09.03.2011, 21:17 Uhr

Ämter in der Cloud und den sozialen Medien

Ein Bundesamt hat Kartendaten in Amazons Rechenzentren ausgelagert, die Städte St. Gallen, Winterthur und Zürich experimentieren mit Demokratie 2.0.
Hanspeter Christ vom swisstopo lagert Geodaten zu Amazon aus
Das Bundesamt für Landestopografie nutzt 60 Server. Nur 20 davon stehen in Wabern vor den Toren Berns. Die übrigen 40 betreibt der US-amerikanische Cloud-Dienstleister Amazon. Als das Geodatenportal http://geo.admin.ch mit einer halben Milliarde digitalisierten Karten im vergangenen Jahr ans Netz gegangen ist, schrammten die Server jedoch an ihrer Leitungsgrenze. Die rund 35'000 gleichzeitigen Besucher übertrafen alle Erwartungen und zeigten den Administratoren auf, dass sie die Infrastruktur optimieren mussten. Heute sieht Hanspeter Christ vom Bundesamt für Landestopografie die Infrastruktur gut gewappnet: «Innert zwei Stunden können wir die Kapazität verzehnfachen, wenn die Besucher in Massen strömen.» Aufgrund der leistungsabhängigen Abrechnung bereiten künftige Anstürme dem stellvertretenden Leiter der Webinfrastruktur des Bundesamtes kein Kopfzerbrechen mehr. Der nächste Run steht schon vor der Tür: Im Herbst wird die mobile Version des Geodatenportals aufgeschaltet. «Wir setzen dabei nicht auf Apps für die verschiedenen Smartphones, sondern liefern die Daten direkt in den Browser», kündige Christ am «Swiss eGovernment Forum» in Bern an.

Cloud: Sicherheitsrisiken beherrschbar

Das Bundesamt ist laut der Berner RechtsanwltinUrsula Widmer nicht die einzige öffentliche Einrichtung hierzulande, die Daten jenseits der Landesgrenzen in der Cloud lagert. Das Portal «MySwitzerland.com» von Tourismus Schweiz sei ebenfalls teilweise ausgelagert. An dem Anlass in Bern ermutigte Widmer die Vertreter von Landes-, Kantons- und Gemeindeverwaltungen, das Cloud-Modell stärker zu nutzen. Auf Einwände hinsichtlich Sicherheit und Datenschutz rät die Anwältin, mit Fakten zu begegnen. Sie zitierte etwa eine Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme, laut der Cloud-Anbieter meist höhere Sicherheitsstandards böten als sie in den Rechenzentren der Behörden üblich seien. Nach Widmers persönlicher Meinung sind Sicherheitsrisiken in der Cloud heute beherrschbar. Anders verhalte es sich mit sensiblen Personendaten der Behörden. Hier gäbe es der Juristin zufolge rechtliche Einschränkungen, die geprüft werden müssten. «Der Schweizer Cloud-Kunde bleibt verantwortlich für die Einhaltung des Datenschutzes», stellte Widmer klar. Das bedeutet der Rechtsanwältin zufolge jedoch nicht, dass es generell unmöglich sei, Personendaten ausserhalb der Landesgrenzen in einer Cloud zu lagern. «Bei der Datenbekanntgabe ins Ausland gelte zum Beispiel für die EU die Gleichwertigkeit des Datenschutzes», so Widmer. Die «Safe Harbor»-Vereinbarung zwischen der EU und den USA gewährleiste analog, dass personenbezogene Daten nach Übersee übermittelt werden dürften. Nächste Seite: «500 Bürger täglich in der Amtsstube» Die Umwälzung durch das Cloud-Paradigma ist nur eine Herausforderung, mit der sich einheimische Verwaltungen zurzeit konfrontiert sehen. Eine weitere ist der Social-Media-Boom, der vor den Amtsstuben nicht halt macht. Gemäss Gregory Gerhardt von der Zürcher Firma Amazee Labs versuchten die Verantwortlichen zwar, Tools wie Facebook oder Twitter noch mit Sperren von den Verwaltungs-PCs fernzuhalten. Die Bevölkerung jedoch wolle nicht auf die neuen Kommunikationskanäle verzichten und trete mit dieser Erwartungshaltung auch den Behörden gegenüber auf.

St. Gallen, Winterthur und Zürich

Laut Gerhardt tun sich die Gemeinden allerdings schwer mit Social Media. Bemerkenswerte Ausnahmen seien St. Gallen, Winterthur und Zürich. Die Limmatstadt zum Beispiel habe mit der «eZrich»-Initiative «visionäre» Arbeit geleistet, dabei aber zu wenig auf die Benutzerfreundlichkeit geachtet. Auf dem zugehörigen Facebook-Kanal fehle die Interaktivität, Twitter würde dagegen gut bewirtschaftet, jedoch sei die Zahl der Follower zu klein. Beim Stadtzürcher Twitter-Konto sei es genau umgekehrt: recht viele Follower, überhaupt keine Tweets. Die Stadt Winterthur präsentiere sich mit seiner Webseiteebenfalls zu wenig innovativ, sagte Gerhardt. Das gelte auch für die iPhone-App der Stadtverwaltung, die der Social-Media-Experte als zu passiv kritisierte. Hingegen machten die Behördenmitarbeiter auf dem stadteigenen Twitter-Kanal einen guten Job. Demokratie 2.0 hat sich auch St. Gallen mit dem Portal MySGauf die Fahne geschrieben. Die Seite leide allerdings ebenfalls an einem verbesserungsbedürftigen Look&Feel, sagte Gerhardt, und schloss an: «Eine Ordnerstruktur als Navigationselement ist nicht sexy.» Dennoch sei das Bemühen der St. Galler Stadtväter um mehr Bürgernähe lobenswert, ebenso wie die Interaktion auf Twitter.

Spielwiese für Behörden

Die kritischen Anmerkungen nahm Urs Weishaupt von der Stadt St. Gallen an dem Anlass in Bern wohlwollend auf. Der Leiter der städtischen Fachstelle Kommunikation berichtete, MySGzähle durchschnittlich 500 Besucher täglich. «Das tönt nicht nach viel, aber welche Amtsstube besuchen schon 500 Bürger am Tag», wand Weishaupt ein. Die MySG-Webseite sei ein Test, um Erfahrungen bei der Interaktion mit den Stadtbewohnern zu sammeln. Die eGovernment-Anstrengungen sind dem Kommunikationschef zufolge mit dem Portal auch noch nicht erschöpft. Eine iPhone-App sei jüngst lanciert worden, eine Android-App folge und in Kürze werde ein Stadtratsblog aufgeschaltet. Später soll die städtische Webseite, MySG, die Mobilangebote und das Blog auf einem Portal vereinigt werden. Von der Konsolidierung der Informationskanäle verspricht sich Weishaupt eine stärkere Nutzung durch die St. Galler Bürger.



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