08.08.2012, 10:52 Uhr

Medikament sendet SMS

Erstmals hat die zuständige US-Behörde elektronischen Pillen die Zulassung erteilt
Chips sollen dem Arzt melden, ob Medikamente auch eingenommen wurden
Die US-Behörde Food and Drug Administration (FDA) hat erstmals Mikrochips zur oralen Einnahme zugelassen, wie Nature berichtet. Ein Sandkorngrosser Sensor, der in Pillen eingelassen wird, reagiert auf Kontakt mit Verdauungssäften und schickt eine Nachricht an ein Smartphone, auf dem eine entsprechende App installiert ist. So können Ärzte kontrollieren, ob ihre Patienten ihre Medizin ordnungsgemäss einnehmen. Vorerst ist der Einsatz nur für Placebos erlaubt, in Kürze soll aber auch das Okay für verschiedenste Medikamente kommen. Hergestellt werden die Chips vom US-Unternehmen Proteus Digital Health.

Umstrittene Überwachung

Diese Form der Patientenkontrolle schockiert in der Alten Welt: «Das halte ich für ein orwell'sches Szenario, das nicht stattfinden darf. Die Kooperation der Patienten bei Behandlungen ist zwar ein internationales Problem, die Erfolgsquote ist aber von Arzt zu Arzt unterschiedlich. Ein Funktionierendes Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist das beste Mittel für regelmässige Medikamenteneinnahme. Werden Menschen beispielsweise auf die Alkoholverträglichkeit eines Medikaments aufmerksam gemacht, ist eine Einnahme am Wochenende wahrscheinlicher», sagt Otto Pjeta vom Medikamentenreferat der Österreichischen Ärztekammer. Am Ende müsse aber jeder Patient das Recht haben, über seinen Körper zu bestimmen.

In den USA nehmen bis zu 50 Prozent der Patienten ihre Medikamente nicht regelmässig ein. «In Europa sind die Zahlen vergleichbar. Viele Menschen nehmen verschriebene Medizin entweder gar nicht oder nicht regelmässig», sagt Tassilo Korab, Sprecher des Healthcare Compliance Packaging Council Europe. Der Chip in der Pille könnte solche Probleme beheben. Der winzige Sensor aus Silizium und Spuren von Kupfer und Magnesium reagiert auf Kontakt mit Magensäure und sendet ein Signal, das an den Arzt geht.

Bei Unregelmässigkeiten können Mediziner einschreiten und die Dosis oder die Gabemethode anpassen. «Ähnliche Ansätze gibt es mit intelligenten Packungen, die Ärzte informieren, wenn eine Tablette entnommen wird. Diese Methoden sind allerdings aufwendig und teuer. Für Einzelfälle, in denen das Leben der Patienten von regelmässiger Medikamenteneinnahme abhängt - etwa Organtransplantationen - halte ich Überwachung für sinnvoll», so Korab. Die Chippille sei eine bessere Variante, weil sie die Einnahme tatsächlich garantieren kann. «Auch in schweren Fällen bin ich gegen eine Überwachung, weil sie die Würde der Menschen verletzen würde», so Pjeta. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Chip-Pille ist erst der Anfang

Erst der Anfang

«Menschen, deren Leben von einem Medikament anhängt, sind oft dankbar für die Kontrolle. Angst vor Big Brother ist hier deshalb nicht angebracht. Für eine flächendeckende Anwendung macht die Technologie ohnehin keinen Sinn», so Korab. Bei weniger kritischen Fällen gibt es andere Mittel und Wege die Kooperation der Patienten zu gewährleisten.

«Die Wichtigkeit der Thematik muss Ärzten bereits im Studium beigebracht werden. Derzeit können viele Mediziner das Problem überhaupt nicht richtig einschätzen. Zusätzlich muss den Patienten die Einnahme eines Medikamentes so einfach wie möglich gemacht werden, durch entsprechende Gestaltung von Verpackungen und Beipacktexten. Angaben zu Nebenwirkungen, die dort aus Haftpflichtgründen stehen, haben dort eigentlich nichts zu suchen. Auch ein Kontrollinstrument für die Patienten selber kann helfen», so Korab.

In den USA setzt die Medizin trotzdem lieber auf die Technik. Einige Experten sehen im verschluckbaren Chip den Anfang einer schönen neuen Welt. Chips im Körper könnten künftig verschiedenste Daten liefern, mit Minilabors Analysen durchführen und sogar kontrolliert Medikamente verabreichen. «Die 2010er-Jahre werden als die Ära der digitalen medizinischen Elektronik in die Geschichte eingehen. Es wird gerade an vielen Technologien gearbeitet, die die Medizin verändern werden», sagt Eric Topol, Autor des Buches «The Creative Destruction of Medicine». (www.pressetext.com)



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