Digital Festival 14.09.2017, 17:48 Uhr

Reparaturanleitung für die digitale Zukunft

Am «Digital Festival» treffen sich in dieser Woche in Zürich Praktiker und Vordenker der Digitalisierung. Buchautor Andrew Keen schlug eine «Reparaturanleitung» für die digitale Zukunft vor.
Buchautor Andrew Keen lancierte am Zürcher «Digital Festival» eine Reparaturanleitung für die digitale Zukunft
(Quelle: computerworld.ch)
Die Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft birgt nicht nur immense Chancen, sondern auch manche Risiken. Am «Digital Festival» diese Woche in Zürich lancierte der Hersteller Sennheiser gemeinsam mit dem Jazz-Club «Moods» eine neue Aufnahmetechnik, dank der ein Internet-User Konzerte in hoher Qualität live hören kann, auch wenn er nicht vor Ort ist. Ein unzweifelhafter Vorteil der Digitalisierung. Zur Eröffnung des Festivals wies der umstrittene Buchautor Andrew Keen aber auch auf die Nachteile der allgegenwärtigen Technologie hin. Keen gab damit eine Vorschau auf sein Buch «How to fix the future», das im Februar nächsten Jahr in den Handel kommen wird.

Fünf Defizite der digitalen Welt

In dem Manuskript sieht Keen fünf Defizite der digitalen Welt: Überwachungswirtschaft von Facebook und Google, zweitens die drohende Arbeitslosigkeit durch smarte Technologie und drittens die ungleiche Verteilung von Reichtum. Allein die Technologie-Milliardäre im Silicon Valley besässen 20 Prozent des Vermögens der Welt, sagte er. Es gäbe zwar gemeinnützige Initiativen der Superreichen, ein Problem wie beispielsweise die Arbeitslosigkeit würde aber nicht ernsthaft angepackt. Zum vierten Problem der digitalen Welt sind nach Ansicht von Keen mittlerweile die Fake News erwachsen – durch den uneingeschränkten Zugriff auf global erreichbare Plattformen. Er wiederholt hier seine generelle Kritik an Social Media, dem die Kontrollinstanz fehlt. Die traditionellen Medien mit ihrer Selektions- und Verifizierungsfunktion hätten ihre Bedeutung eingebüsst.
Im gleichen Zusammenhang sieht Keen das fünfte Problem: Das Internet ist zum Multiplikator von Diskriminierung und Hass geworden. Belege seien die Wahl von Donald Trump zum US-amerikanischen Präsidenten, der Brexit oder die nationalistischen Tendenzen in Polen und Ungarn. Der Buchautor mahnte: «Wir haben die Kontrolle über die Technologie verloren, die wir zu unserer Hilfe erfunden haben.» Mittlerweile würden die Maschinen immer smarter, die Menschen allerdings nicht. So ist der dann auch überzeugt, dass Technologie alleine die Probleme nicht gelöst kann. Es braucht den Menschen.

Reparaturanleitung für die digitale Zukunft

Die Herausforderungen durch die Digitalisierung sind laut Keen zwar neuartig, aber durchaus mit den Auswirkungen der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert vergleichbar. Auch damals hätten die Menschen die Probleme gelöst, indem zum Beispiel durch Gesetze die Arbeitnehmer geschützt wurden und die Betriebe auf die veränderten Bedürfnisse reagiert hätten. Für die heutige digitale Welt und die Zukunft machte Keen fünf Reparaturvorschläge:
  1. Gesetzliche und staatliche Regulation: Beispielsweise sollten die Internet-Unternehmen Facebook und Google als Medienkonzerne behandelt werden. Das würde die Datensammelwut und den Überwachungsdrang eindämmen. Dabei kommt insbesondere Europa mit seinen strengen Datenschutzvorschriften die wichtige Rolle als Regulator zu.
  2. Kompetitive Innovation: Die Konsumenten sollten besser für Produkte zahlen anstatt sich selbst (mit ihren Daten) zum Produkt zu machen, für das die Werbetreibenden zahlen. Jedoch wird aktuell viel Innovation vernichtet, weil Milliardenkonzerne durch Übernahmen das Entstehen neuer Ideen im Keim ersticken. Hier müssten die Konsumenten und auch Firmen selbst aktiv werden.
  3. Soziale Verantwortlichkeit: Die Initiative jedes Einzelnen und der verantwortungsbewusste Umgang mit Technologie muss gefördert werden. Keen sah hier die Regierungen und auch Unternehmen in der Pflicht. 
  4. Kunden die Wahl lassen: Die Forderung nach mehr Sicherheit hat die europäische (deutsche) Autobranche im letzten Jahrhundert zur weltweit führenden Industrie gemacht. Die Nachfrage nach gesünderem Essen hat Bio-Lebensmittel befördert. Die Wahlfreiheit wird auch im digitalen Zeitalter über Erfolg und Misserfolg entscheiden.
  5. Bildung: Um den kritischen Umgang mit den Medien und Technologien zu lernen, sind neue Konzepte für Schulen und Universitäten erforderlich. Als gute Ansätze beurteilte Keen die alternativen Lehrmethoden an den Montessori- und Waldorfschulen. 
Die Schweiz sei in allen Bereichen bereits auf einem guten Weg, lobte er. Die Sonderrollen bei Gesetzgebung und Regierung, strenge Regulation und viel Datenschutz sowie das gute Bildungssystem sind nach den Worten Keens eine gute Ausgangsposition. Allerdings müsse auch die Schweiz den Weg weiter gehen, um die Digitalisierung in Griff zu bekommen.



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