19.12.2005, 14:43 Uhr

Unterschätzte Risiken in IT-Verträgen

Hinter jedem IT-Projekt sollten sachgerechte Verträge stehen. Doch die Realität sieht anders aus. Rechtsberatung wird oft unterschätzt. Lukas Morscher warnt vor Risiken.
Für Lukas Morscher gehört die Rechtsberatung zum Lifecycle eines IT-Projektes. Ohne sie werden mögliche katastrophale Konsequenzen riskiert.
IT-Verträge gehören für Rechtsanwalt Lukas Morscher von der Kanzlei Lenz & Staehelin in Zürich zum täglichen Geschäft. Seine Erfahrung zeigt, dass in IT-Projekten oft die ihnen zugrunde liegenden Verträge entweder schon in der Verhandlungsphase oder später im Vertragsmanagement vernachlässigt werden. Dabei sichern «richtige» Verträge nicht nur Investitionen, sondern auch betriebswesentliche Technologien und Unternehmens-Know-how. Ein Gespräch über die Risiken fehlender Rechtsberatung bei IT-Projekten.
Computerworld:
Warum läuft heute auch in der IT nichts mehr ohne Rechtsberatung?
Lukas Morscher:
Weil in der Vertragsgestaltung für alle halbwegs komplexen Technologie-Projekte drei Regelungsebenen zu berücksichtigen sind. Auf der immaterialgüterrechtlichen Ebene werden die Eigentumsrechte wie Urheber- oder -Patentrechte sowie Nutzungsrechte an Computerprogrammen und Datenbanken zu-geordnet.
Auf der vertragsrechtlichen Ebene sind zum Beispiel Gewährleistungen, -Garantien, Rechtsfolgen bei Vertragsverletzungen, Vertragsdauer und -kündigung zu regeln. Und auf der sachenrechtlichen Ebene sind etwa das Eigentum an Hardware sowie Datenträgern und Dokumentationen zuzuordnen. Diese Komplexität macht juristischen Beistand für IT-Projekte unumgänglich.

Unterschätzte Risiken in IT-Verträgen

Computerworld:
Was hat die Komplexität für Auswirkungen?
Lukas Morscher:
Eckpunkte auch rechtlicher Fragen sollten möglichst früh angesprochen und verhandelt werden. Der Preis ist gerade im IT-Bereich nur eines von vielen Kriterien; die Zuordnung von Eigentumsrechten sowie Haftung und Verantwortlichkeiten sind direkt preisrelevant. Verdeutlichen Sie sich nur, dass in jedem Outsourcing-Vertrag nicht nur die Rechtsverhältnisse zwischen dem Kunden als Outsourcer und dem Service Provider zu regeln sind, sondern auch Rechte und Pflichten der Endkunden des Outsourcers sowie der Zulieferer des Service Providers berücksichtigt werden müssen. Hier die Verantwortlichkeiten sachgerecht und transparent zu regeln, geht nicht ohne Rechtsberatung.
Computerworld:
Was verstehen Rechtsberater denn von IT?
Lukas Morscher:
Um IT-Verträge zu verhandeln und redigieren, sind grundlegende Technikkenntnisse und ein Verständnis der relevanten Geschäftsprozesse unabdingbar. Daneben muss der Jurist über Detailwissen der Vertragssystematik und des regulatorischen Umfelds beispielsweise von Banken, Versicherungen und im Datenschutz verfügen sowie die Bedürfnisse und Interessen der Parteien kennen. Auch die geplanten Projektprozesse sind hier zentral. Meist erwirbt sich der Anwalt diese Kenntnisse nicht nur in der Ausbildung, sondern wie beispielsweise in unserer Kanzlei auch über interne, regelmässig tagende Fachgruppen.

Unterschätzte Risiken in IT-Verträgen

Computerworld:
Welche Konsequenzen hat fehlende oder vernachlässigte Rechtsberatung?
Lukas Morscher:
Nehmen Sie etwa ein Computerprogramm oder eine IT-Plattform, die ein Unternehmen gemeinsam mit Externen entwickelt. Sind an betriebswesentlichen Applikationen die Eigentums- und Nutzungsrechte sowie etwaige Exklusivitäten nicht klar oder nicht sachgerecht zugeordnet, lauern gewaltige Risiken. Etwa dann, wenn bei einem Firmenverkauf oder Börsengang des Unternehmens diese Software als Schlüsselfaktor eingeschätzt wird. Stellt sich bei der Due Diligence heraus, dass diese Programme nicht im Firmenbesitz sind, drückt das den Preis oder macht das Unternehmen im Extremfall unverkäuflich.
Computerworld:
Welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen denn?
Lukas Morscher:
Für einen effizienten Verhandlungsprozess ist zentral, dass die Vertragsstruktur wie etwa Projektvertrag, Rahmenvertrag, Lizenz- und Wartungsverträge, Service Level Agreements früh auf die technischen und betrieblichen Abläufe ausgerichtet und so von Beginn weg richtig aufgesetzt wird. Statt Einsparungen bei der Rechtsberatung können bei nachträglicher «Korrektur» im Verhandlungsprozess erhebliche Mehrkosten entstehen. Und eine Vertragsdokumentation, welche die betrieblichen Abläufe und Bedürfnisse nicht abbildet, kann ein Projekt gar zum Scheitern bringen.

Unterschätzte Risiken in IT-Verträgen

Computerworld:
Was schlagen Sie als Ausweg vor?
Lukas Morscher:
Ob ein Rechtsberater für ein IT-Projekt zugezogen werden muss, lässt sich informell und unkompliziert zunächst telefonisch klären. Dabei hilft es, wenn der Anwalt infolge bestehender Klientenbeziehung das Unternehmen, seine Produkte und die betrieblichen Abläufe kennt. Wenn diese Abklärung frühzeitig geschieht, um so besser.
Volker Richert



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