DSAG-Roundtable 28.06.2022, 17:48 Uhr

Schweizer SAP-Kunden: Standard ja, Cloud nein

Die Schweizer Kunden folgen dem Rat von SAP, die Geschäftsprozesse zu standardisieren. Weniger Wartungsaufwand ist ein Vorteil. Von der einfacheren Migration in die Cloud wollen sie aber nichts wissen.
Der Möbelhersteller Vitra begann bereits 2016 mit der Migration auf SAP S/4Hana
(Quelle: Vitra International)
Seit über sieben Jahren rührt der Software-Anbieter SAP die Werbetrommel für die ERP-Lösung S/4Hana. Die Schweizer Kunden waren anfangs skeptisch, denn sie sollten eine über teilweise Jahrzehnte gewachsene und optimierte Business-Software ablösen. An einem virtuellen Roundtable der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) mit den Schweizer Medien war nun zu hören: Einige Unternehmen dürfen sich durchaus als «Early Adopter» bezeichnen. Sie folgten dem ERP-Weltmarktführer früh bei der Erneuerung ihrer Kernsysteme.
Der Möbelhersteller Vitra aus Birsfelden BL lancierte bereits ein Jahr nach dem Marktstart von S/4Hana ein Migrationsprojekt. Christian Schneider, CIO Vitra IT Services, sagte an dem Anlass, dass 2016 zunächst ein «Greenfield»-Projekt geplant worden war, bei dem alle Systeme auf der «grünen Wiese» komplett neu aufgebaut werden sollten. Dieses Vorhaben habe sich jedoch als zu aufwendig erwiesen, so dass Vitra zu einem «Bluefield»-Ansatz wechselte: Geschäftsdaten wurden teilweise übernommen, aber auch einiger Ballast aus den historisch gewachsenen Systemen abgeworfen. Nach den Worten Schneiders waren er und seine Kollegen darum bemüht, die neue SAP-Umgebung weitestgehend an die vom Hersteller vorgegebenen Standardprozesse anzupassen. Das sei bis heute allerdings noch nicht immer gelungen. Teilweise habe sich Vitra allerdings auch bewusst gegen den Standard entschieden, wenn es ein Wettbewerbsvorteil bedeutete. Diese Funktionalitäten liessen sich aber mit den von SAP bereitgestellten Entwicklungsumgebungen ebenfalls modernisieren, so Schneider. Auf Nachfrage von Computerworld führte er aus, dass Vitras Standardisierungsbemühungen nichts mit einer möglichen Cloud-Migration zu tun hätten. Denn die Funktionalität sei in der Cloud noch nicht für alle Systeme gegeben. Und das Management habe entschieden, dass die Kernsysteme weiterhin On-Premises betrieben werden sollten. Diese Aufgabe hatte Anfang 2019 der IT-Dienstleister UMB übernommen.
Mit dem Wechsel in die Public Cloud will auch der Alufelgen-Hersteller Ronal Group aus Härkingen SO noch warten. CIO Patrick Huber sagte, dass sein Unternehmen bei der Cloud noch auf einer Lernkurve sei. Die Auslagerung werde entsprechend nicht ganz so schnell klappen, wie SAP es sich wünsche. Bei der Migration auf S/4Hana war aber auch Ronal früh dran. Schon im Oktober 2016 hatte Huber mit seinen Kollegen in einem Workshop die Grundlagen der Digitalisierung und der Anwendung von Industrie 4.0 erarbeitet. Im Januar des Folgejahres sei ein interdisziplinäres Team gebildet worden, das eine Digitalstrategie und eine Roadmap definiert habe. Ein Bestandteil sei die ERP-Migration gewesen mit der Vorgabe, sich stringent am den Standard zu orientieren, so der CIO. Heute laufe SAP in einer Hybriden Cloud.

SAP-Projekte bei SFS und Swiss Post Solutions

Der Industriekonzern SFS Group mit Hauptsitz in Heerbrugg SG ist global tätig. Und seine Kernprozesse basieren auf SAP. Für den Betrieb des ERP besitzt SFS eigene Datacenter, wie CIO Reto Buchli an dem Anlass der DSAG sagte. Die über 20 Jahre gewachsenen Lösungen und die tausenden User hätten beim Management zu dem Entscheid geführt, dass auch künftig die Kernsysteme On-Premises laufen sollen. Diese Vorgabe wurde im 2019 lancierten S/4Hana-Migrationsprojekt berücksichtigt, gleichwohl auch SFS den SAP-Standard als Ziel ausgegeben habe. Wie Buchli ausführte, habe sich die Datenmigration als die Bremse in dem Projekt erwiesen – speziell das Business-Objekt «Business-Partner» bereite grosse Probleme. Der CIO wusste sich aber zumindest bei den vielenorts fehlenden Fachkräften in einer komfortablen Situation: SFS bilde selbst jährlich acht bis zwölf IT-Lernende aus, darunter zwei bis drei Applikationsentwickler. Dieses Personal helfe, das Projekt firmenintern zu stemmen.
Der DSAG-Vorstand Sebastian Westphal konnte Ende vergangenen Jahres bereits mit einem funktionsfähigen S/4-System starten. Als sein Arbeitgeber Swiss Post Solutions von der Freienbacher AS Equity Partners übernommen wurde, liess sich das ERP aus dem Gesamtsystem der Schweizerischen Post herauslösen, sagte der Head of ERP Operations and Transformation. Die SAP-Anwendungen der in Zürich beheimateten Swiss Post Solutions laufen nun ebenfalls in einer Private Cloud, so Westphal. Parallel kämen allerdings durchaus Cloud-Lösungen für Prozessanalyse und User Experience zum Einsatz, doppelte er nach.



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