09.09.2005, 16:15 Uhr
Open-Source-ERP für KMU
Die Zürcher Integratio zeigt mit einem Service-Paket, was die quelloffene ERP-Suite SQL-Ledger alles kann.
Philippe Baumann, Geschäftsleiter der mit Dienstleistungen für Banken gross gewordenen Zürcher IT-Beraterin Integratio, sieht die Zeit reif für einen Gesinnungswandel bei Schweizer Business-Software-Anwendern des Mittelstands. Statt ausschliesslich auf proprietäre Software zu setzen, könnten KMU bei der Produktauswahl künftig auch Open Source Software (OSS) in Betracht ziehen, sagt Baumann. Um dem Paradigmenwechsel Vorschub zu leisten, plant Baumann, seine Firma, die hierzulande die Linux Solutions Group (Lisog) vertritt, als Dienstleisterin rund um Open-Source-ERP (Enterprise Resource Planning) zu etablieren.
Dabei gilt es primär, das Vertrauen der Anwender zu gewinnen. Zwar erfreut sich der Einsatz von OSS in der Schweizer Unternehmenslandschaft wachsender Bedeutung. Die Bereiche allerdings, in denen freie Software bislang Einzug hielt, sind eng umgrenzt: Vertreten sind Linux als Betriebssystem für Server und Thin Clients sowie Webserver unter Apache. Auf der Applikationsebene konzent-rieren sich die Anwenderfirmen vorwiegend auf Entwicklungsumgebungen, diverse Content-Management-Systeme (CMS), Firefox als Browser und allenfalls auf Open Office als Büro-Suite. Wenig bis gar nicht im Einsatz hingegen ist OSS im Business-Software-Segment. Baumann sieht den Grund für die starke Untervertretung darin, dass es in der Schweiz an professioneller Unterstützung fehlt. «Der Geschäftsanwender braucht lokale Partner, die verbindlich hinter einem Produkt stehen», erklärt er.
Nach längerer Evaluation hat sich Baumann dazu entschieden, zusammen mit der Böbikoner Firma Leanux ein Dienstleistungspaket bestehend aus Bedarfsanalyse, Implementierung, Wartung und Schulung für SQL-Ledger zu schnüren. Es handelt sich dabei um ein quell-offenes, Web-basiertes ERP-System unter GPL-Lizenz (Gnu Public License), das Postgres-SQL, Oracle, oder DB2 als Datenbank verwendet und unter Unix, Linux, Mac OS X und Windows läuft. Die Suite ist branchenunabhängig für Firmen bis 50 Mitarbeiter geeignet und deckt neben der Finanzbuchhaltung das Beschaffungswesen, das Kundenauftragsmanagement und die Lagerverwaltung ab. Eine von der Suva zertifizierte Lohnbuchhaltungzertifizierte Lohnbuchhaltung soll folgen. Die Software wurde an die spezifischen Anforderungen der Schweiz angepasst.
Damit steht hiesigen KMU eine freie ERP-Lösung mit lokalen Service-Partnern zur Verfügung. Dass der Erfolg damit nicht garantiert ist, weiss auch Baumann: «KMU sind schwierig zu erreichen, und es herrscht Skepsis gegenüber OSS, etwa was die Rechtssicherheit betrifft.» Als weitere Hürde sieht er, dass vielen Anwendern nicht bewusst ist, dass quelloffene Software auch auf bestehenden Windows-Umgebungen betrieben werden kann. «Allein aufgrund der niedrigeren Unterhaltskosten wird kein KMU ein bestehendes, stabiles System wechseln», so Baumann, der sich Chancen am ehesten dann verspricht, wenn bei einer Firma ohnehin System-erneuerungen anstehen. Viel wichtiger sei es, dass die Firmen realisierten, dass sie mit dem Einsatz von OSS Teil einer Community würden, in der ein Austausch zwischen Entwicklern und Anwendern bestünde. «Dies erfordert zwar einen gewissen Aufwand, dafür gewinnt die Anwenderfirma wieder an Einfluss auf die Funktionalität der Software und kann indirekt von den Zusätzen und Weiterentwicklungen Anderer profitieren», frohlockt Baumann.
Die Anfang 2005 in Stuttgart ins Leben gerufene Linux Solutions Group (Lisog) verfolgt das Ziel, den Einsatz von Linux-basierten Lösungen in Unternehmen im deutschsprachigen Raum zu fördern. Im Mai dieses Jahres konnte Lisog Novell Schweiz und Integratio für den Aufbau der Schweizer Aktivitäten gewinnen. Am 15. September 2005 führen die helvetischen Partner eine Auftaktveranstaltung in Zürich durch.
Michael Keller