18.08.2006, 10:56 Uhr

Vollautomatisch vom Wasser aufs Land

Im neuen Container-Terminal Altenwerder im Hamburger Hafen übernehmen IT-Systeme, was andernorts Hafenarbeiter steuern. Sechs Millionen Euro, rund ein Viertel der Aufwände für die Softwareentwicklung, wurde in die Qualitätssicherung investiert.
Michael Busch neigt nicht zu Gefühlsausbrüchen. Doch wenn der IT-Chef der HHLA auf das neue Container Terminal Altenwerder zu sprechen kommt, kann er seine Begeisterung nur schwer verbergen. Dann verweist er auf das Investitionsvolumen von 230 Millionen Euro für den ersten Bauabschnitt. Diese Summe entspricht etwa dem Umsatz der HHLA-Muttergesellschaft in einem Jahr. Busch betont, dass die neue Anlage im Süden des Hamburger Hafens mit einer vergleichsweise geringen Verspätung von drei Monaten in Betrieb ging und alle Funktionen von Beginn an mit der geplanten Anzahl von Restfehlern liefen.
Die Begeisterung des Hamburger IT-Chefs rührt auch daher, dass die Informationstechnik beim neuen Terminal eine Rolle spielt, welche die HHLA bislang nicht kannte: 26 Millionen Euro flossen beim ersten Bauabschnitt in die IT. Busch ergänzt: «Weil die IT die gesamte Anlage steuert, waren wir zum Erfolg gezwungen. Wer eine Investition durchführt, die einem Jahresumsatz entspricht, weiss worum es geht. Und dazu gehörte auch, dass wir für das Testen eine Menge Geld in die Hand genommen haben.» Sechs Millionen Euro, rund ein Viertel der Aufwände für die Softwareentwicklung, flossen in die Qualitätssicherung.

Zeit und Geld

Durch das verstärkte Testen hat sich nicht nur die Qualität der IT-Systeme verbessert. Es trug auch dazu bei, in Sachen Zeit und Geld im Rahmen zu bleiben. Die Behebung spät entdeckter Fehler ist viel zeitaufwändiger und kostet mehr Geld als das systematische und vorbeugende Vorgehen. Davon ist Busch überzeugt und beruft sich dabei auf schlechte Erfahrungen aus Vorgängerprojekten. Bis zu 35 Tester waren bei der HHLA aktiv, um den Erfolg des Grossprojekts sicherzustellen. Darunter befanden sich auch ein Dutzend Spezialisten der Kölner SQS Software Quality Systems. Das Unternehmen ist auf Software-Test und -Qualitätsmanagement spezialisiert und beriet die Hamburger im ersten Schritt auch bei der Einführung von Testmethoden und -verfahren.
Im weiteren Projektverlauf automatisierten die SQS-Experten zudem die Tests. Dies führte zu weiteren Einsparungen. Vor allem bei den Anwendungstests war dies gut möglich. Rund 90 Prozent laufen hier inzwischen auf Knopfdruck. Die Integrationstests, bei denen die verschiedenen Systeme und Anwendungen in ihrem Zusammenspiel überprüft werden, sind hingegen noch zu komplex für eine Automatisierung. Der hohe Aufwand würde den erreichbaren Nutzen nicht rechtfertigen.

Kalkulierter Aufwand

Die gesamte Steuerungssoftware hat die HHLA selbst entwickelt. Alleine die zentrale Logistiksteuerung umfasst eine Million Zeilen Java-Code. Weitere damit verbundene Systeme planen die Schiffsabfertigung, verwalten die administrativen Vorgänge rund um die Container, steuern die landseitige Logistik und bearbeiten die Zollvorschriften. Bei dieser Komplexität wäre es mit herkömmlichen Methoden nicht gelungen, den Durchblick im Dschungel der Systeme zu behalten. Die systematische Qualitätssicherung war deshalb nötig, um das grosse Projektschiff überhaupt steuern zu können.
Das Projektteam setzte Verfahren ein, mit dem es den Aufwand der Testaktivitäten schätzen und planen konnte. Dazu bewerteten die Tester die Testobjekte hinsichtlich Komplexität und Kritikalität. Als sie dies im ersten Durchgang umsetzten, erlebten sie auch gleich die erste Überraschung: Bis zu diesem Zeitpunkt war das IT-Management davon ausgegangen, dass das Testen 15 Prozent des Entwicklungsaufwandes ausmachen würde. Die Aufwandsschätzung deutete jedoch auf mindestens 25 Prozent hin. So konnte die HHLA noch rechtzeitig entsprechend Zeit und Geld einplanen.
Ein weiteres Mittel zur Projektsteuerung war ein Fehlermodell, mit dem die Mitarbeiter ihre Tests dokumentierten und für die Prognose fortschrieben. Das Team wusste nun, wie lange es dauerte, um einen Fehler zu beheben. Dies waren durchschnittlich elfeinhalb Stunden. Zudem konnten sie abschätzen, wie lange und umfangreich die weiteren Tests sein würden und dies auch mit Zahlen belegen.

Ohne Tests kein Betrieb

«Ohne die neue Testsystematik würde das HHLA Container Terminal Altenwerder heute nicht laufen», zieht Michael Busch ein Fazit.«Durch die Prognoseinstrumente unserer Qualitätssicherung konnten wir den Inbetriebnahmetermin genau kalkulieren.» Mit einer einmaligen Verschiebung von drei Monaten ging das Terminal dann auch in Betrieb und läuft seitdem mit der stetig abnehmenden Anzahl von Restfehlern. «Unsere Fehlerprognose wurde von der realen Produktion letztlich bestätigt», so Busch. «Und da jeder Tag Systemausfall uns 60000 Euro kosten würde, weiss auch das Management die Ausgaben für die Qualitätssicherung zu schätzen.»



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