05.05.2006, 17:13 Uhr

Virtuelle Rechen­zentren im Wettstreit

Im Kampf um die Vorherrschaft bei der Server-Virtualisierung haben Microsoft und VM-Ware ihre Produkt- und Preisstrategie radikal umgekrempelt.
Dirk Pelzer ist Diplomingenieur und arbeitet als Consultant, Journalist und Sachverständiger.
Virtualisierungssoftware von Microsoft oder VM-Ware ist mittlerweile in vielen Unternehmen anzutreffen. Dort unterstützt sie Administratoren beim Aufbau von Konsolidierungslösungen oder hilft Entwicklern, neue Produkte in kurzer Zeit für unterschiedliche Systeme zu testen. Um Marktanteile in diesem heiss umkämpften Markt zu sichern beziehungsweise wettzumachen, haben die beiden grössten Anbieter ihre bisherige Produkt- und Lizenzierungsstrategie völlig über den Haufen geworfen. Wurden bislang für die speziell im Rechenzentrum eingesetzten VM-Ware Server, vormals GSX Server, und Microsoft Virtual Server 2005 R2 zum Teil stattliche Lizenzgebühren fällig, so sind beide mittlerweile kostenlos erhältlich. Dabei liefern sich die beiden Kontrahenten in Sachen Funktionalität ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Breite Hardwareunterstützung

###BILD_17989_left###Als Host-System, auf dem die virtuellen Maschinen laufen, eignet sich grundsätzlich jeder Rechner mit Intel- oder AMD-CPU. Sowohl VM-Ware als auch Microsoft unterstützen die 64-Bit-Techniken der beiden Prozessorschmieden auch für die Gastsysteme. Als untere Grenze für die CPU-Taktfrequenz nennt VM-Ware 733 MHz, Microsoft begnügt sich gar mit 550 MHz. Für den Praxisbetrieb liegen die Mindestvoraussetzungen eher im Bereich einer 2,8-GHz-CPU. Der erforderliche Hauptspeicher des Hostsystems beginnt bei 512 MByte und reicht bis zu 64 GByte. Je nach Anforderung empfiehlt es sich, zwischen zwei und vier GByte RAM einzuplanen, da die Grösse des Hauptspeichers direkt der Leistung der virtuellen Maschinen zugute kommt.
Für die LAN-Kommunikation kann jede vom Host-System unterstützte physikalische Netzwerkkarte herangezogen werden. VM-Ware emuliert pro virtueller Maschine maximal vier 100-MBit-Adapter von AMD. Diese verfügen zudem über ein virtuelles PXE-ROM (Preboot Execution Environment). Der Systemverwalter kann somit bestehende Automatismen von Enteo oder Altiris zur Installation von Betriebssystemen und Applikationen nutzen. Darüber hinaus hat VM-Ware eine kostenpflichtige Software namens Virtual Center im Programm, die speziell auf die Administration und die Einrichtung virtueller Architekturen ausgerichtet ist. Auch der Microsoft Virtual Server emuliert bis zu vier 100-MBit-Netzwerkkarten pro virtueller Maschine. Die Entwickler aus Redmond haben jedoch einen Intel-21141-Chipsatz realisiert, der ebenfalls PXE-Support bietet. Zudem integriert sich das Microsoft-Produkt nahtlos in die kostenlos verfügbaren Microsoft ADS (Automated Deployment Services), die der Systemverwalter nutzen kann, um Windows-2000/2003-Systeme vollautomatisch zu installieren.

Nützliche Zusatztools

Für die Migration vorhandener physikalischer Server in eine virtuelle Umgebung bieten beide Hersteller ebenfalls Tools an. Von Microsoft ist das kostenlose Virtual Server Migration Toolkit erhältlich. Damit können Systemadministratoren vorhandene physikalische Windows-Systeme in virtuelle Maschinen umwandeln. VM-Ware bietet mit P2V eine kostenpflichtige Software, die beispielsweise in der Lage ist, die in physikalischen Systemen vorhandenen Treiber für RAID-Controller automatisch durch VM-Ware-kompatible zu ersetzen. Zusätzlich bietet die Herstellerin mit dem Virtual Machine Importer ein kostenloses Tool, das Betriebssystem-Images von Symantec Live State Recovery oder Microsoft Virtual Server ins hauseigene Format umwandelt.
Neben einer langen Liste von Gemeinsamkeiten unterscheidet sich der derzeit noch im Betastadium befindliche VM-Ware Server jedoch nach wie vor in einigen Punkten vom Microsoft Virtual Server. Als Pluspunkt kann VM-Ware die nach wie vor breitere Unterstützung für unterschiedliche Gastbetriebssysteme für sich verbuchen. Auf der langen Liste finden sich nahezu alle gängigen Versionen von MS-DOS, Windows, Netware, Linux, Free-BSD und sogar die x86-Version von Solaris. Nutzer des Microsoft Virtual Server 2005 R2 müssen sich derzeit mit der Unterstützung für Microsoft-Betriebssysteme ab Windows NT 4.0 und einigen ausgewählten Linux-Distributionen von Novell/Suse und Red Hat begnügen. Um den Leistungsumfang von Linux allerdings voll unter Virtual Server nutzen zu können, benötigt der Systemverwalter zusätzliche Virtual Machine Add-Ins, die im Wesentlichen Treiber für Maus-, Grafik- und SCSI-Disk-Support enthalten. Für VM-Ware sind zwar ebenfalls solche Tools erforderlich, jedoch sind diese bei aktuellen Linux-Distributionen bereits integriert. Zum Testzeitpunkt hatte Microsoft die Addins für Linux zwar angekündigt, jedoch standen diese noch nicht zum Download bereit.
In unserem Tests liess sich Red Hat Enterprise Linux 3 zwar auch ohne Add-In installieren, jedoch war die Bedienung der X-Window-Oberfläche ohne die optimierten Grafik- und Maustreiber etwas mühsam.
Ins Hintertreffen gerät Microsoft zudem bei der Anzahl virtueller CPU. Während der Virtual Server nur einen Prozessor bereit stellt, sind es beim VM-Ware Server bis zu zwei. Damit lassen sich auch Applikationen testen und betreiben, die zwingend eine Mehrprozessor-Architektur voraussetzen. Als weiteren Pluspunkt kann der VM-Ware Server für sich verbuchen, dass er Linux auch als Hostsystem unterstützt. Der Virtual Server dagegen läuft nur unter Windows.
Aber auch das Microsoft-Produkt bietet ein interessantes Alleinstellungsmerkmal, nämlich den Betrieb in einem Cluster. So kann der Administrator sicherstellen, dass die virtuellen Maschinen im Falle eines Hardwaredefekts auf dem primären Host-System auf einem anderen Knoten automatisch wieder zum Leben erweckt werden.

Simple Konfiguration

Beide Produkte lassen sich auch ohne besondere Vorkenntnisse installieren und konfigurieren. Zu beachten ist jedoch, dass der Virtual Server zwingend einen IIS (Internet Information Server) zur Administration voraussetzt. Das führt dazu, dass das Betriebsrisiko potenziell grösser wird, da die beim IIS immer wieder auftretenden Sicherheitslücken durch das regelmässige Einspielen von Sicherheits-Updates beseitigt werden müssen. VM-Ware lässt dem Systemverwalter hingegen die Wahl zwischen einer Web-Oberfläche, die auf einem Microsoft-System ebenfalls den IIS benötigt, und einer 32-Bit-Windows-Oberfläche.
###BILD_6368_left###Für die Einrichtung einer virtuellen Maschine fragen beide Produkte die benötigten Systemparameter ab und konstruieren daraus die gewünschte Hardware. Problemlos lassen sich zudem Peripheriegeräte mit seriellem oder parallelem Anschluss wie Drucker, Barcode-Leser oder Scanner betreiben. Der VM-Ware Server verfügt darüber hinaus noch über die Möglichkeit, USB-1.1-Geräte anzuschliessen. Bei Bedarf bieten beide Produkte die Option, den virtuellen Maschinen auch an das Host-System angeschlossene SCSI-Festplatten zur Verfügung zu stellen. Dies erlaubt den Aufbau von virtuellen Cluster-Systemen, die eine Shared-SCSI-Konfiguration voraussetzen.
In der Handhabung zeigten sich die Web-Oberflächen als annähernd ebenbürtig. In beiden Fällen ist die Handhabung teilweise etwas umständlich und unübersichtlich. Am besten vermochte die Windows-Oberfläche des VM-Ware Servers zu überzeugen. Diese ist den Web-Oberflächen sowohl in punkto Übersicht als auch Effizienz doch recht deutlich überlegen.
Praxistauglich
Beide Produkte konnten durch ihre durchdachten Funktionen, die einfache Handhabung und ein unschlagbares Preis-/Leistungsverhältnis überzeugen. Der VM-Ware Server ging jedoch aufgrund seiner insgesamt etwas besseren Ausstattung als hauchdünner Sieger aus dem Test hervor.
Dirk Pelzer