«Ich habe Freude an ganz vielen Projekten»

Neue Arbeitswelten bei SAP Schweiz

CW: Wie soll SAP Schweiz künftig arbeiten – wenn es nach dem Willen von Herrn Locher-Tjoa geht?
Locher-Tjoa: Vor der Pandemie hatten wir nicht fest­geschrieben, von wo die Angestellten arbeiten. Home Office und ähnliche Konzepte wurden oftmals in den verschiedenen Teams individuell geregelt. Allerdings hatten wir zum Beispiel mit den kostenfreien Getränken und dem bezahlten Mittagessen schon Anreize gegeben, dass die Mitarbeiter ins Büro reisen.
Der Lockdown und die Home-Office-Pflicht gaben den Ausschlag, dass wir nun einen Rahmen für die individuellen Regelungen geschaffen haben. Neu haben die Angestellten eine 100 Prozent flexible Arbeitsumgebung. Sie ist einerseits ein Signal an diejenigen Kollegen, die bisher individuelle Regelungen folgten. Und andererseits stärken die neuen Massnahmen die Work-Life-Integration, indem wir beispielsweise explizit auf Kinderbetreuung eingehen. Kinder können auch hier am neuen Standort in einen Hort gebracht werden, wenn die Präsenz der Mitarbeitenden im Büro notwendig ist.
CW: Wie passen Kundenbesuche vor Ort und auch im Circle in die flexible Arbeitsumgebung?
Locher-Tjoa: Die Kunden sind heute genauso flexibel und hybrid unterwegs. Jedoch gibt es hier grosse Unterschiede von Branche zu Branche und von Firma zu Firma. Unsere Kunden aus der Pharmasparte zum Beispiel sind als produzierendes Gewerbe noch in der «Phase rot». Besuche von extern sind dort nicht erlaubt, genau wie sie uns nicht besuchen dürfen. Bei anderen Kunden sind die Türen wieder geöffnet, oft aber mit entsprechenden Schutzkonzepten.
Angesichts dieser Situation sind wir dazu übergegangen, auch bei physischen Meetings eine virtuelle Teilnahmemöglichkeit anzubieten. Sie wird auch rege genutzt und funktioniert gut. Ich bin in diesem Zusammenhang froh, dass die Videokonferenz-Technologie mittlerweile aus­gereift ist. Wer erinnert sich nicht daran, wie man früher zuerst einen Desktop-Client installieren, für den ein Benutzerkonto erstellen und schliesslich auch noch die Leitungsqualität prüfen musste. Das war sehr mühsam.
CW: Haben Sie Verträge mit Neukunden abgeschlossen, die Sie noch nicht persönlich getroffen haben?
Während des Lockdowns hat Michael Locher-Tjoa von SAP eine neue Art der Projektabwicklung kennengelernt
Quelle: Samuel Trümpy
Locher-Tjoa: Ja, selbstverständlich haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren auch Verträge vollkommen virtuell abgeschlossen. Der Prozess ist allerdings schon bemerkenswert anders als vor der Pandemie. Obwohl wir dem Kunden in der Videokonferenz in die Augen blicken können und identische Fragestellungen beantworten, dauern die Verhandlungen viel länger. Es gibt viel mehr Meetings über viel mehr Details. Denn es gibt gefühlt auf beiden Seiten viel mehr Zeit für die einzelnen Anforderungen und auch die spezifische Lösungsfindung.
Wir als SAP Schweiz waren ehrlich gesagt überrascht, dass wir trotz der teilweise sehr komplexen Szenarien bei den Neukunden viele positive Ergebnisse erzielen konnten. Wir nehmen davon mit, dass insbesondere die Reisetätigkeit unserer Kollegen im Aussendienst doch problemlos reduziert werden kann. Nicht einmal für ein Consulting müssen die Mitarbeiter zwingend fünf Stunden zum Kunden reisen.
Ein weiterer positiver Aspekt ist die neue Meeting-Kultur: Mittlerweile sind alle Teilnehmer perfekt vorbereitet, sodass die Meetings meistens pünktlich und mit einem passenden Resultat abgeschlossen werden können. Die Kehrseite der Medaille ist: Nun werden viel mehr Meetings anberaumt. Wenn wir nun langsam zurückkehren in die hybride Arbeit – und ich doch tatsächlich ein physisches Meeting beim Kunden habe –, kann ich während der Fahrt natürlich an keinem virtuellen Meeting teilnehmen. Dieses Management müssen wir auch wieder neu lernen. [lacht]



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