«Die Schweizer Wirtschaft hat die Chancen erkannt»

Bremsklötze bei der Digitalisierung

CW: Welches sind aktuell die grössten Bremsklötze bei der Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft?
Schneider-Ammann: Man darf nicht vergessen: Auch digitale Investitionen kosten etwas. Jedes Unternehmen muss daher entscheiden, ob sich eine Digitalisierung seiner Prozesse wirtschaftlich lohnt. Das ist sicher noch nicht überall der Fall. Klar ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Hier ist der Staat gefordert. Einerseits durch eine liberale Wirtschaftspolitik, andererseits müssen wir auch im Kontakt mit den Bürgern und Unternehmen digital fit sein. Hier sind wir noch nicht ganz so weit, dass man ausschliesslich digital mit dem Staat kommunizieren kann.
CW: Woran liegt das?
Schneider-Ammann: Teilweise hat das mit unserem Föderalismus zu tun – es braucht viel Zeit, um Informatiksysteme auf allen Ebenen abzustimmen.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann: «Man darf nicht vergessen: Auch digitale Investitionen kosten etwas. Jedes Unternehmen muss daher entscheiden, ob sich eine Digitalisierung seiner Prozesse wirtschaftlich lohnt»
Quelle: Beatrice Devenes
CW: Wie wollen Sie Bremsklötze entfernen?
Schneider-Ammann: Ich will jedenfalls nicht den Föderalismus abschaffen. Das grösste Problem ist wahrscheinlich, unsere Prozesse neu zu überdenken.
CW: Inwiefern? Was muss getan werden?
Schneider-Ammann: Zu oft soll die Informatik die bestehenden Abläufe widerspiegeln, statt die Abläufe an die neuen Möglichkeiten, welche die Maschinen und Plattformen bieten, anzupassen. Hinzu kommt, dass der Staat viel mehr Rechenschaft ablegen muss als die Privatwirtschaft. Wenn der Bund ein Informatikprojekt in den Sand setzt – was natürlich nicht passieren sollte –, gibt es monate- sogar jahrelange administrative und parlamentarische Untersuchungen. In der Privatwirtschaft werden die Verantwortlichen gefeuert und es gibt einen schmerzhaften Abschreiber. Und dann ist man wieder ready for business …
CW: Die Privatunternehmen bemängeln oft die Bürokratie. Inwieweit kann das im November gestartete Portal Easy-Gov zum Bürokratieabbau beitragen?
Schneider-Ammann: Als ich Unternehmer war, brauchte ich für ein Projekt 13 Bewilligungen von 13 verschiedenen Behörden. Das dauerte 13 Monate. Das war für meine mittelgrosse Firma schon ein enormes Ärgernis. Für einen kleinen Betrieb mit einer Handvoll Angestellten ist es aber noch viel schlimmer.
CW: Was kann die E-Gov-Lösung hier verbessern?
Schneider-Ammann: Mit E-Government können wir die Behördengänge bündeln – statt mehrerer realer, gibt es einen einzigen Onlineschalter, der zudem noch Tag und Nacht sowie das ganze Jahr geöffnet ist. Wir können die Daten vernetzen – ein Zugang statt zehn Formulare. Zudem verschmelzen Staatsebenen – ein Schalter bietet dem Kunden Zugang gleichzeitig bei Bund, Kanton und Gemeinde. Hierbei wird aber der Föderalismus bewahrt. Das bringt echte Erleichterung für die Unternehmen und spart Kosten.



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