20.10.2008, 16:09 Uhr

Nie mehr bewerben

Die E-Mail-Bewerbung hat ausgedient. Die Zukunft gehört dem Zentrallebenslauf, der gekauften Empfehlung und der Guerilla-Selbstdarstellung im Web 2.0.
«Das Empfehlungsmarketing steckt noch in der Versuchsphase.» Svenja Hofert, Karriereberaterin
Wer etwas kann, ist auch im Web schon aufgefallen, davon ist Felix Petersen, Gründer der Web-2.0-Plattform Plazes.com, überzeugt. Im Web tut man dies am besten mit Kompetenzbeweisen in einschlägigen Foren - und nicht Wodka trinkend oder leicht bekleidet bei StudiVZ. Womit die beiden Gegenpole des Web 2.0 auch schon aufgezeigt wären. Der Nutzwert aus Karrieresicht: Fähige Fachkräfte müssen sich nicht mehr bewerben, sondern werden von den Unternehmen selbst angesprochen. Die Gefahr: Das Internet ist niemals privat und vergisst keinen Ausrutscher.
Karriere in 6 SChritten

Finden lassen

Gerhard Pfeiffer, Inhaber der Zeitarbeitsfirma SZA für technisches Personal in Hamburg, hat seine Assistentin über Xing gefunden: «Dazu habe ich die Stichwörter und eingegeben.» Auch CNC-Dreher oder Lotus-Programmierer sucht Pfeiffer online.
Warum also Anzeigen schalten, wenn es auch ohne geht? Gerade die kleineren Unternehmen setzen immer mehr auf das Netz. Hier akquiriert der Chef sein Personal noch selbst: «Wenn wir in den Foren einen guten Entwickler treffen, sprechen wir ihn direkt an», erklärt Björn Schotte vom IT-Dienstleister Mayflower. Wer latent auf Jobsuche ist, sollte deshalb auch im Web präsent sein. Generell gilt: Weniger ist mehr. Entwickler und andere IT-ler, die sich auf Plattformen oder in Blogs mit guten Fachbeiträgen einbringen, müssen dies auf Dauer tun - und parallel intensiv über eine sinnvolle Selbstpräsentation nachdenken. Das Nachdenken beginnt dabei mit der Frage, wer Sie finden soll und unter welchem Stichwort.

Darstellen

Vor dem Finden kommt das Darstellen. Wie schlecht es damit bestellt ist, zeigt ein Rundgang bei Xing. Wirklich genutzt wird dieses Portal nur von einem winzigen Bruchteil der Teilnehmer. Halbausgefüllte Profile sind gerade bei IT-lern die Regel. Kaum einer veröffentlicht etwa seine Projektliste oder präsentiert übersichtlich seine Fähigkeiten. Das aber wäre gut - und passt nebenbei auch auf die Seite «Über mich», die ebenfalls von der Xing-Suchmaschine indiziert wird. Zu empfehlen ist auch ein Hinweis zur Verfügbarkeit bei Projektmitarbeitern oder auf die aktive Suche bei ehemaligen Angestellten.

Empfehlen

Kompetente Mitarbeiter haben auch ein Netzwerk mit vergleichbar kompetenten Personen - diese Regel ist in den USA längst bekannt. Hierzulande steckt das Empfehlungsmarketing noch in der Versuchsphase. Aber gerade für Mittelständler, die mit Konzernen um qualifiziertes Personal buhlen, ist das Nutzen dieses Web-2.0-Tools eine Riesenchance. Ganz amerikanisch zahlt zum Beispiel Mayflower jedem Mitarbeiter, der einen neuen Kollegen für das Team gewinnt, eine Prämie.
Andere Unternehmen sind davon überzeugt, dass Empfehlungsmarketing keine finanzielle Stütze braucht. «Das Wichtigste beim Empfehlungsmanagement im Recruiting ist, dass Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die gerne und mit Stolz im Unternehmen arbeiten. Dann kommen Empfehlungen ganz von allein», betont Siegfried Lautenbacher vom IT-Dienstleister Beck et al. Services. Dass ein solches Empfehlungsmarketing auch online abgebildet werden kann, beweisen neue Jobbörsen wie Jobleads.de - Mitglied wird dort nur, wer von einem Bekannten empfohlen worden ist.

Zentraler Lebenslauf

Schon wieder die gleichen Informationen und Daten eintippen! Es gibt nichts, was Bewerber mehr ärgert als die Online-Formulare der grossen Unternehmen, die E-Mail- und Postbewerbung aus Effizienzgründen bereits abgeschafft haben oder dies demnächst planen.
Das Problem ist erkannt: «Wir wollen den Zustand wiederherstellen, den es früher bei den Lebensläufen schon gab: einmal erstellen und für jede Bewerbung nur minimal ändern müssen», erläutert Ingolf Teetz, CTO der Milch und Zucker AG und Initiator des German-Standard-CV-Projekts (www.german-standard-cv.de).
Ziel ist es, Daten aus Bewerberlebensläufen für unterschiedliche Unternehmen per XML verfügbar zu machen. Wie ein Zentralarchiv für
Lebensläufe auch in Deutschland bald aussehen könnte, lässt sich in Grossbritannien betrachten. Das dortige Iprofile (www.iprofile.com) hat zwei Millionen Profile gesammelt und damit einen Grossteil der sich aktiv oder latent bewerbenden Bevölkerung erfasst. In Deutschland zählt Xing derzeit über sechs Millionen Mitglieder, davon 500000 zahlende Kunden. Wie lange wird es dauern, bis Xing in den Markt eintritt und Profile verfügbar macht? Technisch jedenfalls wäre das kein Problem - erst recht nicht, wenn sich die neuen Microformats durchsetzen, auf die etwa schon der internationale Xing-Konkurrent LinkedIn setzt.

Bewerten

Wer sich bei einem Unternehmen bewirbt, möchte mehr über den künftigen Arbeitgeber erfahren als das, was auf der Firmenwebseite steht. Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu.com bringen es ans Licht: Wie ist es intern wirklich? Darf ich beispielsweise meinen Hund mitnehmen? Schmeckt es in der Kantine? Wie ist der Chef? Je mehr Bewertungen es zu einem Unternehmen gibt, desto interessanter ist das Bild.
Die Struktur von Kununu.com beruht auf dem EFQM-Modell der European Foundation for Quality, die sich um eine ganzheitliche Betrachtung von Unternehmen bemüht und Bestandteil von Qualitätsprüfungen ist. Kategorien wie «Hund» und «Kantine» hat der Betreiber des Portals, hinzugefügt, «weil das einfach wahnsinnig viele Bewerber interessiert».
Nicht in die Falle gehen
«Löschen Sie meinen Eintrag, mein Chef hat mich entdeckt» - solche oder ähnliche Bitten erhalten Moderatoren täglich. Jeder, der sich ins Internet begibt, sollte sich klar darüber sein, dass alles, was er schreibt, ankreuzt oder einstellt, nachgelesen werden kann - und wird.
«Ich wundere mich, dass die Bewerber diese Form des Selbstmarketings noch zu wenig anwenden», meint Siegfried Lautenbacher von Beck et al. Services. Er informiert sich vor jedem Gespräch immer online über die Bewerber. Dabei gibt es mit myON-ID (www.myonid.de) im deutschsprachigen Raum und Naymz (www.naymz.com) im internationalen Umfeld interessante Reputations-Management-Plattformen. Hier kann der Bewerber selbst das Heft in die Hand nehmen und bestimmen, was er veröffentlicht und was nicht.
Zur Autorin: Svenja Hofert ist Karriereberaterin und hat sich auf die Bereiche IT und Medien spezialisiert. Der Beitrag wurde auf www.computerwoche.de veröffentlicht



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