Guy Parmelin: «Der Adrenalinspiegel ist konstant hoch»

Welche Branchen bisher besser und welche weniger gut durch die Krise kamen

CW: Wie ist die Schweizer Wirtschaft bisher durch die Corona-Krise gekommen? Oder anders gefragt: Wie bewerten Sie die Resilienz der Schweizer Wirtschaft in der Pandemie?
Parmelin: Im internationalen Vergleich ist unser Land wirtschaftlich bisher relativ gut durch die Krise gekommen. Die gesundheitspolizeilichen Massnahmen waren weniger einschneidend als vielerorts im Ausland und konnten früh­zeitig wieder gelockert werden, was die wichtigste Voraussetzung für die Erholung der Wirtschaft war.
CW: Worauf führen Sie das zurück?
Parmelin: Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Branchenstruktur. In der Schweiz sind gewisse Bereiche, die verhältnismässig gut durch die erste Jahreshälfte gekommen sind, stärker vertreten als in anderen Ländern, wie beispielsweise die pharmazeutische Industrie. Umgekehrt ist etwa der BIP-Anteil des Tourismussektors, der stark unter der aktuellen Krise leidet, tiefer als in anderen Ländern wie
Österreich und Italien. Zudem haben die schnellen wirtschaftspolitischen Abfederungsmassnahmen wie der breite Einsatz der Kurzarbeit weitere Stellenverluste verhindert, die Kaufkraft erhalten und letztlich die Wirtschaft gestützt.
“Bisher ist unsere Wirtschaft relativ gut durch die Krise gekommen, im Vergleich zu anderen Ländern„
Guy Parmelin
CW: Die Pandemie hat die Wirtschaft leider auf eine Talfahrt geschickt. Wir stehen vor einem Kraftakt. Wie wollen Sie die Schweiz aus einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte herausführen?
Parmelin: Seit dem Beginn der Corona-Krise im März 2020 hat der Bundesrat umfangreiche Massnahmen historischen Ausmasses zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus beschlossen. Damit konnte vielen geholfen werden. Mit Überbrückungskrediten (Covid-19-Kredite) wurden betroffene Unternehmen unbürokratisch, gezielt und rasch unterstützt. Das Instrument der Kurzarbeits­entschädigung hat sich bewährt, weil vorübergehende Beschäftigungseinbrüche ausgeglichen und somit das Risiko eines unmittelbaren Verlusts von Arbeitsplätzen minimiert werden konnten. Neue Instrumente wie der Corona-Erwerbs­ersatz oder die Härtefallregelung ergänzen das Dispositiv zudem gezielt. In einer nächsten Phase wird es wichtig sein, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz lang­fristig zu sichern und zu verbessern.
CW: Um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts zu verbessern, braucht es Investments. Die Managementlehre zeigt auf, dass man in einer Krise investieren muss, will man gestärkt aus ihr hervorgehen. Welche Massnahmen haben Sie geplant, damit die Schweizer Wirtschaft nachhaltig gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen kann?
Parmelin: Aus Sicht des WBF sind folgende Massnahmen von hoher Priorität, damit unsere Wirtschaft nachhaltig gestärkt die Pandemie hinter sich lassen kann: Wir müssen erstens die administrative Belastung reduzieren, zweitens die Wettbewerbsdynamik stärken und drittens den Marktzugang im In- und Ausland sichern.
CW: Welche Massnahmen haben Sie bereits ergriffen?
Parmelin: Um diese Prioritäten anzugehen, wurden bereits wegweisende Beschlüsse gefasst oder die Vorbereitungen dazu sind im Gang. Bereits am 6. Dezember 2019 wurden die neuen Richtlinien für die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) verabschiedet. Zudem wird der Bundesrat 2021 einen Vorentwurf zum Gesetz über die Entlastung der Unternehmen in die Vernehmlassung schicken. Vorangetrieben wird auch der Ausbau des Netzes an Freihandels­abkommen. Weiter ist eine Modernisierung der Aussenwirtschaftsstrategie in Planung. Und schliesslich wird der Bundesrat 2021 eine Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des Kartellgesetzes verabschieden.
Zur Person
Bundesrat Guy Parmelin
ist ab 2021 Bundespräsident und seit 2019 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). Zuvor verantwortete er während zwei Jahren das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Parmelin kann auf eine langjährige Politikkarriere zurückblicken. Zwischen 1993 und 1999 war er Gemeindepräsident von Bursins. Von 2003 bis 2015 agierte der SVP-Politiker als Nationalrat. Unter anderem präsidierte er die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, bevor er 2016 Mitglied des Bundesrats wurde.
Der 1959 geborene Parmelin ist verheiratet. Er hält ein eidg. Meister­diplom in Landwirtschaft und Weinbau. Zusammen mit seinem Bruder baut er in Bursins Weine an.



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