«Worldline kann den Konsum in Echtzeit abbilden»

Herausforderungen im Schweizer Zahlungsverkehr

CW: Nach dem Zusammenschluss ist Worldline einer der grössten Zahlungsdienstleister in Europa. Wird Grös­se zum Alleinstellungsmerkmal?
Schluep: Worldline ist in Kontinentaleuropa sogar der grösste Zahlungsdienstleister überhaupt. In unserem Geschäft ist die Grösse vorteilhaft aufgrund der möglichen Skaleneffekte. Im Hinblick auf den herrschenden Margendruck sind die Skaleneffekte notwendig, um dem Markt kompetitive Preise anbieten zu können. Weiter ist die gros­se geografische Präsenz ein gutes Verkaufsargument für international tätige Kunden wie Burger King, Swarovski oder Victorinox, die Zahlungsdienstleistungen gerne aus einer Hand beziehen möchten. Dann ist es von Vorteil, wenn ein Unternehmen wie Worldline in ganz Kontinentaleuropa, in Amerika, Asien und Afrika zu Hause ist.
CW: Welches sind die grössten Herausforderungen im Zahlungsverkehr in der Schweiz?
Schluep: Im Retail wird noch zu 50 Prozent mit Bargeld bezahlt, wenn man die Anzahl Transaktionen zählt. Beim Volumen sind es rund 30 Prozent, da grössere Beträge eher mit der Karte gezahlt werden. Die Schweiz ist relativ weit entwickelt beim Zahlungsverkehr. Interbanken-Zahlungen, die elektronische Rechnung und auch die Kartenzahlungen sind solide ausgebaut respektive verbreitet. Sogar eher exotische Dienste wie Alipay oder WeChat Pay werden unterstützt.
Die Herausforderungen sind auf der regulatorischen Ebene: Zum Beispiel die Umsetzung der europäischen PSD2-Richtlinie [Payment Services Directive 2; Anmerkung der Redaktion], die einen standardisierten Zugang zum Bankkonto für Dritte erlaubt. Das Stichwort ist hier «Open Banking», das für die Banken auch neue Konkurrenz bedeuten kann, indem Drittanbieter mit der Einwilligung des Kontoinhabers auf dessen Konto zugreifen und zum Beispiel Zahlungen auslösen oder Kontoinformationen verschiedener Banken in einem Portal konsolidieren können. Auf dem Papier gilt die Richtlinie nur für Institute in der EU. Über kurz oder lang wird sich ihr aber auch der Bankenplatz Schweiz nicht gänzlich entziehen können.
Ein weiterer neuer Aspekt im Zahlungsverkehr sind alternative Bezahlmethoden: Sie können für Banken ebenfalls zur Herausforderung werden, da sie nicht mehr die volle Kontrolle über die Kundenschnittstelle haben. Bei digitalen Wallets wie Apple Pay oder Samsung Pay werden seitens des Konsumenten die Handy-Hersteller als Zahlungsdienstleister wahrgenommen, obwohl das Zahlungsmittel nach wie vor durch die Banken herausgegeben wird. Bei den erwähnten Alipay oder WeChat Pay sind es Software-Häuser. Die Bank wird reduziert auf eine Kontoführungsinstanz, mit der ein Kunde so gut wie keine Interaktion mehr hat. So werden Banken austauschbar und das durchaus lukrative Zahlungsverkehrsgeschäft Apple oder reinen Online-Banken wie beispielsweise N26 überlassen.
Marc Schluep von Worldline sieht in den Technologiekonzernen neue Wettbewerber entstehen
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Wie könnte Ihrer Meinung nach die Zukunft des Zahlungsverkehrs aussehen?
Schluep: Es ist durchaus vorstellbar, dass Newcomer wie die bri­tische Revolut in Zukunft eine ganze Palette an Bankdienstleistungen anbietet. Wie das aussehen könnte, lässt sich heute schon in China studieren: Das
Unternehmen hinter Alipay, Ant Financial, ist schon jetzt einer der grössten Bankdienstleistungs­anbieter Chinas. Via Alipay bezahlen die Konsumenten nicht nur, sondern können auf der Plattform auch Aktienkäufe tätigen, Hypotheken beantragen, Kleinkredite aufnehmen und Versicherungsverträge abschliessen.



Das könnte Sie auch interessieren