Guy Parmelin: «Der Adrenalinspiegel ist konstant hoch»

Bildungsstandort Schweiz und die Fachkräfteentwicklung

CW: Arbeitsplätze und damit einhergehend die künftig benötigten Fachkräfte sind wichtige Themen. Die Schweiz hat eines der besten Schul- und Ausbildungssysteme der Welt. Die Corona-Krise hat den Schul­betrieb aber teilweise stark eingeschränkt. Was können Politik und Wirtschaft tun, um abgehängte Jahrgänge an Schülerinnen und Schülern zu verhindern?
Quelle: WBF
Parmelin
: Diesbezüglich sind wir sehr aktiv. Im Schweizer Berufsbildungssystem werden die Bildungsinhalte laufend an die aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarkts angepasst. Dafür zuständig sind die jeweiligen Organisationen der Arbeitswelt. Zurzeit laufen verschiedene Projekte mit Unterstützung des Staatssekretariates für Bildung, Forschung und Innovation.
CW: Können Sie ein Beispiel beschreiben?
Parmelin: Ich werde gleich mehrere aufführen wie zum Beispiel die «Revision Informatikerin EFZ/Informatiker EFZ» oder als Neuentwicklung der «Fachausweis für Berufsleute aus nichttechnischen Berufen». Im Rahmen der Initiative «Berufsbildung 2030» wurde mit «digitalinform.swiss» ein Förderschwerpunkt zur Beförderung des digitalen Wandels in der Berufsbildung ins Leben gerufen und läuft unter dem Stichwort «Orientierungshilfe digitale Transformation in der beruflichen Grundbildung». Es ein Werkzeug für die
Trägerschaften, um die vom Arbeitsmarkt geforderten digitalen Kompetenzen zu erkennen und in eine berufliche Grundbildung einfliessen zu lassen.
CW: Digitale Kompetenzen werden dringend benötigt. ICT-Berufsbildung Schweiz hat im September dieses Jahres seine jüngste Fachkräftestudie veröffentlicht. Die Ergebnisse sind alarmierend. Der Fachkräftemangel wird massiv steigen. Was kann Ihr Departement beitragen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Parmelin: In der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) 2021–2024 ist die Digitalisierung ein transversales Thema. Die BFI-Politik unterstützt in allen Bereichen die Akteure in der Bewältigung und in der Mitgestaltung des digitalen Wandels. Doch der Fachkräftemangel im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ist für den Bund nicht neu. Dabei gehen wir von der forschungsbasierten Erkenntnis aus, dass sich das Interesse an MINT zum Teil schon im Vorschulalter entscheidet. Darum legen wir auf die frühe Sensibilisierung besonderes Augenmerk. Stichworte dazu sind die Förderung von Technikmuseen, MINT-fokussierte Lehrmittelentwicklung, Informationsveranstaltungen der Hochschulen und von MINT-Berufsverbänden an Primar- und Sekundarschulen. Und zudem ist die Weiterentwicklung von praxisrelevanten Konzepten für die Ausbildung von Lehrpersonen in MINT-Fächern aller Bildungsstufen wichtig. Besondere Beachtung schenken wir auch dem Ziel, vermehrt bei Mädchen und jungen Frauen das Interesse an MINT-Themen zu steigern. Bei all dem ist klar: Die Menschen in der Schweiz dürfen frei wählen, was sie lernen und werden wollen!
CW: Die Corona-Krise hat neue Arbeitsformen wie Home Office, Webinare etc. vom Experimentier- in den Regelbetrieb überführt. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie für Firmen, aber auch für die Arbeitnehmenden?
Parmelin: Es ist schwierig, zum heutigen Zeitpunkt Vor- und Nachteile festzumachen. Was klar ist: Mehr Flexibilität geht mit einem Bedarf nach mehr Selbstdisziplin einher. Die Koordination im Team wird teilweise anspruchsvoller. Die üblichen Rechte und Pflichten gelten für Arbeitnehmende und Arbeitgeber aber auch im Home Office.
CW: Viele haben privat in das Equipment für das Home Office investiert. Nun werden Rufe laut nach Kostenübernahmen durch die Unternehmen oder nach dem Absetzen der Investitionen von der Einkommenssteuer. Wie bewerten Sie diese Anliegen?
Parmelin: Im Bereich Home Office stellen sich mit der aktuellen Corona-Situation juristisch neue Fragen. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber die Arbeitsgeräte zur Verfügung stellen, die der Arbeitnehmer für die Ausführung seiner Arbeit benötigt. Zudem sind dem Arbeitnehmer die Auslagen zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Arbeitserfüllung anfallen. Es ist rechtlich umstritten, was nun während Corona gilt, weil es sich nur um eine vorübergehende Situation handelt. Es gibt aber durchaus Arbeitgeber, die im Lockdown für solche Mehrausgaben den Angestellten eine monatliche Pauschale ausgerichtet haben.



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