Zukunftsforscherin 14.09.2010, 09:47 Uhr

Vorsicht Monsterkunden

Das World Wide Web liefert Antworten auf viele Fragen - auch die von hilfesuchenden Kunden. Dies nehmen sich Unternehmen künftig als Vorbild für den Kundendienst.
Dank der Informationen aus dem Netz sind Kunden heute beim Gang ins Ladengeschäft oftmals besser über ein Produkt informiert als der Fachberater vor Ort. Nicola Millard, Futurologistin beim Telekommunikationskonzern BT, nennt diese Verbraucher die «Monsterkunden». Sie haben häufig die Vor- sowie Nachteile eines Wunschartikels recherchiert, die Preise verglichen und kennen Alternativprodukte. Dann wird es für den Kundenberater schwierig, den Interessenten mit herkömmlichen Verkaufsmethoden von einem anderen Gerät zu überzeugen oder noch neue Argumente für das Wunschprodukt zu finden. Aber nicht nur für den Vertrieb ist das Web eine Herausforderung, weiss Millard. Sie sieht auch tiefgreifende Änderungen auf den Kundendienst zukommen. Schon heute würden Verbraucherprobleme via Twitter oder im Chat gelöst, in Zukunft biete sich auch das Medium Video bei Supportanfragen an. Bei BT arbeiten zum Beispiel Aussendienstmitarbeiter mit dieser Technik. Das Support-Personal filmt seine Problemlösungen und veröffentlichen die Clips auf der Intranetseite «dare2share», dem BT-eigenen YouTube. Auf dem grössten Videoportal der Welt ist der britische Telekom-Riese zurzeit mit einem eigenen Kanal (www.youtube.com/btglobal) vertreten, auf dem aber hauptsächlich Interviews und Technologiedemonstrationen zu sehen sind. Jedoch sei Medien wie Chat, Facebook, Twitter und YouTube gerade diejenigen, aus denen die «Monsterkunden» ihre Informationen beziehen, meint die BT-Zukunftsforscherin. Um die «Monsterkunden» in Zukunft dort abzuholen, wo sie Daten sammeln, müssen BT und auch andere Unternehmen auf den neuen Kanälen präsent sein. Damit meint Millard aber keine Produktpräsentationen oder Führungskräfteinterviews, sondern an die Medien adaptierte Dienstleistungen. «Twittern heisst für den Kundendienst nicht, die Verbraucher tagelang auf eine Antwort warten zu lassen», betont die Futurologin. «Der Kunde muss innert nützlicher Frist eine Rückmeldung bekommen - damit er wahrnimmt, dass an seinem Problem gearbeitet wird. Die letztendliche Lösung kann dann später geschehen.» Das kostet die Anbieterseite allerdings personelle Ressourcen und Zeit; zudem ist Expertise erforderlich, die häufig nicht bei einem Kundendienstmitarbeiter allein vorhanden ist. Wie mit Speed Dating die Wünsche der «Monsterkunden» erfüllt werden können, lesen Sie auf der nächsten Seite. Kurzfristig verfügbare Expertise lässt sich mithilfe eines Spezialistennetzwerk kreieren, schlägt Millard vor. Dieser Verbund kann auch aus zum Beispiel verrenteten Mitarbeitern bestehen, die sich noch etwas Geld hinzuverdienen wollen. Sie besitzen meist Wissen, das die jüngeren Kollegen erst mühevoll erwerben müssen. Die Rentner können auf Abruf am Heimarbeitsplatz mitarbeiten, wenn ihr Wissen gerade benötigt wird. «Das Expertennetzwerk ist wie Speed Dating», scherzt Millard. Die richtigen Personen müssten kurzfristig mit interessierten Kunden zusammengebracht werden. Allerdings weiss die Forscherin auch: «BT ist davon heute noch weit entfernt.» Lediglich im Bankensektor gäbe es solche Modelle.

DebateScape: Kundendienst 2.0

Damit Unternehmen in Zukunft auf Themen bei Facebook oder Twitter zeitnah reagieren können, hat BT die Software «DebateScape» entwickelt. Laut Forschungschef Mike Galvin dient das Programm aber nicht allein der Beobachtung von Social Media. Vielmehr sortiert die Lösung Inhalte auf den populären Plattformen, stellt Beziehungen zwischen Postings her und veranschaulicht die Zusammenhänge. «DebateScape ist Business Intelligence fürs Web 2.0», sagt Galvin. Verantwortliche Mitarbeiter sollen mit der Software ausserdem regulierend eingreifen können, wenn zum Beispiel unberechtigte Kritik zu laut wird oder der Kundendienst nicht adäquat auf Anforderungen reagiert. Die Lösung findet allerdings nicht nur Freunde - insbesondere auf Verbraucherseite. Insbesondere die «Monsterkunden» fühlen sich von «DebateScape» ausspioniert. Dabei dient die Software doch der Optimierung der Interaktion mit genau diesen Kunden. 



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