02.06.2010, 16:51 Uhr

Gemeinden fehlt eGovernment-Strategie

Seit drei Jahren steht die eGovernment-Strategie des Bundes. In den Gemeinden steckt die Umsetzung aber offenbar noch in den Anfängen.
Nur jede vierte Schweizer Gemeinde hat eine definierte eGovernment-Strategie. In der Hälfte der Verwaltungen liegt das Thema vollkommen brach, 20 Prozent arbeiten derzeit an der Realisierung und Implementierung von elektronischen Schnittstellen zwischen Behörden, dem Bürger und der Wirtschaft. Eine Umfrage des Schaffhauser ICT-Beratungsunternehmens MSM Research unter IT-Verantwortlichen von 103 Gemeinden und 18 Kantonen ergab, dass fehlendes Personal das grösste Problem ist. Ebenfalls als Hindernis werden Auflagen sowie Schnittstellen von Bund und Kantonen sowie die Integration mit den übrigen Marktteilnehmern angesehen.
Die Schwierigkeiten beseitigen können am ehesten die Hersteller und die Kantone. Bei der Technologie-Evaluation und Schulungen erwartet fast jeder zweite ICT-Verantwortliche mehr Engagement der der Techniklieferanten. Insbesondere bei den Standards und den Vorgaben für eGovernment-Lösungen der Gemeinden kommt zu wenig von Bund und Kantonen: Über 80 Prozent fühlen sich allein gelassen von den übergeordneten Behörden - trotz der seit mehr als drei Jahren definierten eGovernment-Strategie.
Windows 7 in den Behörden
Unabhängig von landesweiten oder kantonalen Vorgaben planen die Gemeinden der Umfrage zufolge die Umstellung ihrer circa 26'200 ICT-Arbeitsplätze. Über 30 Prozent treiben die Optimierung des Desktops voran. MSM-Geschäftsführer Philipp Ziegler nannte die Umstellung auf Windows 7 als vorrangiges Ziel. Daneben stehen das Dauerbrennerthema IT-Sicherheit, Dokumentenmanagement und Archivierung sowie der Online-Schalter für Bürger oben auf der Einkaufsliste der Gemeinde-CIOs. In den nächsten zwei Jahren verändern sich aber die Prioritäten. Ziegler: «Der virtuelle Behördenschalter, Dokumentenmanagement, Archivierung und Office-Anwendungen wandern auf der Rangliste deutlich nach oben.»
Bei der Frage nach aktuellen Herausforderungen in der öffentlichen Verwaltung unterscheiden sich die Gemeinden wenig von ICT-Anwenderfirmen in der Schweiz. Das optimieren von Geschäftsprozessen ist eine der Top-Prioritäten. Allerdings sind das Anpassen der Informatik an künftige Veränderungen - etwa die ab diesem Jahr vorgesehene Registererhebung - und die Umsetzung der eGovernment-Strategie ebenfalls unter den Top-Drei-Prioritäten.
Mit welchen IT-Budgets die Budgets die Schweizer Gemeinden heute und in Zukunft arbeiten, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Die Ausgaben der öffentlichen Hand im laufenden Jahr betragen insgesamt 3'023,7 Millionen Franken. MSM bezieht sich bei dieser Prognose auf die ICT-Investitionen von Verwaltungen, dem Gesundheits- und Ausbildungswesen und Sicherheitsinstitutionen wie der Armee und der Polizei. Zum Vergleich: IDC hatte in der «Swiss IT»-Studie für diese Sparten eine Summe von circa 2'476 Millionen Franken vorhergesagt. Bei den Wachstumsprognosen sind sich MSM und IDC allerdings weitgehend einig: Nach dem Krisenjahr 2009 erwarten beide Marktforscher ein Plus von 2,2 Prozent bei den Ausgaben.
Laut Geschäftsführer Ziegler wächst der Markt im nächsten Jahr nochmals in einer ähnlichen Grössenordnung. MSM sagt 2,9 Prozent mehr Investitionen und ein Volumen von 3'110,5 Millionen Franken voraus. Treiber seien das Gesundheitswesen und die Bildung. Dagegen gerieten die ICT-Ausgaben von Gemeinden, Kantonen und dem Bund aufgrund von Sparmassnahmen und zu erwartender Steuerausfälle unter Druck. Dieser Einschätzung pflichtet Marcel Reich, CEO von Ruf Informatik, bei: «In den nächsten zwei bis drei Jahren treten auch Gemeinden auf die Ausgabenbremse. Allerdings rechnen wir nur mit Kürzungen im einstelligen Prozentbereich.»
Outsourcing an der Tagesordnung
Auf eine Besonderheit des ICT bei der öffentlichen Hand weist VRSG-Direktor Peter App hin. Das Outsourcing von Informationstechnologie sei bei den meisten Gemeinden der Standard; nur die grossen Gemeinden würden die IT selbst betreiben. Dies sei ein Grund, warum mehr als die Hälfte der Budgets für Dienstleistungen ausgegeben werde. Am gesamten Schweizer ICT-Markt haben Dienstleistungen einen Anteil von 46,7 Prozent, ermittelte IDC.
Laut MSM machen die öffentlichen Verwaltungen heute rund 20 Prozent des gesamten Marktes für ICT in der Schweiz aus. Dieses Segment ist nach Aussage von Geschäftsführer Ziegler allerdings aufgrund seiner Heterogenität und den unterschiedlichen Ausprägungen zu den anspruchsvollsten Zielmärkten für Anbieter wie Ruf Informatik oder VRSG.



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