Gebrauchtsoftware 06.07.2012, 14:10 Uhr

letzte Hürden weggeräumt

Der Europäische Gerichtshof entschied diese Woche, dass der Handel mit Gebrauchtsoftware in der EU auch in rein elektronischer Form zulässig ist. Hintergründe und die genaue Bedeutung des Urteils gibt es hier.
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Rechtsanwalt und IT-Experte Matthias Ebneter spricht über die Folgen des Gebrauchtsoftware-Urteils.
* Matthias Ebneter ist Rechtsanwalt bei Rentsch Partner AG in Zrich und Spezialist für IT-Recht. Lange Zeit war die Zulässigkeit des Handels mit (unbefristeten) Software-Lizenzen (so genannter Gebrauchtsoftware) in urheberrechtlicher Hinsicht heftig umstritten. Schon seit geraumer Zeit bestand im wesentlichen immerhin Einigkeit darüber, dass Software, die auf einem Datenträger (insbesondere auch einer DVD oder CD) in den Handel gebracht wird, in dieser Form weiterverkauft bzw. weiteveräussert werden darf. Bis vor kurzem kontrovers war jedoch die Antwort auf die Frage, ob auch mit Software gehandelt werden darf, die nicht in körperlicher Form vertrieben wird, sondern nur in elektronischer Form (insbesondere über Internet). Diese Frage hat nun der Europäische Gerichtshof für die EU in den wesentlichen Grundzügen geklärt. Hintergrund des Streits zwischen den Softwareherstellern (insbesondere Oracle, Microsoft und Adobe) und den Gebrauchtsoftware-Händlern (insbesondere der Firma Usedsoft) ist das urheberrechtliche Ausschliesslichkeitsrecht der Softwarehersteller. Das Urheberrecht schützt unter anderem auch Computerprogramme. Die Urheberin von Software hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie Software verwendet werden darf. Dieses Recht umfasst unter anderem auch das Recht, Kopien der Software herzustellen und die Software zu vertreiben. Das Urheberecht sieht als Ausnahme auch in der Schweiz vor, dass Software weiterveräussert werden darf, wenn Software von der Urheberin oder mit ihrer Zustimmung in Verkehr gebracht (also veräussert) wurde. Einmal veräusserte Software darf also vom Ersterwerber weiterveräussert werden. Dieses sogenannte «Erschöpfungsprinzip» war beim körperlichen Vertrieb von Software (also auf einem Datenträger) schon länger unumstritten.

Die Schweiz in einer Vorreiterrolle

Bereits im Mai 2011 entschied ein Gericht in der Schweiz (Kantonsgericht Zug), dass die Erschöpfung nach Schweizer Urheberrecht auch eintrete, wenn das Computerprogramm elektronisch (online) übermittelt wird. Am 3. Juli 2012 hat nun auch der Europische Gerichtshof (EuGH) einen Grundsatzentscheid in diesem Sinne gefllt. Der Urteilstenor lautet, dass ein Softwarehersteller sich dem Weiterverkauf seiner «gebrauchten» Lizenzen, die die Nutzung seiner aus dem Internet heruntergeladenen Programme ermöglichen, nicht widersetzen kann. Im Streit lagen die Firmen Oracle und Usedsoft. Anlass für den Entscheid des EuGH war ein (letztinstanzliches) Verfahren vor dem deutschen Bundesgerichtshof. Dieser ersuchte den EuGH, die europäische Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Richtlinie 2009/24/EG) zu dieser Frage auszulegen. Nach Auffassung des EuGH gilt das Erschöpfungsprinzip nicht nur dann, wenn der Softwarehersteller die Software auf einem Datenträger (DVD, CD oder ähnliches) vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie über Internet (online) verbreitet. Der EuGH hielt sodann fest, dass sich die Erschöpfung nicht nur auf die ursprünglich heruntergeladene Version, sondern auch auf die verbesserten und aktualisierten Fassungen bezieht. Mit andern Worten gilt die Erschöpfung also auch für Updates der Software. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der Ersterwerber darf die Lizenz nicht aufteilen

Der Ersterwerber darf die Lizenz nicht aufteilen

Gleichzeitig macht der EuGH aber auch klar, dass der Ersterwerber nicht berechtigt ist, die Lizenz aufzuspalten und teilweise weiterzuverkaufen, falls die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Anzahl von Nutzern gilt (Volumenlizenzen). Er kann sich also nur entscheiden, die Software entweder selbst zu gebrauchen oder aber insgesamt weiterzuveräussern. Konsequenterweise muss daher der Ersterwerber der Software mit der Weiterveräusserung bzw. dem Weiterverkauf die Kopie der Software auf seinem Computer löschen bzw. unbrauchbar machen. Unzulässig ist es also, wenn der Ersterwerber nur einen Teil der Lizenzen an der Software weiterverkauft, oder wenn er trotz Weiterverkauf die Software selber weiter nutzt. Vor diesem Hintergrund ist jeder späterer Erwerber einer Software, für die das Erschöpfungsprinzip zur Anwendung kommt, rechtmässiger Erwerber und Nutzer der Software. Er darf insbesondere auch die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie beziehungsweise die aktuellste Version (einschliesslich Verbesserungen und Aktualisierungen) vom Internet herunterladen, um sie anschliessend bei sich zu installieren. Gleichzeitig ist der Softwarehersteller berechtigt, mit technischen Mitteln sicherzustellen, dass die beim Verkäufer noch vorhandene Kopie unbrauchbar gemacht wird.

Weiterveräusserung urheberrechtlich zulässig

Schliesslich hielt der EuGH auch fest, dass die Weiterveräusserung von Software in dieser Form vertraglich nicht ausgeschlossen oder verboten werden kann. Die Weiterveräusserung ist urheberrechtlich zulässig und das Erschöpfungsprinzip soll nicht durch Regelungen im Lizenzvertrag ausgehebelt werden dürfen. Unzulässig sind gemäss Urteil insbesondere Bestimmungen in Lizenzverträgen, welche das Nutzungsrecht an der Software auf den Betrieb des Ersterwerbers beschränken oder ihm dieWeiterveräusserung untersagen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was bedeutet dieses Urteil für den Gebrauchtsoftware-Handel?

Was bedeutet dieses Urteil für den Gebrauchtsoftware-Handel?

Im wesentlichen ergibt sich aus dem Urteil, dass der Handel mit Gebrauchtsoftware urheberrechtlich zulässig ist, unabhängig davon in welcher Form die Software vertrieben wird. Immerhin wird aber auch klar gestellt, dass der Handel mit Volumenlizenzen (Aufspaltung von Lizenzen) unzulässig ist. Fraglich ist daher nun, was das Urteil für Kunden bedeutet, die bereits aufgespaltete Lizenzen erworben haben. Grundsätzlich verstösst der Verkauf von solchen Lizenzen aus Sicht des EuGH gegen Urheberrecht, womit die vertragliche Weiterveräusserung von solchen Lizenzen nichtig ist. Dies kann dazu führen, dass Kunden die Nutzung solcher Lizenzen nun einstellen und sich am Verkäufer schadlos halten müssen. Im übrigen dürfte dieser Grundsatzentscheid des EuGH nicht nur Auswirkungen auf den Handel mit gebrauchter Software haben, sondern auch auf den Handel mit anderen urheberrechtlich geschützten Werken in elektronischer Form, so zum Beispiel auch für E-Books, Musik oder Filme. Zu beachten ist, dass der Grundsatzentscheid nicht für Software oder andere digitale Medien gilt, die verliehen, vermietet oder zur zeitlich begrenzten Nutzung überlassen werden, da in diesem Fällen keine Veräusserung stattfindet und somit auch keine Erschöpfung eintritt. Abschliessend ist noch darauf hinzuweisen, dass das Urteil des EuGH in denMitgliedstaaten nicht unmittelbar wirksam ist, sondern von den nationalen Gerichten (im konkreten Fall vom deutschen Bundesgerichtshof) umgesetzt werden muss. Die nationalen Gerichte werden sich jedoch künftig an diesem Grundsatzentscheid des EuGH orientieren müssen.

Weiterführende Links:

  • http://www.ictlaw.ch
  • http://curia.europa.eu (siehe Pressemitteilungen)



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