Der Weg zur Smart City

Es bewegt sich was in Schweizer Städten

Der Urbanitäts- und Klima-Stratege Boyd Cohen schuf mit dem Smart City Wheel eine Grundlage für die Strategieentwicklung. Smart City Hub hat ein Smart City Wheel für Schweizer Städte abgeleitet, mit den Menschen im Zentrum
Quelle: Smart City Hub Switzerland
Wie eine Recherche zeigt, haben erste Städte eine Smart-City-Strategie verabschiedet oder feilen noch daran: Lugano erarbeitet derzeit ein Konzept und will dieses in den «nächsten Monaten präsentieren», wie es auf Anfrage hiess. In Luzern muss man nach Kritik im Stadtparlament den Strategieentwurf überarbeiten. Mit am weitesten sind St. Gallen und Winterthur, die nicht nur fertige Strategien vorweisen können, sondern für deren Umsetzung sogar Digitalchefs eingestellt haben. Nachdem in Winterthur Interims-CDO Christoph Zech während der letzten Jahre mit viel Engagement vorgespurt hat, sucht die Stadt derzeit nach einem Nachfolger, um die nächsten Schritte auf dem Weg zur Smart City zu gehen.
Die Bundesstadt Bern verabschiedete vergangenes Jahr die «Digitalstrategie Stadt Bern 2021», in der erste Smart-City-Projekte wie die E-Partizipation vorgesehen sind. Daneben gibt es Initiativen wie Smart City Bern, womit diverse Akteure entsprechende Projekte vernetzen wollen. Basel plant die smarte Stadt unter dem regionalen Dach von Smart Regio Basel. Die Stadt der Life Sciences experimentiert beispielsweise auf dem Wolf-Areal mit Ansätzen für die Stadtentwicklung der Zukunft. Ende März präsentierte die Stadtverwaltung zudem das E-Konto, einen Online-Schalter für die Abwicklung von Behördengängen. Bis Ende des Jahres soll ein Grossteil der bereits verfügbaren Online-Dienstleistungen über das E-Konto zugänglich gemacht werden. Überdies will man im Stadt-Kanton das E-Gov-Angebot schrittweise ausbauen.
In der Wirtschaftsmetropole Zürich verabschiedete der Stadtrat Ende des letzten Jahres eine Smart-City-Strategie, mit der die künftigen Anforderungen der Bevölkerung gebündelt und Innovationen gefördert werden sollen. Sie zielt darauf ab, folgende Ziele zu erreichen: Chancengleichheit und hohe Lebensqualität für alle, Ressourcenschonung und nachhaltige Entwicklung, Innovation und attraktiver Wirtschaftsstandort. Zur Erreichung dieser Ziele setzt Smart City Zürich für die nächsten Jahre drei strategische Schwerpunkte:
  • «Zukunftsformen der integrierten öffentlichen Mobilität»
  • «Smarte Partizipation»
  • «Digitale Stadt»
Für Letztere zeichnet die Organisation und Informatik der Stadt Zürich (OIZ) verantwortlich, wie deren Leiter Andreas Németh erklärt. Bei den Projekten werden die Anwender, also die Stadtbevölkerung, einbezogen. «Im Schwerpunkt Digitale Stadt beziehen wir die Bevölkerung in verschiedenen Arbeitsschritten ein, etwa bei der Entwicklung neuer Services oder bei Usability-Tests», sagt Németh weiter. Zum Bereich der digitalen Stadt zählen der Ausbau des städtischen Online-Zugangs «Mein Konto» und die Entwicklung neuer Online-Services, beispielsweise bei den Steuern. Die digitale Infrastruktur in den Schulen soll weiter modernisiert werden, verwaltungsinterne Prozesse optimiert und konsequent digital gestaltet werden. Technologien wie das Internet der Dinge will man stadtweit nutzen. Zusätzlich würden Instrumente zur Innovationsförderung eingeführt, heisst es im Strategiepapier. Zu den Instrumenten gehören Kredite für Anschubfinanzierungen innovativer Projekte der Stadtverwaltung, insbesondere wenn sie von verschiedenen Dienstabteilungen gemeinsam eingereicht werden und Pilotcharakter aufweisen. Mit einer sogenannten Innovationsbox für Mitarbeitende der Stadtverwaltung erhalten diese die Möglichkeit, eigene Ideen auszuarbeiten und sich auf diese Weise an einem offenen Innovations­prozess zu beteiligen. Die Stadt verfolgt damit auch das Ziel, einen Kulturwandel zu fördern, hin zu einem verstärkten ziel- und kundenorientierten, innovativen und interdisziplinären Denken und Handeln. Ob sich alle Vorhaben umsetzen lassen, ist noch nicht ganz klar. Denn die Smart-City-Strategie muss noch durch den Zürcher Gemeinderat verabschiedet werden.

Kleine Städte preschen vor

Zürich ist eine Wirtschaftsmetropole. Doch Smart City muss nicht unbedingt nur ein Thema für grosse Städte sein. «Das Smart-City-Konzept ist für Städte und Gemeinden jeder Grösse geeignet», betont Amstutz vom Schweizerischen Städteverband. Derselben Ansicht ist Vicente Carabias-Hütter, Koordinator der ZHAW-Plattform Smart Cities & Regions, der zusammen mit seinem Team und Partnern Anwendungen, Innovationssystemanalysen, Leitfäden, Modelle, Nachhaltigkeitsbeurteilungen und Tools für die Realisierung von Smart Cities entwickelt. Er meint, dass die Thematik für sämtliche Städte und Gemeinden von Interesse ist, die an Smart-City-Entwicklungspfaden interessiert sind, eine ICT-Strategie verfolgen oder sogenannte Energiestädte sind. Letztere würden aufgrund ihrer bisherigen, oft langjährigen überdurchschnittlichen Aktivitäten in der Energie- und Klimapolitik auch bereits eine gute Basis aufweisen, um Projekte nach dem Smart-City-Konzept aufzugleisen und umzusetzen, ist der Wissenschaftler überzeugt. «Es ist bemerkenswert, wie sie es trotz limitierter Ressourcen bei verschiedenen Themenbereichen geschafft haben, sich immer wieder mit passenden Partnern zusammenzutun und so smarte Lösungen zu implementieren.»
Renate Amstutz nennt Beispiele wie das Crypto-Valley in Zug, das Mobilitätsprojekt in Pully, smarte Quartiere in St. Gallen, smarte Strassenbeleuchtungen wie in Wädenswil oder Melde-Apps für Schäden wie in Winterthur. «Diese Liste lässt sich beliebig erweitern», betont Amstutz. Natürlich seien ausreichende Ressourcen nötig, um einen Chief Digital Officer anzustellen – wie dies etwa St. Gallen getan hat – oder um ein Open-Government-Portal zu betreiben wie die Stadt Zürich. Aber auch kleine, relativ einfache Projekte ebneten den Weg zur Smart City. Sie erlaubten es auszuprobieren und wenn nötig anzupassen, ohne viele Ressourcen zu binden. Kleineren Städten biete sich zudem der Vorteil, agil zu sein, etwa dank der kurzen Wege zwischen den involvierten Personen, Dienststellen und Partnern. «So beobachtet zum Beispiel die Waadtländer Stadt Pully mit 18'000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Mobilität mittels verknüpfter Daten – Big Data für die kleine Stadt also», fasst Amstutz zusammen. Möglich würden solche Projekte auch durch Kooperationen mit Hochschulen und Telekomanbietern.
Kleinere und mittlere Städte und Gemeinden will Carabias-Hütter künftig mit einem Leitfaden zur Umsetzung von Smart-City-Initiativen unter die Arme greifen, den er gemeinsam mit seinem Team derzeit an der ZHAW erarbeitet. Dieser solle sie dabei unterstützen, sich in diesem Umfeld zu orientieren und ihnen mögliche Wege auf­zeigen, wie ein praktischer Transformationsprozess zu einer Smart City aussehen könnte.



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