Man sollte aufräumen, bevor man zügelt

Scheitern in Teilbereichen ist erlaubt

CW: Zum Thema Timeboxing: War die Kernbankenmigration ursprünglich nicht schon für 2015 geplant?
Fuhrer: Für das Hypothekengeschäft hatten wir ursprünglich Avaloq eingeführt. Unsere Idee war, dass Avaloq auch unser Volumen im Zahlungsverkehr bewältigen kann. Als sich unsere Erwartungen nicht erfüllten, haben wir entschieden, auf TCS BaNCS zu wechseln.
CW: Scheitern in Teilbereichen ist erlaubt?
Fuhrer: Ja, denn dies liegt im Interesse des Projekterfolgs als Ganzem: schnell zu Fehlern stehen und daraus die Lehren ziehen, ohne das grosse Ganze in Gefahr zu bringen.
CW: Zuzugeben, dass man es nicht schafft, ist für einen Mitarbeiter sicher nicht so einfach. Wie fördern Sie eine solche Kultur des Scheiterns?
Fuhrer: Erst einmal müssen die Misserfolgskriterien definiert werden: Ab wann entscheiden wir, abzubrechen und einen anderen Weg zu beschreiten? Dass man zu Misserfolgen steht, ist essenziell. Es gehört bei uns zum Standard, bei allen agilen Projekten die Erfahrungen zu analysieren. Man kann aus allem etwas lernen. Wer scheitert, wird nicht benachteiligt. Das wäre der grösste Fehler, schliesslich geht es ums Ausprobieren. Schnell scheitern heisst schnell lernen. Das Wichtigste für unser digitales Powerhouse ist, dass unsere Mitarbeiter Arbeitsmethoden wie Prototyping, Disciplined Agile sowie DevOps lernen und sich in interdisziplinären Teams bewegen können. Das schlägt sich auch in unserer neuen Organisation nieder.
CW: Steht der angekündigte strukturelle Umbau des Gesamtunternehmens damit im Zusammenhang?
Fuhrer: Ja. Die Geschäftsleitung hat schon vor über zehn Jahren begriffen, dass Informatik ein Thema von strategischer Bedeutung ist. Der CIO ist Teil der Geschäftsleitung. Ein Geschäftsleitungsausschuss kümmert sich um die IT, ein Verwaltungsratsausschuss um CBT. Je mehr PostFinance zum Technologieunternehmen wird, desto präsenter ist die IT. Den Fintechs und Bigtechs würde es nie einfallen, sich ihre Informatik funktional in der Linienorganisation aufzustellen. Da ist die IT selbstverständlicher Bestandteil der Produkte und des Geschäfts. Deshalb stellen wir auch keinen Chief Digital Officer ein – das wäre ein Wegdelegieren des Themas. Von der Geschäftsleitung bis zum Mitarbeiter ohne Führungsfunktion: Jeder muss ein bisschen Chief Digital Officer werden. Denn wir bauen keine Software, sondern Produkte.



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