Man sollte aufräumen, bevor man zügelt

Lehren aus dem Mega-Projekt Kernbankentransformation

CW: Sie haben das Mega-Projekt Kernbankentransformation zwei Jahre lange geleitet, was haben Sie persönlich daraus gelernt?
Fuhrer: Das war eine ganz neue Herausforderung, weil das Projekt wie ein Unternehmen im Unternehmen ablief, mit Mitarbeitern aus allen Bereichen, die es in den verschiedenen Phasen auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören galt. Ich glaube, es hat PostFinance generell gutgetan, sich für CBT interdisziplinär zusammenraufen zu müssen und sich als Unternehmen hinter ein so grosses Ziel zu stellen.
CW: Bis Ihre Entwicklung fertig ist, will der Kunde vielleicht schon wieder etwas ganz anderes …
Fuhrer: Genau deshalb ist die funktionale und technische Entkopplung in der IT-Architektur so wichtig. Unsere Produkte dürfen nicht vom Sechs-Monate-Rhythmus der Releases abhängig sein. Die verschiedenen Systeme, das Payment- oder Kartengeschäft etwa, müssen unabhängig vom Kernsystem agil weiterentwickelt werden. Für dieses Ziel legen wir mit CBT das Fundament. Wenn man eine schwerfällige IT-Architektur mit zu vielen Abhängigkeiten hat, wird das nicht klappen. Da kann man noch so agil sein.
CW: Der klassischen Bank wird zunehmend die Existenzberechtigung abgesprochen, insbesondere beim Zahlungsverkehr, Ihrem grössten Geschäftsbereich. Wo sehen Sie neue Chancen?
Fuhrer: Wir haben eine sehr breite Kundenbasis und genies­sen das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden. Diese Ausgangslage wollen wir nutzen. Wir möchten eine Plattform mit offenen Schnittstellen bieten und sehen die Zusammenarbeit mit Fintechs als grosse Chance. Wir bringen eigene neue Produkte, wollen aber auch Drittprodukte integrieren und die Wertschöpfungskette erweitern. Das wichtigste Element unseres Powerhouse-Konzepts ist es, schnell und agil neue Themen anzugehen.
CW: Was zum Beispiel?
Fuhrer: Es geht um ein unkompliziertes Onboarding und ein von Anfang bis zum Ende gelungenes Kundenerlebnis. Es kann nicht sein, dass der Kunde beim Nutzen unserer Produkte viele Friktionen erlebt. Unsere Kunden sollen über alle Kanäle auf einfache Art mit uns interagieren können. Wir bieten Apps und digitales Onboarding an und helfen in den Filialen den Kunden, die digitalen Produkte zu nutzen – Stichwort Omnichannel. Wir überdenken auch unser Produktportfolio und harmonisieren die historisch gewachsene Vielfalt an Produktvarianten.
CW: Sind Chatbots ein Thema?
Fuhrer: Natürlich, wir prüfen aktuell die Einführung eines digitalen Assistenten für das Beantworten häufig gestellter Kundenfragen.
CW: Wie sieht es beim Thema Big Data aus, also in Ihrem Fall mit der Monetarisierung von Transaktionsdaten?
Fuhrer: Sie sprechen PostFinance Benefit an. Bei diesem neuen Service können uns unsere Privatkunden ihre Transaktionsdaten zur Auswertung zur Verfügung stellen. Diese Kunden erhalten anschliessend im E-Banking auf sie zu­geschnittene, vergünstigte Angebote von unseren Geschäftskunden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Geschäftskunden keinen Zugang zu Kundendaten haben. Trotzdem erreichen sie dank PostFinance Benefit jene Zielgruppen, die eine Affinität für ihre Produkte aufweisen. Der Streuverlust der Marketingaktion ist also sehr klein. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Geschäftskunde keinen Rückschluss ziehen kann, wer von seinem Angebot profitiert. Der Kunde zahlt im Laden zuerst den vollen Preis und Post- Finance vergütet ihm anschliessend die Vergünstigung.
CW: Zum Start von PostFinance Benefit gab es ein Datenschutzproblem, weil die Einwilligung zur Datennutzung eben nicht freiwillig war. Wäre das nicht ab­zusehen gewesen?
Fuhrer: Wir haben aus diesem Fehler gelernt. Heute wissen wir, dass Opt-in der richtige Weg ist. Man muss dem Kunden die Wahl lassen und Vertrauen aufbauen. Wenn wir dem Kunden erklären, welche Vorteile ihm PostFinance Benefit bietet und wie wir mit seinen Daten umgehen, bin ich überzeugt, dass er auch für solche Angebote offen ist. Mogelpackungen dagegen erkennt der Kunde rasch und akzeptiert sie nicht.



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