Wie Dfinity die Software-Welt revolutionieren will

Forschung auch in der Schweiz

Dfinity hat ein starkes Forschungsteam in Zürich zusätzlich zu je einem in Palo Alto und San Francisco in Kalifornien, in Deutschland und in Tokio. Zürich sei ein grossartiger Standort für gewisse Computing-­Bereiche und für Kryptografie, kommentiert Williams. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Dfinity in Zürich haben zuvor bereits bei etablierten IT-Schwergewichten wie IBM und Google ein bleibendes Erbe ihrer Innovationskraft hinterlassen.
Andreas Rossberg beispielsweise, Alumnus eines Post-Doc-Programms des Max Planck Institute for Software Systems, zeichnete zuvor bei Google Deutschland verantwortlich für die Entwicklung von V8, einer quelloffenen High-Performance-JavaScript- und WebAssembly-Engine, verfasst in C++. Die Engine wird im Chrome-Browser und in Node.js eingesetzt. In seiner jetzigen Kapazität als Senior Staff Researcher & Engineer bei Dfinity soll Rossberg ein «Entwicklerteam von Superstars der Weltklasse» aufgebaut haben, kommentiert Jelena Djuric, ehemalige Community Managerin bei Dfinity im kalifornischen Palo Alto.
Das Team von Dfinity könnte mit seiner Technik die IT-Kosten von Anwenderunternehmen senken
Quelle: Dfinity
Für Dfinity ist das Blockchain-Öko-System im sogenannten Crypto Valley rund um Zug ein idealer Nährboden. «Ohne das Privileg, mit Talenten aus der Schweizer Crypto Valley Community zu arbeiten, wäre die Erschaffung des Internet Computers von Dfinity auf keinen Fall möglich gewesen», ergänzt Dfinitys Senior Research Engineer Movahhedi. «Das Crypto Valley ist eine wirklich einzigartige Umgebung für technische Innovationen.»
Auch die Nähe der EPF Lausanne und der ETH Zürich spielten für Dfinity bei der Wahl des Standorts eine wichtige Rolle. Das Zürcher Forschungslabor von Dfinity leitet Jan Camenisch, mehrfach preisgekrönter Computerwissenschaftler. Camenisch ist für seine wissenschaftlichen Pu­blikationen auf den Gebieten der Kryptografie und des Datenschutzes sowie für mehrere Patente bekannt. Auch ist er ein Fellow des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), einem weltweiten Berufsverband von Ingenieuren hauptsächlich aus den Bereichen Elektro- und Informationstechnik. Der Verband definiert beispielsweise Parameter für Schnittstellen wie den USB-Anschluss.

Angriff auf Legacy-Systeme

Dfinity hat die Latte sehr hoch angesetzt. Den Internet-Stack komplett neu zu erfinden, ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Die Rückendeckung durch Investoren wie beispielsweise die Venture-Capital-Firma Andreessen Horowitz, Polychain Capital und SV Angel verspricht jedenfalls ein gewisses Durchhaltevermögen. Noch vor der Vorstellung finaler Produkte wurde der Marktwert von Dfinity auf etwa 2 Milliarden US-Dollar taxiert. Die Plattform von Dfinity soll langfristig die IT-Kosten der Unternehmen senken. Denn IT-Systeme und ihre Wartung würden aus Sicht des Start-ups viel zu viel Geld verschlingen. Für Big Tech gäbe es «absurde» Anreize, IT-Systeme zu «überkomplizieren», um die betroffenen Nutzer in diesen komplexen Systemen zu halten.
Sein Internet Computer könne eine Alternative für den 3,8 Billonen teuren Legacy-IT-Stack sein, warb der Gründer gegenüber dem Medium «TechCrunch» für seine Technik und fügte an: Das werde die nächste Generation an Entwicklerinnen und Entwicklern fördern, die neue manipulationssichere Software auf Enterprise-Niveau und offene Web-Services entwickeln wollen. Wenn es nach Williams geht, könnte Dfinity Anwenderunternehmen im KMU-Segment kaum schnell genug mit einer quelloffenen Alternative zu althergebrachten Modellen der Software-Entwicklung und -Bereitstellung befreien. Die ersten grossen Dfinity-Anwendungen «Made in Switzerland» avisiert das Unternehmen für die kommenden zwei Jahre.
Crypto Valley
Leuchttürme und Einhörner
Die Schweiz gilt mittlerweile als Zentrum der weltweiten Entwicklung von Appli­kationen und Technologien unter Einsatz der Blockchain- und Hyperledger-Technik. Über 800 Firmen sind es inzwischen gemäss dem Kryptoinkubator CVVC. Die Branche beschäftigt in der Schweiz und Liechtenstein rund 4400 Menschen. Die Schweizer Kryptobranche erlebt nach einem Einbruch (Kryptowinter) einen zweiten Frühling. Vier aktuelle Leuchtturmprojekte des Crypto Valleys:
  • Ethereum: Das hierzulande entwickelte Ether ist nach Bitcoin die zweitstärkste Kryptowährung am Markt. Darüber hinaus lässt sich die zugrunde liegende Blockchain-Technik des Unicorns Ethereum für verschiedene Anwendungen einsetzen. So gilt Ethereum momentan als eine der populärsten Plattformen für die relativ schnelle und einfache Umsetzung von Smart Contracts.
  • Modum.io: Das Zürcher Unternehmen bietet Lösungen für Supply Chain Intel­ligence und Automatisierung an. Auf Basis von IoT-Sensorik und Blockchain-Technologie schafft Modum nach eigenen Angaben digitale Ökosysteme für ein breites Anwendungsspektrum für sensible Güter in verschiedenen Branchen.
  • Seba und Sygnum: Die weltweit ersten Kryptobanken mit Finma-Lizenz.
  • Polkadot: Das Technologie-Start-up und Unicorn arbeitet ähnlich wie Dfinity an einem dezentralisierten Web. Über ein Netzwerkprotokoll werden verschiedene Blockchains miteinander verknüpft, sodass diese untereinander Informationen austauschen können. Die Technik soll es ermöglichen, Applikationen zu bauen, die beispielsweise Daten von privaten auf öffentlichen Blockchains nutzen.



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