Der Weg zur Smart City

Das machen die Vorreiter besser

Woran liegt es nun, dass die grössten Schweizer Städte trotz ihres Efforts nicht mit der Smart-City-Weltspitze mithalten können? «Internationale Spitzenreiter verfolgen umfassendere und ambitioniertere Ansätze als die Schweizer Städte», lautet das deutliche Fazit von Matthias Hanke, Transport- und Tourismus-Experte sowie Senior Partner bei Roland Berger in Zürich. Laut dem Experten betrifft dies sämtliche relevanten Anwendungsbereiche wie Bildung, Gesundheit, Gebäudeinfrastruktur, Mobilität, IT-Infrastruktur und Regulatorik. Hanke sieht aber noch ein weiteres Problem: «Insgesamt verfügen die Schweizer Städte noch nicht über ausreichend detaillierte Strategien, die digitale Lösungen in allen relevanten Dimensionen einer Smart City mit detaillierten Zielen und Aktivitäten abdecken.» Anders sieht es beispielsweise in Wien aus, der laut Studie smartesten Stadt weltweit. Thilo Zelt, Roland-Berger-Partner und Autor des Smart City Strategy Index, erklärt: «Die österreichische Hauptstadt überzeugt mit ihrer ganzheitlichen Rahmenstrategie und innovativen Lösungen für Mobilität, Umwelt, Bildung, Gesundheit und Verwaltung sowie einer Fortschrittskontrolle der einzelnen Projekte.»
Carabias-Hütter von der ZHAW stellt fest, dass die Vorreiter im Vergleich zur Schweiz schon deutlich weiter sind. Wien positionierte sich gemäss seinen Angaben bereits 2010 als Smart City, die spanische Stadt Santander startete noch früher: Bereits 2008 lancierten dort der Bürgermeister, ein grosses Telekomunternehmen und die ört­liche Universität eine Smart-City-Initiative. Innerhalb der Stadtverwaltung sei dabei eine Stabsstelle geschaffen und mit Kompetenzen im Bereich Innovation, Change Management sowie IoT ausgestattet worden. «Santander hat damit eine ICT-Strategie verfolgt, mit der über die Jahre eine umfassende digitale Infrastruktur entstanden ist.» Die durch Sensoren und weitere Quellen generierten Daten würden nun auf einer Smart-City-Plattform aggregiert und ermöglichten so das Management verschiedener Infrastrukturen und Datenkombinationen. «Santander hat sich dadurch als eine Testumgebung für innovative Pilotprojekte positioniert», erklärt der Forscher.
Im Vergleich dazu steht man hierzulande also noch eher am Anfang. «Das allgemeine Interesse an Smart-City-Projekten nimmt in der Schweiz zurzeit deutlich zu, jedoch ist für die meisten Gemeinden noch unklar, welche Use Cases einen lokalen Mehrwert und unmittelbaren Nutzen generieren können. Häufig wissen die Städte nicht, mit welchen Schritten sie beginnen sollen und welche Pilotprojekte für sie am meisten Sinn machen», findet Carabias-Hütter. So erfolge die Umsetzung bisher erst in wenigen Städten und häufig nur versuchsweise. Als Gründe hierfür nennt er unter anderem fehlende Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich des Zusammenspiels der verschiedenen städtischen Handlungsbereiche sowie anstehender Herausforderungen einer Stadt. Auch mangle es im Gegensatz zu Megacities – zumindest im Moment noch – am Handlungsdruck.

Wie weiter?

Die Digitalisierung schreitet mit schnellen Schritten voran, die Umsetzung erfordert rasches und agiles Handeln der öffentlichen Hand. Ein wichtiger Aspekt ist für Carabias-Hütter eine gute technologische Grundausstattung, beispielsweise mit Sensoren, Datenbanken und Software. Erst wer über eine solche Grundlage verfüge, könne bestehende Prozesse effizienter abwickeln, Informationen innovativ kombinieren und neue Prozesse und Dienstleistungen anbieten. Zudem benötige die Umsetzung einer Smart-City-Initiative ein unterstützendes Innovationssystem, in dem Akteure wie die Zivilgesellschaft, Stadtverwaltung, Unternehmen oder Hochschulen neue Kooperationen eingehen und Netzwerke aufbauen. «Im Rahmen dieser Netzwerke können anschliessend Projekte umgesetzt und Dienstleistungen erbracht werden», sagt der Forscher. Matthias Hanke von Roland Berger meint, dass vor allem Start-ups mobilisiert werden sollten – etwa, indem die Politik Anreize für die finanzielle Förderung von Innovationsprogrammen schaffe. «Allerdings ist eine Smart City keine reine Sache von Innovationen», ist er überzeugt. «Wenn die Städte die bereits verfügbaren Lösungen konsequent einsetzen würden, wäre schon viel erreicht.»
“Es ist wichtig, dass die Bevölkerung den digitalen Services vertraut„
Renate Amstutz, Schweizerischer Städteverband
Die Direktorin des Städteverbands weist auf eine weitere Dimension der Smart-City-Entwicklung hin: das Change Management. «Es ist nicht damit getan, einen analogen Prozess zu digitalisieren. Ein elektronisches Formular ist nicht automatisch ein besseres Formular. Die Prozesse dahinter muss man im Zuge der Digitalisierung ebenfalls betrachten – die Chance einer Verwaltungsreform und eines neu gestalteten Einbezugs der Bevölkerung sollte unbedingt genutzt werden», mahnt Amstutz an. Auch der Umgang mit der Datenhoheit sei für Städte und Gemeinden noch eine Herausforderung. Wichtig sei daher, dass die Bevölkerung Vertrauen in die digitalen und smarten Dienstleistungen der Stadt und die Datensicherheit behielten, insbesondere in Zeiten immer neuer und raffinierterer Hacker­angriffe.
Auch Benjamin Szemkus von Smart City Hub Switzerland betont, wie wichtig es sei, die Bevölkerung in die Smart-City-Entwicklung einzubeziehen. Denn die Digitalisierung ist ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, um die Lebensqulität der Bewohner zu steigern. So stehen auch im Smart City Wheel des Verbands Menschen in der Mitte des Rads. Verbesserte Verwaltungsservices werde es insbesondere durch die verstärkte Teilhabe der Bevölkerung und weiterer Partner geben. «Damit werden unsere Städte nach wie vor eine hohe Lebensqualität haben und die Chance des digitalen Wandels vermehrt und punktuell nutzen. Die Schweizer Städte werden sich im internationalen Vergleich sicher vom Mittelfeld ins obere Drittel bewegen.»



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