29.09.2008, 10:10 Uhr

Exklusiv-Interview mit VMware-Chef Paul Maritz

Seit Juli ist Paul Maritz Chef der Virtualisierungsspezialistin VMware. Im Interview mit Computerworld informiert er über die Strategie seiner Firma und beurteilt die Konkurrenz.
Paul Maritz, CEO von VMware
Vor Kurzem ist in Las Vegas die Anwenderkonferenz VMworld der EMC-Tochter VMware über die Bühne gegangen. Am Rande der Veranstaltung sprach CEO Paul Maritz über künftige Projekte und seinen früheren Arbeitsgeber Microsoft.
Was hat sich bei VMware geändert unter Ihrer Führung?
Es ist ein bisschen früh, um über seismische Verschiebungen unter meiner Firmenleitung zu berichten. Aber klar ist auch: In den letzten Wochen habe ich versucht, die Botschaft, die VMware an seine Anwender richtet, klar zu formulieren und unsere Ziele für die nächsten paar Jahre zu bezeichnen. Beides ist wichtig, schliesslich sind wir meist ein strategischer Partner unserer Kunden und müssen klar und deutlich sagen, wohin die Reise geht.
Dazu gehört sicherlich ihre Absicht, den Quelltext des ESX-Hypervisors zu veröffentlichen. Können Sie mir sagen, was dies für Ihre Produkte bedeutet und was alles unter eine solche Codeöffnung fällt?
Die Veröffentlichung des Quelltexts bedeutet mehr als ein Stück Software als Open Source zu kennzeichnen und den Code ins Web zu stellen. Vielmehr muss eine Community aufgebaut und später betreut werden. Wir müssen also einen klaren Prozess definieren, bei dem nicht nur definiert wird, wie auf den Code zugegriffen wird, sondern auch, wie die von den Anwendern programmierten Erweiterungen und Änderungen wieder in das Open-Source-Projekt einfliessen. Leider wird dieser Aspekt bei vielen Quelltextfreigaben nicht gross beachtet. Oder böse ausgedrückt: Viele Open-Source-Vorhaben sind für mich reine Marketing-Gags. Wenn wir aber unseren Quelltext veröffentlichen, dann nur unter den von mir soeben skizzierten Umständen.
Ihre Vorgängerin, Diane Greene, hat sich vehement für die Unabhängigkeit von VMware nach der Übernahme durch EMC eingesetzt. Wird sich das Verhältnis zum Mutterkonzern ändern, da Sie nun Chef sind?
Ich erwarte keine Änderungen. Abgesehen davon: Wenn ich die fünf wichtigsten Herausforderungen betrachte, die für VMware anstehen, dann gehört das Verhältnis zu EMC nicht dazu.
Laut EMC will man von VMware mehr oder weniger die Finger lassen...
Das stimmt und EMC hat verstanden, dass wir einen gewissen Grad an Unabhängigkeit im Tagesgeschäft benötigen. Der Haussegen hängt somit überhaupt nicht schief.
VMware musste sich vor Kurzem mit einem tiefgreifenden Software-Fehler herumschlagen. In Ihrem Produkt tickte nach einem Update eine Software-Zeitbombe, die bewirkte, dass das System dachte, die Lizenz sei abgelaufen. Hat dieses Problem Ihre Glaubwürdigkeit in Mitleidenschaft gezogen?
Es hat uns nicht aus der Bahn geworfen, aber ein blaues Auge haben wir sicherlich davon getragen. Wir werden alles daran setzen, dass so etwas garantiert nicht mehr passiert.
Was ist genau schief gelaufen, dass es zu diesem Fehler kam?
Wir haben den Fehler geortet. Jemand hat tatsächlich versagt. Aber es nützt nichts, das jetzt an einer Person oder an einem Entwicklerteam fest zu machen. Wir haben viel grundsätzlichere Lehren aus dem Debakel gezogen und das Problem an der Wurzel angepackt. In der Folge haben wir alle Zeitbomben aus unserer Software entfernt. Diese waren hauptsächlich ein bequemes Tool für uns und nicht für die Anwender.
VMware hat vor bald sechs Monaten das Security-Programm VMsafe angekündigt, aber bis heute nichts ausgeliefert. Wann wird das Produkt fertig sein?
Wir wollen gegenwärtig keine genaueren Angaben machen. Aber die Software ist definitiv in der Entwicklung.
Alle Ankündigungen von VMware an der VMworld haben sich auf 2009 bezogen. Warum haben Sie nichts gezeigt, das fertig ist und jetzt dann ausgeliefert werden kann?
Den richtigen Zeitpunkt für Ankündigungen zu treffen, ist schwierig, wenn nicht unmöglich. Wir wollten während der Anwenderveranstaltung mehr aufzeigen, wohin die Reise geht und wie unser Rahmenwerk aussieht.
Worin sehen Sie den Hauptgrund, dass der VMware-Verwaltungsrat gerade Sie zum CEO gekürt hat?
Weil ich gut aussehe.
Logisch.
Nein, mal ernsthaft: Ich glaube ein wichtiger Punkt ist, dass ich den grössten Teil meines Berufslebens mich mit System-Software beschäftigt habe. Die Produkte sind somit in einem Gebiet angesiedelt, das ich gut verstehe. Zudem habe ich Erfahrung in einer Firma gesammelt, die mit ihrem Produkt von kleinen Anfängen zu einem langzeitlich strategischen Partner avanciert ist.
Sie sprechen von Microsoft und Windows?
Genau. Vielen Herausforderungen, die VMware jetzt auf sich zukommen sieht, bin ich bereits begegnet. Sie sind vielleicht nicht genau die selben Probleme und haben auch nicht exakt die selben Lösungen, aber sie sind ähnlich gelagert.
Wird Ihre Erfahrung bei Microsoft Ihnen helfen, gegen Ihren früheren Brötchengeber in Konkurrenz zu treten?
Ich glaube schon. Beispielsweise weiss ich, wie profund deren Technik und wie stark die Firma ist. Keine Sekunde lang werde ich Microsoft unterschätzen. Andererseits lasse ich mich auch nicht zu sehr beeindrucken! Ich weiss, auch sie sind nicht perfekt und keine Zauberer. Wenn wir also eine gute Strategie haben und keine groben Fehler bei deren Verwirklichung machen, werden wir bestehen können.
Hat Sie etwas überrascht bei VMware, seit Sie auf dem Chefsessel Platz genommen haben?
Ja, ich hatte vor meinem Antritt nicht völlig begriffen, wie strategisch das Produkt von VMware in vielen Firmen bereits geworden ist. Wir haben diesbezüglich klar einen Platz an der Sonne ergattert.
Zur Person

Paul Maritz wurde im Juli zum CEO von VMware ernannt. Dies, nachdem seine Vorgängerin Diane Greene, vom EMC-beherrschten Verwaltungsrat in die Wüste geschickt worden war. Maritz muss nun in dem heftig umkämpften Virtualisierungs-Markt bestehen und sich mit seinem ehemaligen Brötchengeber Microsoft anlegen. Für die Redmonder arbeitete Maritz zwischen 1986 und 2000. Er leitete dort einige wichtige Software-Projekte wie Windows 95, 2000, NT, Internet Explorer und Office. Damals galt Maritz als Nummer drei hinter Bill Gates und Steve Ballmer. Danach gründete er die Firma Pi, die EMC vor Kurzem aufgekauft hat.



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