24.11.2006, 11:23 Uhr

Auf digitaler Spurensuche

Mit der Analysemethodik der Computer-Forensik kann mit Hilfe von Computern begangene Wirtschaftskriminalität lückenlos und gerichtsverwertbar aufgeklärt werden.
Reinhold Kern ist Manager Computer Forensics and Electronic Discovery bei Kroll Ontrack.
Es sind Zahlen, die erschrecken. Gut jedes dritte Schweizer Unternehmen wurde in den vergangenen zwei Jahren Opfer einer Wirtschaftsstraftat. Zu diesem Ergebnis kommt Pricewaterhousecoopers (PWC) in der Studie Wirtschaftskriminalität 2005. In Deutschland ist gar - so die KPMG-Studie 2006 zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland - bereits jedes zweite Unternehmen betroffen, wobei die Dunkelziffer, so schätzt die KPMG, 80 Prozent überschreiten dürfte. Zahlen, die belegen: Wirtschaftsdelikte sind weit mehr als eine Randerscheinung. Und sie betreffen praktisch alle Branchen. Vor allem der Handel, so die PWC-Studie, ist mit 60 Prozent betroffener Unternehmen weltweit besonders stark betroffen, gefolgt vom Finanzsektor und der Telekommunikation inklusive Medienbranche mit jeweils rund 50 Prozent. Die Finanz- und Imageschäden durch Betrug, Veruntreuung, Industriespionage oder Korruption sind dabei oftmals erheblich. So verloren die betroffenen Schweizer Unternehmen seit dem Jahr 2003 durch Veruntreuung, Vortäuschung falscher Tatsachen und Fälschungen durchschnittlich rund 2,7 Millionen Franken - ein Wert, deutlich über dem globalen Schnitt von 2,25 Millionen Franken.
Neu ist die Problematik der Wirtschaftskriminalität freilich nicht - dennoch rückt sie mehr und mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Einerseits, weil die Unternehmen aufgrund von Medienberichten über besonders brisante Fälle stärker sensibilisiert sind. Andererseits, weil die Aufklärungsquoten dank der ausgeklügelten Aufklärungsmethoden der Computer-Forensik stetig steigen. Denn Vergehen, die mit Hilfe digitaler Technologien, wie sie aus Datenverarbeitungs- und Kommunikationssystemen nicht mehr wegzudenken sind, begangen werden, erfordern digitale Aufklärungsmethoden.

Risikofaktor Computer

Gleichgültig, ob Scheingeschäfte zur Geldwäsche, Bilanzfälschung, Börsengeschäft mit Insiderwissen, Korruption oder Industriespionage - der Computer als Tatwerkzeug ist bei Wirtschaftsdelikten praktisch immer im Spiel. Profis genügen einige Mausklicks, um in der elektronischen Buchhaltung beliebig hohe Beträge durch Aufteilen auf Zwischenkonten und spätere Bündelung an einem geheimen Zielort verschwinden zu lassen. Ebenso leicht ist es, Grossprojekte falsch abzurechnen, denn bei der dabei üblichen, enormen Zahl von Rechnungspositionen sind vereinzelte Abweichungen nur schwer zu entdecken. Einzige Voraussetzung für den Betrug: Man muss am richtigen Hebel sitzen, weshalb Wirtschaftskriminalität zu einem beträchtlichen Teil ein unternehmensinternes Problem darstellt, das sich bis in oberste Managementebenen zieht. Dorthin, wo die Verlockung besonders gross ist.
Es müssen aber nicht immer Bilanzfälschungen sein, auch geistiges Eigentum ist ein lohnendes Objekt für Wirtschaftskriminelle. Auf günstigen USB-Speicherwinzlingen können Kundendaten und andere Firmeninformationen verschwinden, die das Vielfache wert sind. Für die bestohlenen Unternehmen resultiert ein finanzieller Schaden, der - wenn überhaupt - erst nach Monaten oder Jahren ans Licht kommt.

Delikte der Elektronikära

Zur Wirtschaftskriminalität werden alle Delikte gezählt, die direkt oder indirekt wirtschaftlichen Schaden verursachen. Ein typisches Beispiel ist Hacking, also die vorsätzliche Umgehung von Sicherheitssystemen zum Zweck der Spionage, Sabotage oder Fälschung in Netzwerken. Wirtschaftsspione greifen direkt von aussen, oder über angeworbene, interne Mitarbeiter auf vertrauliche Informationen wie Patente, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten oder Buchhaltungs-, Vertriebs- und Kundendaten zu. Wobei ihnen die moderne Kommunikation hilft. Selbst grosse Datenmengen können sekundenschnell als E-Mail-Anhang verschickt oder auf mobile Datenträger kopiert werden. Kein Wunder, tauchen immer öfter komplette, gefälschte Anlagen oder Maschinen am Markt auf.
Ebenso gefährlich ist Sabotage. Hierbei geht es meist um eine logische, mitunter aber auch physische Schädigung von Datenträgern, Computern und Netzwerken.
Konto- und Bilanzfälschungen, interne Manipulationen und Verschleierungen, Korruption und Geldwäsche zählen ebenfalls zu den typischen Delikten, die am Computer abgewickelt werden. Mit Milliardenbeträgen eine der einträglichsten Sparten der Wirtschaftskriminalität ist die Produktpiraterie, namentlich das rechtswidrige Erstellen und Vertreiben von Raubkopien urheberrechtlich geschützter Medien mit Musik, Filmen oder Computerprogrammen.



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