Neue Arbeitswelten 07.07.2022, 05:23 Uhr

Arbeiten im Metaverse

Wenn heute über das hybride Arbeiten geschrieben wird, ist von Büros und vom Home Office die Rede. Morgen könnte Arbeit komplett im ­virtuellen Raum stattfinden. Aber: Wer arbeitet wie im Metaverse?
Die Datenbrille ist für das Arbeiten im Metaverse ein unerlässliches Hilfsmittel
(Quelle: Shutterstock/StockCanarias)
Zwei von drei Konsumentinnen und Konsumenten ­haben im vergangenen Jahr ein Produkt im virtuellen Raum gekauft oder an einem virtuellen Anlass teilgenommen. Beides natürlich im Büro oder im Home Office respektive in den eigenen vier Wänden. Geht es nach den Ergebnissen einer Umfrage von Accenture unter über 11 000 Verbrauchern aus 16 Ländern, glaubt mehr als die Hälfte (55 %), dass sich der Alltag immer mehr in die virtuelle Welt verlagern wird. Mit entsprechenden Konsequenzen für die reale Welt – sprich auch für die Arbeit und die Freizeit.
Der mediale Alltag von Jugendlichen in der Schweiz ist schon heute stark durch die Handy- und Internet-Nutzung geprägt. Die «James»-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Swisscom ­konstatierte 2020, dass beeindruckende 99 Prozent der Jugendlichen in ihrer Freizeit das Natel nutzen. Jede und ­jeder Dritte (34 %) spielt regelmässig Videogames, wobei es einen grossen Geschlechterunterschied gibt: 79 Prozent der Jungen und 56 Prozent der Mädchen gamen ­sogar täglich oder mindestens mehrmals pro Woche. So sind die jungen Konsumenten bereits in dem einen oder anderen «Metaverse» unterwegs, sei es «Elden Ring», «Fortnite» oder «Pokémon Legends – Arceus». Die Digitalagentur Sensor Tower zählte Anfang Jahr über 550 Smartphone-Apps, die durch das Schlagwort «Metaverse» die Aufmerksamkeit der User erhaschen wollten.

Programmierer der virtuellen Welt

Eine «echte» Metaverse-App gibt es bis anhin noch nicht. Die Firma hinter Facebook, Meta, wird auch nicht nur eine App lancieren, wenn sie ihr Metaverse fertig gebaut hat. Bis dahin liegt aber noch viel Arbeit vor den Entwicklern, ­Administratoren in den derzeit 49 Rechenzentren (und bald 47 weiteren, die gerade gebaut werden), Brillen­herstellern, PC-Supportern und den Systemarchitekten. Sie leisten ­derzeit viel Arbeit, damit die Vision des Metaverses zur (virtuellen) Realität wird. Der Chip-Hersteller Intel weist etwa darauf hin, dass das Echtzeit-Rendering von zwei Per­sonen in einer fotorealistischen Welt immense Computing-­Power erfordert. Damit sich Hunderte oder gar Millionen Menschen in einer virtuellen Um­gebung treffen können, ist die 1000-fache Leistung der heute gängigen Com­puter notwendig, so Raja Koduri, General Manager der Accele­rated Computing Systems and Graphics Group bei Intel, in ­einem Blogpost. Der Chip-Konzern stelle Programmierern heute Entwickler-Kits bereit, mit denen sie Code schreiben können, der von zukünf­tigen High-Performance-Platt­formen unterstützt wird, führt Koduri aus. 
Den Entwicklern von Grafikprozessoren und Treiber-Software kommt in der virtuellen Welt eine besonders grosse Bedeutung zu. Bei den Videospielen beweisen sie heute schon, dass sie Chips und Software bereitstellen können, um auch grösseren Gruppen von Gamern ein fotorealistisches Erlebnis bieten zu können. Der CEO des Grafikchip-Marktführers Nvidia, Jensen Huang, sieht das Gaming nur als Beginn einer grösseren Entwicklung. «Nvidia ist als Computer-Unternehmen gestartet. Bald stellte sich he­raus, dass Videospiele die erste Killer-Applikation für uns sein sollten», sagte er jüngst in einem Interview mit dem «Time»-Magazin. Mittlerweile entwickle Nvidia zum Beispiel mit dem Autohersteller BMW einen digitalen Zwilling einer Fabrik. In der virtuellen Welt könnten so neue Fertigungsverfahren zunächst erprobt werden, bevor sie in der Fabrik tatsächlich zum Einsatz kommen. Für Huang ist die Fertigungsstätte aber auch nur ein Anfang. Es werde ein virtuelles New York City geben, in dem alle Gebäude der realen Stadt nachgebildet sind. Dann könnten Städte­planer zuerst am 3D-Modell testen, ob ein weiterer Teich im Central Park mehr Besucher anlockt, bevor die Bagger dann tatsächlich auffahren.
3D-Designer wie Blender oder Unity sind die erste ­Voraussetzung für das Erschaffen des Metaverse, Laufzeitumgebungen wie CryEngine, Frostbite oder die populäre Unreal Engine die zweite. Als dritte braucht es noch ­Virtual-Reality-Hardware, sprich Brillen. Hier kommen ­Magic Leap sowie auch Metas (Facebooks) Oculus Rift ins Spiel. Um für die User schon jetzt interessant zu sein, benötigen die Brillenhersteller mit patentierten Technologien hoch spezialisierte Software-Entwickler, damit den Brillenträgern eine komplett oder teilweise virtuelle Welt realitätsnah präsentiert werden kann. 
Geht es nach dem von Sony unterstützten Start-up H2L Technologies, dann wird es im Metaverse nicht nur visuelle Erlebnisse geben. Die Japaner haben ein Armband entwickelt, das kleine Elektroschocks aussendet, mit denen den Benutzern und Avataren im Metaverse aber nicht nur Schmerz, sondern auch das Gefühl von Gewicht und Widerstand vermittelt werden kann. Wie Firmengründerin Emi Tamaki sagt, könne mit der elektrischen Stimulation des Armbands eine Reihe sinnlicher Empfindungen nachgeahmt werden, vom Fangen eines Balls bis zum ­Zwicken eines Vogels in die Haut des Trägers. Die Sinnesstimulation soll es ermöglichen, das Metaverse in eine ­reale Welt zu verwandeln, mit einem verstärkten Gefühl der Präsenz und des Eintauchens.
Das Beispiel H2L zeigt: Die Programmierung des Meta­verse findet keineswegs nur in den USA statt. «Das Zürcher Büro ist – auch aufgrund unseres Entwicklungsschwerpunkts auf Augmented Reality und Virtual Reality – ein wichtiger Treiber für die Innovationsfähigkeit unseres ­Unternehmens und wird für uns weiter an Bedeutung ­gewinnen», erklärte Tino Krause, Country Director DACH bei Facebook, anlässlich der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten an der Giesshübelstrasse in Zürich. Dort hat es Platz für mehr als 200 Mitarbeitende.



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