Neukundenakquise, die Kundengewinnung etwa via Social Media und digitale Geschäftsmodelle.
CW: Müsste nicht der CEO vom gleichen Schlag sein wie der CDO, respektive sollte er nicht gleich selbst die Funktion des CDOs übernehmen?
Eugster: Unbedingt. Ich stelle immer die provokative Frage: «Sind Sie der CEO, der Ihr Unternehmen in die digitale Zukunft führen kann?» und antworte gleich: «Wenn nicht, ist es Zeit für Sie abzudanken.»
Ideal ist es somit, wenn der CEO gleich tickt wie der CDO. Er braucht diesen aber dennoch, um konkrete Projekte umzusetzen. Denkt der CEO aber nicht digital und stellt einen CDO ein, kann dies für Letzteren eine sehr frustrierende Erfahrung werden. Ein guter Freund, der von einem Medienunternehmen als CDO eingestellt wurde, hat gerade diese Erfahrung selber machen müssen.
CW: Apropos CEO. Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen macht seine Hausaufgaben und digitalisiert seine Prozesse. Verflacht sich dann nicht auch die Hierarchie? Oder etwas ketzerisch gefragt: Braucht es in der digitalen Firma noch den CEO?
Eugster: Die Hierarchie wird dann auf jeden Fall flacher. Ob dies allerdings gleich zur Holacracy, also zum hierarchielosen Unternehmen führen wird, glaube ich nicht. Es braucht nämlich schlussendlich jemanden, der entscheidet und das Unternehmen noch führt. Aber Firmen werden mehr aus relativ autonomen Teams bestehen. Damit entsteht eine eigene Dynamik, die strikte Hierarchien dann eher abwürgen würden.
CW: Sie haben Ende der 1990er-Jahre einige Internetfirmen gegründet. Wie unterscheidet sich ein Firmengründer heute zu früher und was wird er in Zukunft mitbringen müssen?
Eugster: Ich bin leider nicht mehr so tief in dieser Materie drin. Was ich aber feststellen kann, ist, dass etwa an den Hochschulen viel mehr Spin-offs entstehen als früher. Auch bei der Investitionskultur hat sich einiges zum Besseren gewandelt. Es gibt hier doch mehr Initiativen. Auch der Staat greift mit entsprechenden Programmen und Weiterbildungsmassnahmen unter die Arme. Selbst was den Wettbewerb für die besten Ideen anbelangt, hat sich einiges getan. Die Konkurrenz und das Niveau der Teilnehmer an entsprechenden Wettbewerben ist stark gestiegen.
Was sich dagegen nicht geändert hat, ist die Maxime, dass die Leute noch wichtiger sind als die Ideen. Gerade kürzlich habe ich mit einem Investor gesprochen, der ein Start-up mit Geld bedacht hat. Auf meinen Einwand, dass mir die Idee der Firma nicht so gefalle, meinte er, er sei da auch skeptisch, aber das Gründerteam sei top. Wenn die Idee nicht funktioniere, seien diese Leute schnell in der Lage, etwas anderes aufzubauen. Kurzum: Sie brauchen die richtigen Leute, die Ideen umsetzen sowie bereit sind, morgens etwas früher aufzustehen und abends etwas später ins Bett zu gehen ... Das war übrigens auch früher schon so, das hat sich nicht geändert.
Zur Person

Jörg Eugster
Jörg Eugster ist seit 1998 Internetunter­nehmer und zählt daher zu den Webpionieren der Schweiz. Er hat mit «jobwinner.ch» und «swiss­friends.ch» zwei Internetplattformen gegründet und später an Medien­unternehmen verkaufen können. Heute ist er als «Botschafter der digitalen Zukunft» beratend tätig, nimmt mehrere Verwaltungsratsmandate wahr, tritt als Keynote Speaker auf und betreibt weiterhin Webprojekte wie «topin.travel», «swisswebcams.ch» und «wifimaku.com».



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