«Die IT lief trotz Corona-Flaute»

Reisen sind ein virtuelles Gut

CW: Sie haben tiefe Einblicke in das Business. Ist es ein Vorteil in Ihrer Position, die Reisebranche zu verstehen? Oder genügt tiefes Verständnis von der Informatik?
Castillo: Ursprünglich habe ich selbst Reisen verkauft. Nach zwei Jahren im Tour Operating bin ich in die IT gewechselt. Zunächst an den Service Desk, gefolgt von E-Commerce und anschliessend in das internationale Projekt­management. Das wäre kurz gesagt mein Werdegang.
In der Reisebranche generell benötigt der IT-Leiter Verständnis von Business und IT. Für die Informatik habe ich ein hervorragendes Team. Ich habe einige Erfahrungen im Business, wobei ich auch hier jeden Tag neu lerne. Denn das Geschäft ist sehr vielfältig – mit Geschäftsreisen, der Ferienhausvermittlung, den Reisebüros, den Reisebüro-Partnern, den Tour Operators. Hinter allen Varianten verbergen sich vollkommen unterschiedliche Geschäftsmodelle, sodass es extrem hilfreich ist, mit allen Verantwortlichen auf Augenhöhe sprechen zu können, um ihre jeweiligen Bedürfnisse adäquat abzuholen.
“Ich habe keine Befürchtung, dass die Reise­nachfrage nicht zurückkommt„
Pablo Castillo
CW: Sind Sie deshalb Mitglied der Konzernleitung?
Castillo: Schon mein Vorgänger war Mitglied der Konzernleitung. Die IT hatte bei der Hotelplan Group schon immer einen hohen Stellenwert. Denn die Reisebranche per se ist sehr digital. Reisen sind ein virtuelles Gut – ohne Logistikketten, ohne Einkauf und ohne tatsächliche Produkte. Bis zu 70 Prozent unserer Angebote sind rein virtuell generiert. Heute muss kein Mensch mehr an eine schöne Destination reisen, dort ein luxuriöses Hotel besuchen und mit dem Hotelmanager bei einer Flasche gutem Weisswein im Sonnenuntergang einen lukrativen Vertriebsvertrag unterschreiben. Das war zwar früher mein absoluter Traumberuf. Heute weiss ich, dass die IT diesen Job viel effizienter erledigen kann – insbesondere im Sinne unserer Kunden.
CW: Dann dürfte die Hotelplan-IT gut aufgestellt sein.
Castillo: Stimmt. Derzeit arbeiten 160 Angestellte in der IT der Hotelplan Group. Wir sind auf sieben Standorte verteilt, mit Zürich als Zentrale mit 90 Mitarbeitenden. In den deutschen Städten Aschaffenburg und Freiburg sind jeweils rund 20 Leute beschäftigt, im britischen Farnborough nochmals 20 Angestellte. Weiter arbeiten wir im Nearshoring zusammen mit Entwicklern aus Lettland und Russland sowie neu einem Unternehmen im weissrussischen Minsk. Dank des Zukaufs von vtours im vergangenen Jahr haben wir noch ein kleines Entwicklerteam in Argentinien. Sprich: Wir sind sehr global verteilt und versuchen, diese Position auch auszunutzen. Denn der Arbeitsort Zürich ist wegen der hohen Kosten nicht unbedingt attraktiv für jedermann. Wir sind in der komfortablen Situation, an den anderen Standorten ebenfalls rekrutieren zu können und dort Talente anzuziehen, die sich in Zürich nicht unbedingt für die Hotelplan Group interessieren würden.
Technologisch sind wir sehr stabil aufgestellt. Unser «Digital Core» basiert auf SAP. Darum herum haben wir eine ganze Reihe von Eigenentwicklungen gebaut. Sie sind über APIs verbunden sowohl mit der Distribution als auch dem Sourcing von Reiseangeboten.
Im Unterschied zu anderen Unternehmen in der Reisebranche haben wir alle Geschäfts- und Ländereinheiten auf einer einzigen Plattform. Derzeit arbeiten wir gerade daran, den jüngsten Zukauf, vtours, auf unsere Systeme zu mi­grieren. Dabei mussten wir viel Lehrgeld zahlen, da sich das deutsche Geschäft stark von dem in der Schweiz unterscheidet. Hier mussten wir einige zusätzliche Programmier­arbeit leisten, mit der wir anfangs nicht gerechnet hatten.



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