25.10.2010, 06:13 Uhr

Business-Nutzen von Unified Communications

Vage Aussagen zu Einsparungen durch Unified Communications genügen oft nicht, um das Management zu überzeugen. Die Technologie muss Vorteile fürs Geschäft bringen.
Konrad Broggi von Grouptec sieht noch Hürden für UCC
Für die Ablösung der Telefonanlage durch eine Unified-Communications-Lösung interessieren sich viele Unternehmen. Die neue Technik verspricht tiefere Kosten und ein Plus bei der Mitarbeiterproduktivität. Jedoch ist es weiterhin schwierig, den konkreten Businessnutzen von Unified Communications und Collaboration (UCC) zu formulieren oder gar zu quantifizieren. Dies war einhellige Meinung der rund 100 Teilnehmer des «UC Experience Days» in Baden.
Konrad Broggi, Geschäftsleiter des Veranstalters Grouptec, weiss, dass es noch mehr Herausforderungen für UCC-Anbieter und potentielle UCC-Nutzer gibt. So sei ebenfalls entscheidend, welche Vorbehalte es bei den Mitarbeitern gegen die Technologie gäbe. «Die Anwender sind einen Telefonapparat am Arbeitsplatz gewöhnt. Wenn man ihnen das Gerät wegnimmt und sie auf den Computer als Ersatz verweist, gibt es Widerstand», berichtet Broggi. Dann würden Schulungen oder ein IP-Telefon auf dem Schreibtisch helfen. Jedoch sei beides mit Mehrkosten verbunden, für die es nicht in allen Projekt noch Mittel gebe. In solchen Fällen drohe nicht nur der Businessnutzen in den Hintergrund zu geraten, sondern auch das Geschäft zu leiden, weil die Angestellten schlicht nur über Umwege telefonieren können.
Um Situationen wie diese zu vermeiden, ist nach Aussage von Beat Siegfried eine umfassende Analyse der Einsatzszenarien von UCC vor dem Projektstart erforderlich. Anwenderunternehmen sollten alle relevanten Arbeitsabläufe, in denen künftig UCC-Lösungen eingesetzt werden, bis ins Detail aufschlüsseln. Ein solcher Ablaufplan müsse zum Beispiel veranschaulichen, wie bislang ein Problem gelöst wurde und wie die Lösung in Zukunft aussehen könnte. «Erst wenn diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, können Offerten von UCC-Anbietern eingeholt werden», sagt der Berater von H+S Kommunikation aus Würenlos. «Wenn die Prozesse definiert sind, dauert eine Ausschreibung zwei bis drei Monate, anderenfalls viel länger», berichtet Siegfried.
Manchmal muss es schneller gehen, musste Roman Vogt von der Swiss Life erfahren. Mehr dazu auf der nächsten Seite.
Beim Versicherungsunternehmen Swiss Life planten Roman Vogt und sein Team eine schrittweise Einführung von UCC. In einem Labor - dem IT-Bereich Server Applications - sollte Microsofts Office Communications Server 2007 getestet werden. Erst nach dem erfolgreichen Pilot war geplant, UCC-Anwendungen für alle circa 5000 Mitarbeiter des Versicherers bereitzustellen. Jedoch kam es anders, sagte der Teamleader Server Applications von Swiss Life.
Business erfordert UCC
Denn eine neue Businessapplikation setze Funktionen des Office Communications Servers voraus. Innert von knapp vier Monaten mussten die 400 Benutzer der Businessapplikation mit UCC versorgt werden. Laut Vogt wurde dieses Ziel erreicht und daraufhin der Rollout auf an allen Arbeitsplätzen der Swiss Live in Angriff genommen. Seit Dienstag sind nun sämtliche internen Mitarbeiter mit UCC-Funktionen versorgt - etwa verschlüsseltes Instant Messaging, Präsenzinformationen und Videokonferenzen.
Bei dem Swiss-Life-Projekt etwas zu kurz kam die Benutzerschulung. «Zurzeit ist die Nutzung von UCC freiwillig. Jeder kann die Software aktivieren, muss es aber nicht», erklärt Vogt. Da jedoch die meisten Anwender im Privatleben schon Erfahrung mit Instant Messengern oder Skype gesammelt haben, kommen die neuen Funktionen am Arbeitsplatz gut an. Bei der Einrichtung und Nutzung helfen den Angestellten gedruckte Anleitungen und eine elektronische Dokumentation.
Urs Rüfenacht vom Inselspital Bern hält eine UCC-Bedürfnisanalyse für Zeitverschwendung. Mehr dazu auf der nächsten Seite.
Wäre ein Fachabteilungsmitarbeiter der Swiss Life vor dem Projektstart nach seinen Forderungen an eine UCC-Lösung gefragt worden, hätte er eventuell das Beispiel Skype genannt. IT-Projektmanager Urs Rüfenacht hat am Inselspital Bern jedoch Personal, das teilweise daheim nicht einmal einen Computer stehen hat. «Diese Kollegen nach ihren Wünschen für eine UCC-Installation zu fragen, ist zwecklos», konstatiert Rüfenacht. Die meisten kennen die Funktionen von UCC nicht. Zudem genügen für die tägliche Arbeit häufig Telefon und E-Mail, so dass UCC auch keinen geschäftlichen Mehrwert liefern kann.
An diesem Punkt die Gespräche mit dem Management über eine UCC-Einführung zu beenden hält der IT-Projektmanager aber für fahrlässig. «Jüngeren Mitarbeitern und künftigen Generationen genügen Telefon und E-Mail möglicherweise nicht mehr im Tagesgeschäft - auch nicht im Spital», meint Rüfenacht. Er initiierte deshalb mit seiner Abteilung einen Pilot, in dem der UCC-Einsatz im medizinischen Umfeld geprüft wird. Dabei stehen nicht nur die tieferen Kosten im Vordergrund, sondern auch neue Anwendungen wie HD-Videokonferenzen bei der Befundanalyse.
Business-Szenarien für UCC
Die genannten Vorteile von UCC sind für Jürg Scheidegger von der Unternehmensberatung IdeeX unbestritten. Einsparungen und mehr Kommunikationseffizienz könnten nicht wegdiskutiert werden. In vielen Einsatzszenarien sei aber noch mehr mit UCC zu gewinnen, meint Scheidegger. «In der Diskussion sind zurzeit zwei Ansätze: das Integrieren von Geschäftsprozessen mit UCC-Lösungen einerseits und andererseits UCC-Lösungen als Ziel von Geschäftsprozessen», erläutert Scheidegger.
Zum Beispiel: Ein Unternehmen strebt an, seine Kunden nicht in Telefonwarteschleifen hängen zu lassen. Indem zum Beispiel auf der Support-Webseite eine Präsenzinformation der Callcenter-Mitarbeiter angezeigt wird, können Kunden dann die Hotline-Nummer wählen, wenn eine der Leitungen frei ist. Gemäss Berater Scheidegger wäre dies ein typischer Fall, in dem Geschäftsprozesse mit UCC-Funktionen integriert sind (Communication Enabled Business Process, kurz CEBP).
In einem anderen Fall, der «Communication Based Process Automation» (CBPA) ist UCC das Ziel von Geschäftsprozessen. Etwa würde eine Business-Software die laut Active Directory zuständigen und laut Exchange-Kalender erreichbaren Personen am PC oder Handy benachrichtigen, wenn im Lager ein Warenbestand einen Grenzwert unterschreitet. Dann kann der Mitarbeiter eine Bestellung aufgeben ohne die Lagerhaltungsanwendung permanent manuell prüfen zu müssen.
Laut IdeeX-Berater Scheidegger haben aber CEBP und CBPA ihre Berechtigung, keiner sei der Königsweg. Unternehmen müssten für jeden ihrer Geschäftsvorfälle entscheiden, ob der eine oder der andere Ansatz adäquat sei. Auch eine Kombination sei denkbar.



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