Migration auf S/4Hana 08.08.2022, 09:00 Uhr

Capgemini Schweiz will mit SAP-Projekten wachsen

Das Beratungsunternehmen Capgemini hat im vergangenen Jahr bereits stark zugelegt in der Schweiz. Die Erneuerungen der SAP-Systeme identifizieren die Verantwortlichen nun als Wachstumsfeld.
Guido Kamann von Capgemini Schweiz will auch mit SAP-Projekten weiter wachsen
(Quelle: Capgemini Schweiz)
Allenthalben fehlen heutzutage die Fachkräfte für IT-Projekte. Selbst Renovationsvorhaben im Bereich der Business-Software sind von dem Personalmangel betroffen. Für viele Schweizer Firmen heisst das: Sie kommen bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts nicht so voran wie gewünscht – oder wie der Markt es erwartet. Parallel verlangen Hersteller hohe Wartungskosten für die Altsysteme und locken mit attraktiven neuen Lösungen, die preiswert aus der Cloud bezogen werden können. Diese Situation skizzieren Vertreter des IT-Dienstleisters Capgemini Schweiz im Gespräch mit Computerworld. Der Schweiz-Chef Guido Kamann, Program Director Françoise Bellon und COO Stephan Model wollen ihr Unternehmen auch als zukünftiger Partner in Software-Projekten positionieren. Einerseits für die allgegenwärtigen SAP-Migrationen, andererseits aber auch für Implementierungen von AWS, Google Suite, Microsoft Azure, Salesforce und beispielsweise Workday.
Laut dem Schweizer Managing Director Guido Kamann mache das SAP-Geschäft heute rund 10 Prozent des hiesigen Umsatzes aus. «Die Kunden müssen ihr SAP renovieren und sehen das grosse Potenzial der neuen Version S/4Hana. Diese ERP-Projekte sind ein Wachstumsmarkt für Capgemini Schweiz», führt Kamann aus. Die Ressourcen seien vorhanden: Im vergangenen Jahr wurde die Zahl der Mitarbeiter in der Schweiz um satte 250 Fachleute erhöht, so dass heute 600 Personen in Basel, Genf, Lausanne sowie Zürich beschäftigt sind. Weiter kann Capgemini auf rund 2500 Spezialisten in der «Digital Factory» zugreifen, die in Indien, Polen und Rumänien angesiedelt sind.
“Die Kunden müssen ihre SAP-Applikationslandschaft modernisieren und sehen das grosse Potenzial der Version S/4Hana. Diese ERP-Projekte sind ein Wachstumsmarkt für Capgemini Schweiz„
Guido Kamann, Managing Director Capgemini Schweiz
Wie Kamann betont, fokussiert sich Capgemini Schweiz auf Unternehmen aus den Branchen Finanzdienstleistung, Life Science, Manufacturing und Retail. In Gesprächen mit den CEOs und IT-Verantwortlichen höre er vermehrt den Wunsch nach einer flexiblen und offenen Plattform für die Geschäftsprozesse. Dort könnten HR-Lösungen wie SAPs SuccessFactors oder auch Workday via API angebunden werden, wie er erklärt. Allerdings macht er auch die Einschränkung, dass sich die Meinung der Kunden durchaus ändern könne. «Heute will jedermann ein offenes System, in zwei Jahren sind allenfalls wieder vollintegrierte Gesamtlösungen gefragt», führt er aus.

Marktführer und «Rohdiamant»

An SAP kommen die grossen Schweizer Unternehmen aber kaum vorbei. Genau wie die international tätigen Firmen in Europa. «Nur einer von 40 börsennotierten französischen Grosskonzernen hat Oracle-ERP gewählt. Alle anderen nutzen SAP. In der Schweiz hat SAP ebenfalls keine Konkurrenz», sagte Françoise Bellon beim Blick auf die Marktverhältnisse. So ist es bemerkenswert, wenn die global tätige Capgemini Gruppe wie ihre Schweizer Niederlassung auch nur rund 10 Prozent des Umsatzes mit SAP-bezogenen Dienstleistungen erwirtschaftet. Es dürfe gern mehr sein, sagte auch Bellon.
“SAP ist wie ein Lego-Baukasten, der durch APIs extrem erweiterbar und flexibel ist„
Françoise Bellon, SAP Program Director Capgemini Schweiz
Die Expertin kennt durchaus den Grund, warum die Plattform so verbreitet ist: «SAP ist wie ein Lego-Baukasten, der durch APIs extrem erweiterbar und flexibel ist. Oftmals haben sich die Kunden diese Eigenschaft zunutze gemacht, um durch einzigartige Erweiterungen einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.» Bei der Migration auf die neue Version S/4Hana hiesse es nun aber: zurück zum Standard. Die Individualentwicklungen sollten containerisiert und über kurz oder lang ebenfalls in den stetig wachsenden Standard überführt werden, riet Bellon. Für sie sei ein reiner SAP Digital Core ein «Rohdiamant».
Die Projekte zur Erneuerung des ERP-Systems würden nach den Worten der Capgemini-Spezialistin im Business oder sogar von der Geschäftsleitung lanciert. Das Management gibt die Business Strategie vor, die Fachbereiche definieren die Anforderungen an Lieferketten, Produktion und Finanz- und Vertriebsaktivitäten und die Fachleute können das Potenzial der neuen Enterprise-Plattform einschätzen. Dem CIO komme in den Projekten die Aufgabe des «Trusted Advisors» zu, so Bellon. Die Entscheidung über ERP-Transformationsprojekte sollte basierend auf Optimierungs- sowie Business-Potenzialen und nicht aufgrund von einmaligen Projektkosten getroffen werden. So können Unternehmen ihre Business-Strategien umsetzen und langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Keine S/4Hana-Verweigerer

Angesichts des grossen Funktionsumfangs der SAP-Lösung komme dem CIO eine wichtige Schlüsselrolle zu, sagte Stephan Model, COO von Capgemini Switzerland. Er sei auch mit einem Vater im Spielwarengeschäft zu vergleichen: Das Kind möchte alle Spielzeuge mitnehmen, der Vater muss es bremsen und eine Auswahl treffen. Der CIO stehe nach Models Worten vor der Herausforderung, das Business zu beschwichtigen, nicht alle neuen Funktionen und Erweiterungen auszuwählen, sondern (vorläufig) nur die Optionen zu selektieren, die für das laufende Geschäft erforderlich sind. Denn der CIO sei auch dafür verantwortlich, dass das Projekt nicht aufgrund zu hoher oder vielfältiger Anforderungen aus dem Ruder läuft, so der Experte.
“Der CIO muss das Business beschwichtigen, nicht alle neuen Funktionen auszuwählen, sondern (vorläufig) nur Optionen zu selektieren, die für das Geschäft erforderlich sind„
Stephan Model, COO Capgemini Schweiz
Model betonte, dass sich alle Kunden von Capgemini Schweiz mit der Migration auf die neue ERP-Software befassen. «Verweigerer von S/4Hana gibt es meines Wissens nicht. In einigen Unternehmen werden allerdings erst die Projektanträge geschrieben, weshalb noch nicht mit der Umstellung begonnen wurde», führte der COO aus.
Sein Tipp für IT-Verantwortliche in dieser Phase: Zuerst die «low hanging fruits» ernten, die bei der Migration allemal zu holen seien. Model sprach etwa von besserer Performance und einer neuen Bedienoberfläche. Die neuen Funktionen von S/4Hana dürften auch zunächst deaktiviert bleiben und ihre Einführung aufgeschoben werden. Sie könne der CIO später im Rahmen einer explizit definierten Strategie lancieren und dem Business dann doch noch die freie Auswahl im Spielwarenladen SAP erlauben.



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