03.06.2014, 10:50 Uhr

Stadt Zürich rüstet sich für die Cloud

CIOs europäischer Städten diskutierten am «Major Cities of Europe»-Anlass die Vorteile und Hürden der Digitalisierung. Die Stadt Zürich hat die Grundlagen mit einer Cloud-Infrastruktur gelegt.
Giorgio Prister, Präsident «Major Cities of Europe», lud Städte-CIOs nach Zürich ein
Die Stadt Zürich ist in diesem Jahr Gastgeber des Verbands «Major Cities of Europe». Das regelmässige Treffen von IT-Verantwortlichen aus europäischen Grossstädten begann am gestrigen Montag mit einer Standortbestimmung der Limmatstadt. Dabei wussten die Zürcher, dass sie bei der Digitalisierung von Bürgerdiensten und Verwaltungsservices noch nicht so weit sind wie andere Metropolen. In einem weltweiten Ranking der Rutgers University in Newark (New Jersey) wurde Zürich zuletzt auf Platz 30 geführt. Seit dem Jahr 2007 hat die grösste Schweizer Stadt 15 Ränge verloren. Auf dem Treppchen stehen Seoul, Toronto und Madrid. In Europa vor Zürich rangieren: Prag (4.), Stockholm (7.), Bratislava (8.), London (9.), Vilnius (11.), Wien (12.), Helsinki (13.), Moskau (17.), Kopenhagen (18.), Paris (20.), Berlin (21.), Ljubljana (22.), Zagreb (24.), Dublin (26.), Oslo (27.), Tallinn (28.) und Amsterdam (29.). Diese Hitliste der digitalisierten Stadtverwaltungen blieb indes unerwähnt an dem Anlass. Giorgio Prister, Präsident der Vereinigung «Major Cities of Europe» begrüsste Teilnehmer aus 21 Nationen in Zürich und lobte die Gastfreundschaft der Limmatstadt. Peter Fischer, Delegierter für die Informatikstrategie des Bundes, betonte, dass die Städte Vorreiter sein könnten für den Einsatz von IT. Sie hätten die kritische Masse an Benutzern für Projekte mit innovativen Funktionen und besässen die notwendigen finanziellen Mittel. Nach Fischers Worten geben hiesige Verwaltungen jährlich rund 2,0 Milliarden Franken für Informatik aus – davon fiele allerdings die Hälfte auf die Bundesverwaltung. Das Marktforschungsportal IDG Analytics weist für die öffentliche Hand in diesem Jahr rund 1,6 Milliarden Franken an IT-Investitionen aus.
Seit dem Städteranking im Jahr 2012 waren die Zürcher Informatikverantwortlichen natürlich nicht untätig. Daniel Leupi, Stadtrat und Finanzvorstand, zitierte die Gäste in der Limmatstadt vom Sonntagabend, The Rolling Stones, mit dem Songtitel «You can't always get what you want». Die IT sei in einem Dilemma: Immer mehr Funktionen würden von den Informatikern gefordert, während immer weniger Finanzen dafür bereitstünden. In diesem Spannungsfeld bewege sich auch die städtische Organisation und Informatik Zürich (OIZ). Die dortigen IT-Verantwortlichen hätten mit der Zentralisierung der Basisinfrastruktur allerdings schon viel bewegt. Nächste Seite: die Cloud ist das Ziel
Seit 2007 hat die Stadt Zürich ihre komplette Informatik umgekrempelt. Statt 100 gäbe es heute noch 2 Rechenzentren, in denen 3195 physikalische und virtuelle Server liefen, erklärte OIZ-Vizedirektor Andreas Németh an dem Anlass. Die Virtualisierungsrate läge bei 86,7 Prozent. Auch das Netzwerk und die Storage seien teilweise virtualisiert. In der Stadt lagern aktuell 1598 Terabyte an Daten – bis 2017 rechnen die Verantwortlichen mit einer Verdreifachung des Volumens. Die rund 600 IT-Beschäftigten würden rund 26'000 PC-Arbeitsplätze, davon 19'000 in den Verwaltungen und 7000 in Schulen, mit circa 2000 Applikationen versorgen. Mittlerweile zentral betrieben wird ausserdem das ERP. Gab es früher rund 80 Organisationen in der städtischen Verwaltung, die ihr SAP selbst pflegten, leistet das heute das OIZ. In den georedundanten Rechenzentren in Albis und Hagenholz werde allerdings nur noch 36 Systeme für die stadtweit knapp 5500 User betrieben, führte Németh aus.
Bei allen Infrastruktur-Komponenten setzt die OIZ heute auf Standards. Die Hardware, Betriebssysteme, Datenbanken und Middleware kämen von der Stange. Gründe sind nach Aussage von Hauptabteilungsleiter Infrastruktur, Gerhard Langer, die tieferen Kosten und die Skalierbarkeit. Nach seinen Berechnungen werde die städtischen Systeme von heute 3200 Servern und 1600 Terabyte in drei Jahren auf rund 5300 Server und 5200 Terabyte wachsen. Diese Steigerungsraten wären quasi ein Modellfall für Cloud Computing: «Die Enterprise-IT wird nicht mit den Stückpreisen der Cloud-Provider mithalten können», bremste Langer aber die Erwartungen an kostengünstigeren Betrieb in Zukunft. In der OIZ gäbe es Applikationen und Daten, die nicht in eine Public Cloud ausgelagert werden könnten. Damit seien die verlockenden Skaleneffekte hinfällig. Allerdings, so der OIZ-Vertreter, gäbe es erstens durchaus Behörden in der Schweiz, die Computing-Leistung und Speicher aus der Cloud beziehen (unter anderem Swisstopo). Zweitens müsse die Stadt ihre Infrastruktur-Architektur bereit machen für Cloud-Dienste. Denn der Wandel zum Cloud Computing sei nicht aufzuhalten, begründete OIZ-Direktor Werner Breinlinger im Gespräch mit Computerworld. Bis Ende Jahr wolle sich die Stadt Zürich eine Roadmap zur Cloud-Strategie schaffen. Nächste Seite: Banken als Untermieter
Aktuell sind die städtischen Rechenzentren noch für die Zukunft gebaut. Das OIZ nutzt zurzeit rund 1000 Quadratmeter der Fläche. Die vorübergehend nicht genutzten circa 1500 Quadratmeter sind an drei Banken vermietet. «Das Serverhousing ist ein Alleinstellungsmerkmal von Zürich», sagte Breinlinger. Laut seinem Kollegen Langer könnte das Zürcher Modell durchaus ein Vorbild auch für andere öffentliche Verwaltungen sein.

Virtuelles Stadthaus

Während die Infrastruktur modernisiert und Legacy-Systeme sukzessive abgelöst werden, arbeitet die Stadt Zürich an anderen Stellen am Digitalisieren der Behördendienstleistungen. Ein Projekt ist das «Virtuelle Stadthaus», einer neu konzipierten Webseite der städtischen Verwaltungen. Auf Anfrage wollte OIZ-Direktor Breinlinger zwar keinen Zeitplan offen legen. Aber im Gespräch verriet er den Grundgedanken des kommenden Dienstes: Ziel sei das Angebot aller Behördenservices auf einer Online-Plattform. Die eGovernment-Leistungen sollen nicht mehr wie bis anhin auf den Seiten der zuständigen Departemente abrufbar sein, sondern Service-orientiert am Bürgernutzen präsentiert werden. Ein Beispiel: Der Dienst eUmzug könnte potenziell für jährlich rund 40'000 Umzüge innerhalb der Stadt genutzt werden. Immerhin Tausende haben die Leistung bereits in Anspruch genommen, auch wenn die Stadt keine Werbung für den Service geschaltet hat. Aktuell muss eUmzug auf dem städtischen Web-Portal über die Seiten des Präsidialdepartements im Bereich «Bevölkerung» und dem Personenmeldeamt gefunden werden. Einfacher ist der Aufruf des Index oder natürlich die Google-Suche. Wenn das «Virtuelle Stadthaus» Realität ist, sollen Bürger mit einem oder zwei Mausklicks ihren Umzug online melden können. Damit könnte sich Zürich im globalen Städtevergleich weiter nach oben im Ranking arbeiten.



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