27.05.2013, 14:03 Uhr

Urheberrecht weiterhin eine grosse Baustelle

Wer das Urheberrecht verletzt, soll von den Providern zuerst verwarnt werden, danach greift die Justiz ein. Diese und andere Möglichkeiten seitens des Gesetzgebers zur Bekämpfung illegalen Filesharings hat eine Arbeitsgruppe in einer Sitzung erarbeitet - und stösst damit auch auf Widerstand.
Das Urheberrecht in der Schweiz ist nach wie vor schlecht geregelt. Jetzt gibt es neue Vorschläge, wer was in welchem Fall tun soll
Musik- und Filmdownloads in der Schweiz sind ? vorsichtig ausgedrückt ? eine Grauzone, seit Ende 2011 der Bundesrat entschied, dass in Bezug auf Internetpiraterie kein Handlungsbedarf auf Gesetzesebene bestehe. Wer runterlädt, wird darum in aller Regel nicht belangt, allen Warnhinweisen auf DVDs oder CD-Covern zum Trotz. Das gibt seit Jahren Anlass zur Debatte und stösst im Ausland sauer auf, besonders in den USA.  Das «Office of the United States Trade Representative» (USTR) schreibt in einem im Mai veröffentlichten Special 301-Bericht , der die Einhaltung von Urheberrechten von US-Handelspartnern untersucht,  dass es «hochgradig besorgt« sei, wie in der Schweiz mit Copyrightschutz im Internet umgegangen wird. Das USTR «legt der Schweiz darum nahe, zu zeigen, dass sie sich für den Schutz von Urheberrechten einsetzt und Online-Piraterie mit allen Mitteln bekämpft.» Vorsorglich wurden die Schweiz gemeinsam mit 20 andere Ländern ? beispielsweise Weissrusland, China und Venezuela ? auf eine Beobachtungsliste gesetzt. Die Schweiz braucht aber nicht den Druck der USA, im eigenen Land wird das Thema durch Lobbying der Musikindustrie oder Künstlerallianzen bereits kontrovers genug behandelt. Im Sommer 2012 beschloss Justizministerin Simonette Sommaruga darum, dass hier nochmals nachgeforscht werden sollte. Sie setzte die Arbeitsgruppe AGUR12 ein, die bis Ende 2013 Lösungen für eine zeitgemässe Anpassung des Urheberrechts erarbeiten soll. An einem Anlass im April legte die Gruppe bereits ihre Positionen dar, vor kurzem befasste sie sich an ihrer letzten Sitzung mit der Frage, wie der Gesetzgeber intervenieren kann. 

Vorschläge der AGUR12

User, die in «schwerwiegender Weise Urheberrechte verletzen» sollen von ihren Providern Warnhinweise erhalten. Im Wiederholungsfall sollen die Täter zivil- und/oder strafrechtliche verfolgt  werden können. Was unter «schwerwiegend» zu verstehen ist, wird im Bericht nicht ausgefhrt. Der Änderungsvorschlag stösst auf Kritik, beispielsweise bei Bernie Höneisen, Präsident ISOC Schweiz und Geschäftsführer des Internet Beratungs-Unternehmen Ucom.ch: «Internet-Provider wissen oft nicht, wer auf die gehosteten Dienste zugreift. Auch wenn die IP Adresse bekannt ist, bedeutet das nicht zwingend, dass der aktuelle Nutzer auch mit dem 'Inhaber' der IP identisch ist (zum Beispiel bei offenen WLANs). Ausserdem besteht die Gefahr, dass dereinst auch strengere Anforderungen zur Nutzer-Identifizierung gefordert werden; diese könnten dann gewisse Arten von legitimer Kommunikation stark einschränken oder gar verhindern.» Daneben schlägt die AGUR12 vor, Schweizer Hoster sollen auf Anzeige hin urheberrechtsverletztende Inhalte entfernen und Access Provider den Zugang zu «offensichtlich illegalen Quellen» sperren. Diese Massnahmen müssten auch auf Anweisung der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) vorgenommen werden, die sich bisher aber hauptsächlich mit Kinderpornographie beschäftigt. Um sich zusätzlich um Urheberrechtsverletzungen kümmern zu können, müsste darum die Abteilung aufgestockt werden, schreibt die AGUR12. Oder man schafft eine neue Behördenstelle.   Ob diese Änderungen den Schweizer Gesetzen entsprechen, ist allerdings fraglich. Seit einem Bundesgerichtsentscheid von 2010 ist beispielsweise Sammeln von IP-Adressen von Nutzern von Internettauschbörsen hierzulande untersagt. Mit einer Änderung des Urheberrechts wäre es also nicht getan, auch das Fernmeldez und das Datenschutzgesetzt würden Betroffen sein. «Im Rahmen der gesetzgeberischen Vorarbeiten muss selbstverständlich die Verhältnismässigkeit und Finanzierbarkeit der Massnahmen geprüft werden,» schreibt darum die Arbeitsgruppe. Was die Massnahmen kosten und wer dafür aufkommen soll, weiss die AGUR12 bislang nicht.   Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum die Provider?

Warum die Provider?

Die Provider sind also die Hauptbetroffenen, Fredy Künzler vom Zürcher Internetprovider Init7 stösst dies sauer auf: «Die Politik will für alle möglichen 'Vergehen' und 'Gesellschaftliche Probleme' die Provider als Hilfspolizisten verpflichten. Dabei haben die Provider gar nichts damit zu tun.» Künzler sucht die Schuldigen darum in der Content-Industrie. «Gäbe es ein vernünftiges, sprich preisgünstiges Modell eines Bezahlservices für Hollywood-Inhalte, dann wäre die "Raubkopiererei" kein Thema. Höchste Zeit, dass Netflix in die Schweiz kommt.»  Auch Bernie Höneisen hat das Gefühl, dass die vorgeschlagenen Lösungen die Problematik nicht richtig erfassen: «Es ist eine sehr schlechte Idee, komplexe gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Probleme dadurch lösen zu wollen, dass man in die grundlegende Kommunikationsinfrastruktur eingreift. Die Aufgabe der Kommunikationsinfrastruktur soll nur darin bestehen, zuverlässig, nicht-diskriminierend, und kostengünstig Daten zu transportieren. Sie darf nicht zur Durchsetzung von Partikulär-Interessen missbraucht werden. Solche Eingriffe führen unweigerlich dazu, dass auch unbeteiligte unter allfälligen Massnahmen leiden müssen, wenn beispielsweise an einen Hosting-Anbieter, der gesperrt wird, auch legale Dienste angeschlossen sind.»

Geteilte Meinungen

Mehr Verständnis für die Vorschläge zeigt Olaf Schulze, Mediensprecher der Swisscom: «Wir unterstützen die Stossrichtung der Arbeitsgruppe. Die abschliessende Lösung muss aber ausgewogen sein, wirtschaftlich sinnvoll und darf dem Endkunden nicht schaden.»  Dass der Private nicht belangt wird, ist auch Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen und Mitglieder der parlamentarischen Gruppe für digitale Nachhaltigkeit, wichtig: «Der Download von Inhalten muss legal bleiben, der Endkonsument darf nicht kriminalisiert werden.» Zur Rechenschaft gezogen werden sollen dafür diejenigen, die diese Inhalte anbieten und die damit Geld verdienen. Glättli bewertet darum die Vorschläge der AGUR12 nicht durchwegs abschlägig, stellt allerdings klar: « Domain- oder Zugangs-Sperren lehne ich klar ab. Wie alles, was die Überwachung des gesamten Traffics zur Folge haben würde. Wirklich illegale Inhalte muss man löschen, nicht sperren.» Die Debatte dürfte auch weiterhin für Kontroversen sorgen und noch eine Weile andauern. 



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