Ruedi Noser im Interview 14.01.2019, 06:01 Uhr

«Für Schweizer KMU sehe ich enorme Chancen»

Die Schweizer Wirtschaft wird digital: Einige Unternehmen setzen Projekte bereits um, manche skizzieren sie erst. Wo man nochmals über die Bücher muss und worauf das Land stolz sein kann, erklärt Ruedi Noser im Interview.
Ruedi Noser war vier Jahre lang Kantonsrat in Zürich, seit 2015 sitzt er für die FDP im Ständerat
(Quelle: Ruedi Noser)
Die Schweizer Wirtschaft lanciert fleissig Digital­projekte. Auch die Verwaltungen, wenn auch zögerlich – sie hinken darum im Vergleich mit Europas Top-Digitalisierern hinterher. Wird die digitale Transformation jedoch richtig angepackt? Ruedi Noser ist der Meinung, dass die Schweiz den Sinn der Digitalisierung noch nicht begriffen hat. Im Interview spricht der ICT-Unternehmer und Ständerat zudem über die wichtigen Stellschrauben der Politik und die Zukunft des Schweizer Start-up-Ökosystems.
Computerworld: Herr Noser, wenn Sie auf das Jahr 2018 zurückblicken, welches Digitalprojekt aus der Schweizer Wirtschaft hat Sie am meisten beeindruckt?
Ruedi Noser: Meine Antwort dazu ist nicht ganz uneigennützig – aber besonders fasziniert hat mich dieses Jahr die Cloud-Umstellung des ganzen Betriebs bei Credit Suisse Asset Management (Ruedi Noser ist Mitglied des Ver­waltungsrats der Credit Suisse Asset Management AG, Anm. d. Red). Das ist wohl eines der modernsten Projekte, das momentan in der Schweiz abläuft.
CW: Gerade bei den Banken ist punkto Digitalisierung noch viel möglich. Inwieweit wird da in nächster Zeit noch mehr in die digitale Transformation investiert?
Noser: Viele Banken stecken sehr viel Geld in Software, müssen aber bei der digitalen Transformation der Geschäftsprozesse aufholen. Sie haben in vielen Bereichen nicht verstanden, dass Digitalisierung nichts mit Software zu tun hat. Denn digitalisieren bedeutet im Grunde, ein Geschäftsmodell komplett neu zu entwickeln – und nicht, etwas Handgemachtes digital abzuwickeln.
CW: Sind Sie der Meinung, dass der Rest der Schweizer Wirtschaft das besser macht?
Noser: Wir sind generell Weltmeister darin, in Hard- und Software zu investieren. Bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen aber nicht. Dass es da einen Unterschied gibt, hat die Schweiz grundsätzlich noch nicht verstanden.
CW: KMU sind bekannterweise das Rückgrat der hie­sigen Wirtschaft. Studien zeigen, dass es bei ihnen noch grossen Digitalisierungsbedarf gibt. Wird die digitale Transformationen vielen KMU den Kragen kosten?
Noser: Nein, das glaube ich nicht. Ich bin der Meinung, dass sich KMU schneller bewegen werden als so manche Grosskonzerne. Denn mit der digitalen Transformation wird es auch für kleinere Unternehmen möglich, gleiche Mechanismen zu nutzen wie globale Konzerne. Für Schweizer KMU sehe ich enorme Chancen, weil die Digitalisierung den Skalenvorteil grosser Unternehmen aufhebt. Schauen wir uns beispielsweise Salesforce an. Damit lässt sich eine Verkaufsorganisation weltweit organisieren, auch wenn diese nur zehn Personen stark ist. Vor zehn Jahren wäre das praktisch unmöglich gewesen.
“Es wäre wichtig, dass der Staat seine eigenen Prozesse digitalisiert„
Ruedi Noser
CW: Wie kann die Politik den Wandel begleiten?
Noser: Das Wichtigste ist, dass die Politik davon möglichst weit weg ist und nicht Gesetze macht, welche die Digitalisierung behindern. Daran arbeitet man auch, wenn ich an die ganze Diskussion rund um Booking.com erinnern darf. Es gibt aber auch viel Gutes zu berichten. Erst kürzlich wurde die gesamte Regulierung zur Fintech-Lizenz verabschiedet. Bei den Formvorschriften zum Stichwort «Schriftlichkeit» gibt es noch Handlungsbedarf. Viel wichtiger wäre es aber, dass der Staat seine eigenen Prozesse digitalisiert.



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