Der Krisenmanager 18.12.2020, 06:11 Uhr

Guy Parmelin: «Der Adrenalinspiegel ist konstant hoch»

Die Corona-Pandemie fordert Führungskräfte in Wirtschaft und Politik wie selten zuvor. Bundesrat Guy Parmelin über Management auf Sicht, Remote Leadership und wie die Schweizer Wirtschaft nachhaltig gestärkt die Corona-Krise hinter sich lassen kann.
Guy Parmelin: «Wichtigstes Ziel ist es, die Pandemie zu überwinden und wieder allen echte Perspektiven zu vermitteln»
(Quelle: WBF)
Der Bundesrat steht in der Corona-Krise im Rampenlicht. Die Arbeit der Regierung im Frühling und nun in der zweiten Welle bietet ausführlichen Anschauungsunterricht in Sachen Leadership in der VUCA-Welt. Unsere «Swiss Leader» sollen den Weg aus der Krise aufzeigen, wo sie ihn doch selbst nicht kennen und sich die Situation täglich ändert. Besonderer Druck lastet auf Wirtschaftsminister und (ab 2021) Bundespräsident Guy Parmelin. Er muss das Land durch eine der schwersten Krisen seiner jüngeren Geschichte steuern und die Gesellschaft einen. Corona-Leugner bekämpfen Befürworter der Gegenmassnahmen, derweil schmelzen der Wirtschaft die Reserven weg. Hinzu kommen Herausforderungen wie die digitale Transformation, die Cybersicherheit oder die Ausbildung der nächsten Generation digital versierter Fachkräfte.
Computerworld: 2020 ist bald vorüber. Sind Sie froh?
Guy Parmelin: Ich glaube nicht, dass sich schwierigere Jahre einfach mit einem Jahreswechsel abhaken lassen. Insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden sich erst abschätzen lassen, wenn die gesundheitlichen Konsequenzen ausgestanden sind. Umso mehr schaue ich vorwärts, nicht zurück.
CW: Viele haben 2020 bereits als Katastrophenjahr abgeschrieben. Leider gingen durch die Pandemie die Good News unter. Welche Erfolge abseits der Krisen­bewältigung kann Ihr Departement vorweisen?
Parmelin: Wir haben in verschiedenen Bereichen vorwärtsgemacht. Beispielsweise wurde «Die Botschaft 2021–2024» zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation aufgelegt. Auch die «Agrarpolitik 22+» ist unterwegs. Und in verschiedenen Verhandlungen für die Modernisierung oder den Abschluss neuer Freihandelsabkommen wie kürzlich mit Indonesien wurden Fortschritte erzielt. Das Tages­geschäft stand wegen der Corona-Krise nicht einfach still.
CW: Mit der Corona-Krise leben wir in der sogenannten VUCA-Welt. Alles verändert sich, man kann nur auf Sicht planen, wenn überhaupt. Dennoch werden vom Bundesrat klare Ansagen gefordert. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?
Parmelin: Das ist eben Krisenmanagement! Auch in normalen Zeiten versuchen wir, Klartext zu reden. In schwierigen Situationen ist das sogar zwingend. Dabei bin ich mir voll bewusst, dass manchmal in der Eile auch Fehler passieren. Dazu muss man stehen und als Exekutivpolitiker auch damit umgehen können.
CW: Home Office und Social Distancing führen zwangsläufig zu einem veränderten Stil des Leadership. Wie leiten Sie momentan Ihr Team? Welche Tipps haben Sie für andere Führungskräfte?
Parmelin: Wie viele andere Betriebe verbringen wir jetzt viel Zeit mit Telefon- und Videokonferenzen. Auch die meis­ten internen Sitzungen werden virtuell abgehalten. Ich verfüge aber über ein sehr gut eingespieltes Team, sodass zwar der Austausch etwas weniger spontan, aber doch immer sehr direkt ist. Eine gepflegte Gesprächskultur hat bei uns Tradition. Daran haben wir nichts geändert. Ich traue üb­rigens allen Führungskräften zu, dass auch sie in dieser Situation den richtigen Ton finden.
CW: Sie leben seit Monaten mit einem aussergewöhnlichen Stresslevel. Wie vermeiden Sie Ermüdungserscheinungen, Verschleiss und Burnout bei Ihnen und auch bei Ihren Mitarbeitenden?
Parmelin: Ja, der Adrenalinspiegel ist konstant hoch. Aber Sie wissen ja, das hält wendig und wach! Und gelegentlich gibt es doch auch kleine Pausen, die man sich gewähren muss. Vielleicht wird sich eine Reaktion bemerkbar machen, wenn die Situation wieder richtig unter Kontrolle und die Gefahr gebannt ist. Aber das ist leider noch Zukunftsmusik.

CW: Wann wurde Ihnen bewusst, dass sich das Corona-Problem zu einer Krise in der Grössenordnung der Finanz- oder gar der Ölkrise entwickeln wird?
Parmelin: Das Bewusstsein war schnell da. Wenn man einen Lockdown wie im vergangenen Frühjahr anordnet, dann muss man sich bewusst sein, was die Folgen sind.
Wir haben von Anfang an Prognosen erstellt. Bei der ersten Welle sind wir noch mit einem blauen Auge davongekommen, weil unsere sicher pessimistisch kalkulierten Töpfe nicht ausgeschöpft wurden. Aber jetzt mit der zweiten Welle müssen wir in einigen Bereichen nochmals nachlegen.
CW: Gesundheitsexperten fordern den harten Lockdown. Stimmen aus der Wirtschaft und Kultur pochen auf die Eigenverantwortung und Öffnung von Ladengeschäften, Restaurants oder Tourismusdestinationen. Ein Widerspruch, bei dem Sie als Entscheider eigentlich nur verlieren können. Wie gehen Sie damit um?
Parmelin: Tatsache ist, dass jetzt nicht mehr der Bund die alleinige Verantwortung trägt. Dass uns trotzdem viel Kritik entgegenschlagen würde, war uns von Anfang an bewusst. Meine Devise war immer, ungeachtet aller Widerstände nach bestem Wissen und Gewissen Entscheide zu treffen. Dann fällt es leichter, die Kritik entgegenzunehmen und damit umzugehen.
Das WBF
Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)
wurde 2013 gegründet. Dem WBF sind sechs Bundesämter und sieben Verwaltungsstellen angegliedert. Zu deren Aufgabengebieten zählen unter anderem Aussenhandel, Wirtschaftspolitik, Bildung und Beschäftigung, Forschung und Innovation, digitale Transformation und Landwirtschaft.

Welche Branchen bisher besser und welche weniger gut durch die Krise kamen

CW: Wie ist die Schweizer Wirtschaft bisher durch die Corona-Krise gekommen? Oder anders gefragt: Wie bewerten Sie die Resilienz der Schweizer Wirtschaft in der Pandemie?
Parmelin: Im internationalen Vergleich ist unser Land wirtschaftlich bisher relativ gut durch die Krise gekommen. Die gesundheitspolizeilichen Massnahmen waren weniger einschneidend als vielerorts im Ausland und konnten früh­zeitig wieder gelockert werden, was die wichtigste Voraussetzung für die Erholung der Wirtschaft war.
CW: Worauf führen Sie das zurück?
Parmelin: Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Branchenstruktur. In der Schweiz sind gewisse Bereiche, die verhältnismässig gut durch die erste Jahreshälfte gekommen sind, stärker vertreten als in anderen Ländern, wie beispielsweise die pharmazeutische Industrie. Umgekehrt ist etwa der BIP-Anteil des Tourismussektors, der stark unter der aktuellen Krise leidet, tiefer als in anderen Ländern wie
Österreich und Italien. Zudem haben die schnellen wirtschaftspolitischen Abfederungsmassnahmen wie der breite Einsatz der Kurzarbeit weitere Stellenverluste verhindert, die Kaufkraft erhalten und letztlich die Wirtschaft gestützt.
“Bisher ist unsere Wirtschaft relativ gut durch die Krise gekommen, im Vergleich zu anderen Ländern„
Guy Parmelin
CW: Die Pandemie hat die Wirtschaft leider auf eine Talfahrt geschickt. Wir stehen vor einem Kraftakt. Wie wollen Sie die Schweiz aus einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte herausführen?
Parmelin: Seit dem Beginn der Corona-Krise im März 2020 hat der Bundesrat umfangreiche Massnahmen historischen Ausmasses zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus beschlossen. Damit konnte vielen geholfen werden. Mit Überbrückungskrediten (Covid-19-Kredite) wurden betroffene Unternehmen unbürokratisch, gezielt und rasch unterstützt. Das Instrument der Kurzarbeits­entschädigung hat sich bewährt, weil vorübergehende Beschäftigungseinbrüche ausgeglichen und somit das Risiko eines unmittelbaren Verlusts von Arbeitsplätzen minimiert werden konnten. Neue Instrumente wie der Corona-Erwerbs­ersatz oder die Härtefallregelung ergänzen das Dispositiv zudem gezielt. In einer nächsten Phase wird es wichtig sein, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz lang­fristig zu sichern und zu verbessern.
CW: Um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts zu verbessern, braucht es Investments. Die Managementlehre zeigt auf, dass man in einer Krise investieren muss, will man gestärkt aus ihr hervorgehen. Welche Massnahmen haben Sie geplant, damit die Schweizer Wirtschaft nachhaltig gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen kann?
Parmelin: Aus Sicht des WBF sind folgende Massnahmen von hoher Priorität, damit unsere Wirtschaft nachhaltig gestärkt die Pandemie hinter sich lassen kann: Wir müssen erstens die administrative Belastung reduzieren, zweitens die Wettbewerbsdynamik stärken und drittens den Marktzugang im In- und Ausland sichern.
CW: Welche Massnahmen haben Sie bereits ergriffen?
Parmelin: Um diese Prioritäten anzugehen, wurden bereits wegweisende Beschlüsse gefasst oder die Vorbereitungen dazu sind im Gang. Bereits am 6. Dezember 2019 wurden die neuen Richtlinien für die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) verabschiedet. Zudem wird der Bundesrat 2021 einen Vorentwurf zum Gesetz über die Entlastung der Unternehmen in die Vernehmlassung schicken. Vorangetrieben wird auch der Ausbau des Netzes an Freihandels­abkommen. Weiter ist eine Modernisierung der Aussenwirtschaftsstrategie in Planung. Und schliesslich wird der Bundesrat 2021 eine Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des Kartellgesetzes verabschieden.
Zur Person
Bundesrat Guy Parmelin
ist ab 2021 Bundespräsident und seit 2019 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). Zuvor verantwortete er während zwei Jahren das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Parmelin kann auf eine langjährige Politikkarriere zurückblicken. Zwischen 1993 und 1999 war er Gemeindepräsident von Bursins. Von 2003 bis 2015 agierte der SVP-Politiker als Nationalrat. Unter anderem präsidierte er die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, bevor er 2016 Mitglied des Bundesrats wurde.
Der 1959 geborene Parmelin ist verheiratet. Er hält ein eidg. Meister­diplom in Landwirtschaft und Weinbau. Zusammen mit seinem Bruder baut er in Bursins Weine an.

Die Krise als Chance für die Digitalisierung

CW: Inwieweit können Investitionen in digitale Technologien und Prozesse helfen, dass die Schweizer Wirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen wird?
Mit einem Mass­nahmenpaket soll die Wirtschaft unterstützt werden. Unter anderem schickt der Bundesrat 2021 ein Gesetz zur Entlastung von Unternehmen in die Vernehmlassung
Quelle: WBF
Parmelin
: Krisen können für die Unternehmen eine Opportunität darstellen, um sich zu positionieren und in einer stärkeren Position aus der Krise zu gehen. Sind Mittel vorhanden, können diese dafür genutzt werden. Dazu gehört zweifellos auch eine Beschleunigung der Digitalisierung oder die Nutzung neuer Absatzkanäle.
CW: Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einerseits einen massiven Schub verliehen. Andererseits erzeugt die ökonomische Entwicklung einen Spardruck, der die digitale Transformation auszubremsen droht. Wie kann die Wirtschaft dieses Dilemma lösen?
Parmelin: Der Bundesrat hat während der Krise mehrere Massnahmen ergriffen, um die Wirtschaft zu unterstützen. Weiter wurden in der Vergangenheit verschiedene Massnahmen zur administrativen Entlastung der Unternehmen eingeführt, wie etwa der One-Stop-Shop EasyGov, der in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll. Unternehmen werden dazu angehalten, solche Angebote vermehrt zu nutzen, um von den Erleichterungen zu profitieren.
CW: Welche Anreize kann hier die Politik bieten und was erwarten Sie umgekehrt von den Entscheiderinnen und Entscheidern der heimischen Wirtschaft?
Parmelin: Die Politik kann insbesondere die Rahmen­bedingungen so setzen, damit diese Angebote möglichst flächendeckend und einfach genutzt werden können.
Um auf Ihre andere Frage zu kommen: Für einige Firmen dürfte die Covid-19-Krise ein vorübergehendes Problem darstellen. Für andere wird sich das Marktumfeld stärker und auf längere Sicht verändern. Wir helfen den Firmen so gut wir können bei der Überbrückung der Krise und ­unterstützen sie dabei, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu ­erhalten. Zudem sind wir laufend bestrebt, die Rahmen­bedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu stärken. Firmen müssen sich teils an neue Gegebenheiten anpassen. Welche Arbeitsplätze konkret langfristig zukunftsfähig sind, müssen aber die Verantwortlichen in den Unternehmen beurteilen.

Bildungsstandort Schweiz und die Fachkräfteentwicklung

CW: Arbeitsplätze und damit einhergehend die künftig benötigten Fachkräfte sind wichtige Themen. Die Schweiz hat eines der besten Schul- und Ausbildungssysteme der Welt. Die Corona-Krise hat den Schul­betrieb aber teilweise stark eingeschränkt. Was können Politik und Wirtschaft tun, um abgehängte Jahrgänge an Schülerinnen und Schülern zu verhindern?
Quelle: WBF
Parmelin
: Diesbezüglich sind wir sehr aktiv. Im Schweizer Berufsbildungssystem werden die Bildungsinhalte laufend an die aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarkts angepasst. Dafür zuständig sind die jeweiligen Organisationen der Arbeitswelt. Zurzeit laufen verschiedene Projekte mit Unterstützung des Staatssekretariates für Bildung, Forschung und Innovation.
CW: Können Sie ein Beispiel beschreiben?
Parmelin: Ich werde gleich mehrere aufführen wie zum Beispiel die «Revision Informatikerin EFZ/Informatiker EFZ» oder als Neuentwicklung der «Fachausweis für Berufsleute aus nichttechnischen Berufen». Im Rahmen der Initiative «Berufsbildung 2030» wurde mit «digitalinform.swiss» ein Förderschwerpunkt zur Beförderung des digitalen Wandels in der Berufsbildung ins Leben gerufen und läuft unter dem Stichwort «Orientierungshilfe digitale Transformation in der beruflichen Grundbildung». Es ein Werkzeug für die
Trägerschaften, um die vom Arbeitsmarkt geforderten digitalen Kompetenzen zu erkennen und in eine berufliche Grundbildung einfliessen zu lassen.
CW: Digitale Kompetenzen werden dringend benötigt. ICT-Berufsbildung Schweiz hat im September dieses Jahres seine jüngste Fachkräftestudie veröffentlicht. Die Ergebnisse sind alarmierend. Der Fachkräftemangel wird massiv steigen. Was kann Ihr Departement beitragen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Parmelin: In der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) 2021–2024 ist die Digitalisierung ein transversales Thema. Die BFI-Politik unterstützt in allen Bereichen die Akteure in der Bewältigung und in der Mitgestaltung des digitalen Wandels. Doch der Fachkräftemangel im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ist für den Bund nicht neu. Dabei gehen wir von der forschungsbasierten Erkenntnis aus, dass sich das Interesse an MINT zum Teil schon im Vorschulalter entscheidet. Darum legen wir auf die frühe Sensibilisierung besonderes Augenmerk. Stichworte dazu sind die Förderung von Technikmuseen, MINT-fokussierte Lehrmittelentwicklung, Informationsveranstaltungen der Hochschulen und von MINT-Berufsverbänden an Primar- und Sekundarschulen. Und zudem ist die Weiterentwicklung von praxisrelevanten Konzepten für die Ausbildung von Lehrpersonen in MINT-Fächern aller Bildungsstufen wichtig. Besondere Beachtung schenken wir auch dem Ziel, vermehrt bei Mädchen und jungen Frauen das Interesse an MINT-Themen zu steigern. Bei all dem ist klar: Die Menschen in der Schweiz dürfen frei wählen, was sie lernen und werden wollen!
CW: Die Corona-Krise hat neue Arbeitsformen wie Home Office, Webinare etc. vom Experimentier- in den Regelbetrieb überführt. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie für Firmen, aber auch für die Arbeitnehmenden?
Parmelin: Es ist schwierig, zum heutigen Zeitpunkt Vor- und Nachteile festzumachen. Was klar ist: Mehr Flexibilität geht mit einem Bedarf nach mehr Selbstdisziplin einher. Die Koordination im Team wird teilweise anspruchsvoller. Die üblichen Rechte und Pflichten gelten für Arbeitnehmende und Arbeitgeber aber auch im Home Office.
CW: Viele haben privat in das Equipment für das Home Office investiert. Nun werden Rufe laut nach Kostenübernahmen durch die Unternehmen oder nach dem Absetzen der Investitionen von der Einkommenssteuer. Wie bewerten Sie diese Anliegen?
Parmelin: Im Bereich Home Office stellen sich mit der aktuellen Corona-Situation juristisch neue Fragen. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber die Arbeitsgeräte zur Verfügung stellen, die der Arbeitnehmer für die Ausführung seiner Arbeit benötigt. Zudem sind dem Arbeitnehmer die Auslagen zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Arbeitserfüllung anfallen. Es ist rechtlich umstritten, was nun während Corona gilt, weil es sich nur um eine vorübergehende Situation handelt. Es gibt aber durchaus Arbeitgeber, die im Lockdown für solche Mehrausgaben den Angestellten eine monatliche Pauschale ausgerichtet haben.

KI und Cybersicherheit sind Top-Themen für die Zukunft der Schweizer Wirtschaft

CW: Sie haben das Patronat für das dieses Jahr erstmals durchgeführte Festival für AI-Innovationen und den neu lancierten AI-Award übernommen. Weshalb unterstützen Sie das Format?
Für Guy Parmelin haben auch die Cyberinitiativen des Bundes dazu beigetragen, dass heimische Unternehmen resilienter gegenüber Cyberattacken sind, als dies früher der Fall war
Quelle: WBF
Parmelin
: Die systematische Start-up-Förderung ist mir und dem ganzen Bundesrat ein grosses Anliegen. Zudem bieten Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz viele Chancen. Natürlich können wir uns allein schon aus Zeitgründen nicht überall aktiv einbringen, wo wir innovatives Potenzial sehen. Ein Patronat ist praktisch immer so ausgestaltet, dass keine aktive Rolle gespielt werden muss, aber klar zum Ausdruck gebracht werden kann, dass man hinter den definierten Zielen steht und empfiehlt, diese zu unterstützen.
CW: Welche wirtschaftlichen Möglichkeiten ergeben sich für den Digitalstandort Schweiz durch die KI?
Parmelin: Die Schweiz ist gut positioniert, um die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz auch wirtschaftlich zu nutzen. Bildung, Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau, gepaart mit innovativen Unternehmen und hoher internationaler Vernetzung bilden diesbezüglich ideale Voraussetzungen für den Standort Schweiz.
CW: Gemeinsam mit Alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann fördern Sie die Swiss Entrepreneurs Foundation. Welche Erfolge können Sie inzwischen vorweisen?
Parmelin: Von meinem Vorgänger habe ich die Schirmherrschaft übernommen. Auch hier: Das operative Geschäft führen andere, aber ich zeige damit einmal mehr, wie wichtig mir die Start-up-Förderung ist und wie sehr ich befürworte, dass in Start-ups sowie innovative KMU investiert und deren Wachstumsprozess unterstützt wird.
“Wir wollen die Cybersicherheit so gestalten, dass die Chancen der digitalen Transformation optimal genutzt werden können„
Guy Parmelin
CW: Aufgrund des steigenden Digitalisierungsgrads ist die Cybersicherheit heute das grösste Risiko für den Geschäftserfolg von Unternehmen. Inwieweit kann der Bund Unternehmen bei der Cyberabwehr unterstützen?
Parmelin: Die Cybersicherheit hat in den vergangenen Jahren auf allen Ebenen stark an Bedeutung gewonnen. Sie spielt eine zentrale Rolle in der nationalen und internationalen Aussen- sowie Sicherheitspolitik und wird zu einem wichtigen Faktor für den Wirtschaftsstandort und die Bevölkerung der Schweiz. Cybersicherheit liegt im Grundsatz in der Verantwortung der Unternehmen und auch jedes einzelnen von uns. Die Politik schafft die Rahmenbedingungen.
CW: Welche Rolle spielt hierbei das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC)?
Parmelin: Mit dem NCSC unter der Leitung des Delegierten des Bundes für Cybersicherheit hat der Bundesrat eine zentrale Anlaufstelle für die Bevölkerung, die Wirtschaft, Bildungseinrichtungen und die Verwaltung geschaffen, die beim Schutz vor Cyberrisiken unterstützt. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, um die Cybersicherheit in der Schweiz so zu gestalten, dass die Chancen der Digitalisierung möglichst gut genutzt werden können. Konkret bedeutet dies, dass das NCSC nicht nur die Betreiber kritischer Infrastrukturen unterstützt, sondern auch die Wirtschaft, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. So hat das NCSC zum Beispiel einen Leitfaden zu sicherem Arbeiten im Home Office publiziert.
CW: Sie haben vor drei Jahren selbst eine Initiative für Cybersicherheit lanciert. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?
Parmelin: Der Aktionsplan Cyber-Defence ist eine Initiative des VBS. Sie basiert auf der Nationalen Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken NCS, die eher für die Unternehmen von Bedeutung ist. In der NCS 2018–2022 zählen unter anderem auch KMU und Verbände zu den Zielgruppen. Entsprechend werden Leistungen für sie auf- und ausgebaut. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei beispielsweise dem Kompetenz- und Wissensaufbau. Generell kann man sagen, dass die Schweizer Unternehmen dank den bisher im Rahmen der NCS geleisteten Arbeiten resilienter geworden sind und vielfach ein besseres Verständnis für die lauernden Cybergefahren haben.

Ein Ausblick auf das Präsidentschaftsjahr

CW: Welches sind die wichtigsten Lehren, die Sie persönlich aus der Corona-Krise ziehen?
Parmelin: Lehren aus der Krise wird es viele geben. Für mich als zuständiger Bundesrat werden klar die wirtschafts- und bildungspolitischen im Vordergrund stehen. Eine ungefähre Rangliste werden wir wohl erst erstellen können, wenn die gesundheitspolitischen Folgen minimiert sind und damit die Bewältigung des Schadens zum zentralen Thema wird.
CW: Sie übernehmen 2021 die Bundespräsidentschaft. Welche Ziele haben Sie sich für das kommende Jahr gesetzt? Inwieweit geht das überhaupt zurzeit, wo sich laufend alles verändert?
Parmelin: Das erste und wohl wichtigste Ziel ist es zweifellos, die Corona-Krise zu überwinden und wieder allen Schweizerinnen und Schweizern echte Perspektiven zu vermitteln. Das dürfte uns noch einige Zeit beanspruchen. Aber wir arbeiten mit allen Kräften daran.
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