SAP 18.02.2009, 11:06 Uhr

Lizenzoptimierung senkt Kosten

Mit der Einführung des teuren Enterprise Support in der Schweiz hat SAP eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Trotzdem können Unternehmen bei den Lizenz- und Wartungsgebühren sparen. Vorausgesetzt, man handelt zum rechten Zeitpunkt.
Wer Software von SAP einsetzt, sollte sich eines von Anfang an bewusst machen: Jede zusätzliche SAP-Funktionalität kostet bares Geld, zuerst beim Einkauf der Lizenzen selbst, später dann bei den Wartungsgebühren. Unternehmen sollten sich genau überlegen, welche SAP-Funktionen welche Mitarbeiter tatsächlich benötigen. Muss es wirklich die teure Professional-User-Lizenz für den Vorstandsvorsitzenden sein, obwohl der nur zweimal im Monat das SAP-System konsultiert?
Mit dem Erstkauf ist das Thema aber nicht erledigt. Schliesslich ist das IT-Business sehr dynamisch.
Die Rahmenbedingungen ändern sich: Firmen spalten Unternehmensteile ab oder kaufen neue hinzu. Aus vertragsrechtlicher Sicht müssen SAP-Kunden darauf achten, dass beim Verkauf von Unternehmensteilen keine unnötigen Lizenzen zurückbleiben oder beim Zukauf zusätzlich übernommen werden. Steht der Nachkauf von Lizenzen oder Funktionalitäten an, lohnt sich vorab ein prüfender Blick auf das vorhandene Lizenz-Portfolio: Werden alle vorhandenen Lizenzen sinnvoll eingesetzt oder lässt sich durch eine Umstrukturierung der Neubedarf ganz oder teilweise abdecken und so ein teurer Nachkauf vermeiden?

Nachlässe bis 50 Prozent

Zurzeit herrscht durch die globale Wirtschaftskrise ein absoluter Käufermarkt, eigentlich gute Rahmenbedingungen für Lizenzverhandlungen mit SAP. Trotzdem sind die Karten ungleich verteilt. In Grossunternehmen machen Lizenzen und Wartungsgebühren etwa acht bis zwölf Prozent der Gesamtkosten aus, die für den SAP-Betrieb anfallen. In Klein- und Mittelbetrieben summieren sich die Ausgabenposten Lizenz- und Wartungskosten auf 35 bis 45 Prozent. Dieses Ungleichgewicht ist das Resultat einer stark am Bestellvolumen orientierten Rabattierung. KMUs gehen dabei meistens leer aus oder müssen sich mit kleinen Nachlässen begnügen, während SAP den Grossen Rabatte bis zu 50 Prozent einräumt.
Davon unabhängig bleiben auch Firmen, die jährlich mehr als fünf Millionen Euro (7,44 Millionen Franken) an Wartungsgebühren an SAP überweisen, vom teuren Enterprise Support verschont. Mit KMU gehen die Walldorfer dagegen wesentlich strikter um.

Verhandlungsspielräume nutzen

Trotzdem gibt es in der Praxis auch für Mittelständler genug Möglichkeiten, sich kostengünstig mit SAP-Lizenzen zu versorgen. Sie werden nur nicht immer konsequent genutzt. Zahlreiche Definitionen der offiziellen Preisliste sind beispielsweise juristisch nicht hart gefasst. Sie lassen also im konkreten Fall Interpretationsspielräume zu, die es zu nutzen gilt. Dazu zählen insbesondere die User-Klassifizierungen, die von SAP oft noch um kundenspezifische User-Rollen erweitert werden. Eine niedrigere User-Lizenz spart bares Geld.
Das grösste Problem beim Kauf nach Preisliste: Regelungen zur Sicherheit des Anwenders, etwa über die in den Modulen vermutete Funktionalität, kommen zu kurz. Eine Funktionsbeschreibung enthält die Preisliste nämlich nicht. Hier gilt es, durch exakte, vertragsrechtlich bindende Klauseln Überraschungen vorzubeugen.
Kunden glauben häufig, dass die SAP-Preisliste alles definiert, was es zum Kauf der Lizenzen zu sagen gibt. Das ist schlicht falsch. So gibt es User-bezogene Preise mit alleine sechs unterschiedlichen Nutzermodellen, die sich nach Leistungsumfang unterscheiden. Hinzu kommen Preise nach Funktionalität und Nutzungsbreite (Engine-Preise). Das Vertrags-Management von Versicherungen berechnet SAP etwa nach dem Bruttobeitragsvolumen. Die geschickte Kombination dieser Modelle lässt preisgünstige Varianten zu. Eine steigende Zahl von Modulen wird ausserdem kundenindividuell berechnet und ist in der Preisliste «auf Anfrage» gesetzt. Hier entscheidet letztlich das Verhandlungsgeschick des Kunden über die Höhe des Preises.

SAP-Trick: Lizenzvermessung

SAP liefert die gekaufte Funktionalität nicht trennscharf aus, der Kunde kann also mehr Funktionalität nutzen, als er eigentlich erworben hat. Im Gegenzug räumt er SAP das Recht ein, die Nutzung später zu vermessen und gegebenenfalls eine Mehrnutzung in Rechnung zu stellen. Dadurch entstehen zwei Probleme: Zum einen verführt der freie Zugang zu SAP-Software oft zu umfangreicherer Nutzung als geplant.
Zum anderen ist die spätere Vermessung durch SAP ausschliesslich darauf angelegt, eine etwaige Nachzahlungspflicht des Anwenders aufzudecken. So wird ein Voll-User, der das System nicht oder nur wenig nutzt, keineswegs in eine günstigere User-Kategorie zurückgestuft. Die Lizenzvermessung ist also keine Lizenzoptimierung. Hier müssen Werkzeuge von Drittanbietern wie VMS herangezogen werden.
Teure Schnittstellen
Eine der derzeit häufigsten Problemzonen im Lizenzbereich ist die Einbindung von SAP-Systemen in den unternehmensweiten Software-Verbund. Zunehmend bepreist SAP Schnittstellen zu anderen Systemen separat und versucht, ihr Lizenzmodell auf Fremd-Software auszudehnen, wenn eine prozesstechnische Integration von SAP- und Fremd-Software vorgenommen wird. Typische Fälle sind hier der Zugriff über Webportale auf SAP-Funktionalität oder auf Daten, die in SAP-Systemen gehalten werden.
Hier prallen die Ansichten von SAP und dessen Kunden frontal aufeinander: Sind Anwender, die keinen SAP-Account haben, sondern das System lediglich indirekt nutzen, trotzdem abrechnungspflichtige SAP-User?
Virulent werden derartige Streitfälle fast ausschliesslich lange nach dem Kauf der Erst-Lizenzen. Typischerweise fehlen in den damals abgeschlossenen Verträgen Klauseln, die Klarheit in die Sache bringen könnten. Oft sind bereits hohe Investitionen, zum Beispiel in die Erstellung und öffentliche Ankündigung des betreffenden Webportals, geflossen.

Rabatt-Falle vermeiden

Auch gestandene Einkaufsprofis lassen sich immer wieder von günstig aussehenden
Rabatt-Staffelungen verleiten, mehr zu kaufen, als nötig wäre. Gerne wird vergessen: Die Grundlage des Einkaufsvolumens, gleichgültig ob beim Ersterwerb oder Nachkauf, ist immer ein definierter Bedarf. Man kann es SAP nicht verdenken, dass sie dieses Volumen noch ein bisschen nach oben erweitern möchte, und daher Rabatte motivierend einsetzt. Vorschnell schreibt der Kunde aber hier Trends fort, die sich ganz anders entwickeln können: «Wir brauchen doch sicherlich in zwei Jahren wieder mehr User.» Oder er blendet allfällige Projektverzögerungen aus. «Nach der ersten Produktivsetzung werden wir die Funktionalität auch umgehend international ausrollen.»
Im Ergebnis wird oft zu früh gekauft, was nicht nur einen Zinsverlust mit sich bringt. Denn da ab Kauf auch Wartungsgebühren anfallen, kostet erst später benötigte Software trotzdem Jahr für Jahr zwischen 17 und 22 Prozent Wartung. Eine realistische, zeitgenaue Planung des eigenen Bedarfs tut also not.
Problematisch ist auch die zeitliche Entkoppelung von IT-Design und Lizenzverhandlungen. Typischerweise werden zunächst IT-Design, Architektur und die Projektpläne für eine neue Anwendung erstellt, bevor der Fall dann als Lizenzbeschaffungsvorgang im Einkauf landet. Wenn sich nun im Laufe der Einkaufsverhandlungen zeigt, dass das Konzept beispielsweise wegen eines Integrationsszenarios übermässig teuer zu werden droht, fehlt es an Zeit wie auch am Willen, den IT-Designprozess erneut aufzurollen. Diese Falle kann man durch rechtzeitige Einbindung von SAP-Lizenzspezialisten umgehen.
Ralph K. Treitz



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