Schweizer Daten-Hub gefordert

Die Vorgeschichte

2014 formulierte Jean-François Junger beim Schweizer E-Government-Symposium die Vision des Triple-Open-Government: «Open Data, Open Processes and Open Services». Junger kam von der EU-Kommission und man hörte in Bern eventuell nicht wirklich zu. Stattdessen konzen­trierte man sich auf die «schönen» Aspekte des E-Government. 2017, beim bislang letzten deutschsprachigen Schweizer E-Government-Symposium, zitierte beispielsweise der Luzerner Regierungsrat Marcel Schwerzmann den romantischen Komponisten Anton Bruckner: «Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.» Und der Direktor der Eidgenössischen Zollverwaltung, Christian Bock, versprach, man werde im Projekt DazIT «Elefanten tanzen lassen». Beides kam sehr gut an, warf aber die grosse Frage auf: Was ist der konkrete Plan?
“Die Probleme sind weniger technischer als organisatorischer Natur„
Reinhard Riedl
Als die EU-Kommission das «Once Only»-Prinzip zusammen mit anderen E-Government-Prinzipien in der Tallinn Declaration festschrieb, handelte Bundesrat Ueli Maurer. Obwohl oder weil damit konkrete Ziele verbunden waren, reiste er 2017 persönlich nach Tallinn zur Unterzeichnung der Deklaration. Das war ein unmissverständliches Zeichen, denn die Schweizer Verwaltung war damals nicht einmal in Sichtweite des «Once Only»-Prinzips. Dieses besagt nämlich, dass Daten maximal einmal von Unternehmen oder den Einwohnerinnen und Einwohnern der öffentlichen Verwaltung geliefert werden müssen. Dabei wird nicht zwischen unterschiedlichen Verwaltungsebenen unterschieden – nicht einmal zwischen landesinterner und ausländischer Verwaltung! Entsprechend kann das «Once Only»-Prinzip nur durch Zusammenarbeit von Ämtern erzielt werden, wobei sowohl innerhalb einer Verwaltungsebene als auch ebenenübergreifend zusammengearbeitet werden muss. Theoretisch müsste sogar international kooperiert werden, damit das «Once Only»-Prinzip realisiert werden kann. Alles Dinge, die 2017 ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit für die Schweizer Verwaltung schienen. Heute kann man sich die Umsetzung dagegen immerhin vorstellen. «Once Only» bleibt fern, aber ist immerhin schon in Sichtweite gerückt.    
Weil die Umsetzung des Prinzips bedeutet, dass wirklich dicke Bretter gebohrt werden müssen, finanzierte die EU-Kommission mehrere Projekte zur Erforschung und Pilotierung möglicher Umsetzungen. Am Large-Scale-Pilot «TOOP» nahm die Schweiz (eigenfinanziert) teil. Das Projekt lieferte Architekturspezifikationen, aber noch keine konkrete Umsetzungsstrategie.

Der Schweizer Daten-Hub

Im Oktober 2020 reichte die Finanzkommission (Berichterstatter Gerhard Andrey, Alex Farinelli und Peter Hegelin) im Nationalrat die Motion «Zukunftsfähige Dateninfrastruktur und Datengovernance in der Bundesverwaltung» ein. Diese schloss an entsprechende Motionen aus dem Jahr 2018 von Beat Vonlanthen im Ständerat und von Franz Grüter im Nationalrat an. Sie wurde auf Vorschlag des Bundesrats angenommen. In der Folge beschloss der Bund eine «API first»-Strategie und die Bundeskanzlei publizierte im Januar 2022 eine API-Architektur-Spezifikation.
Die Motion der Finanzkommission fordert die Schaffung eines Daten-Hubs für einen zentralen, standardisierten Zugang zu den digitalen Daten und Prozessen der gesamten Bundesverwaltung. Damit soll der Datenaustausch zwischen Bund, anderen Verwaltungsebenen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gefördert werden. Es wird dabei explizit auf die Umsetzung des «Once Only»-Prinzips referenziert. Die dafür notwendige Zusammenarbeit soll klar geregelt werden. Zusätzlich soll es einen Um­setzungsplan geben und einmal pro Jahr dem Parlament über die Umsetzungsfortschritte berichtet werden.
Wow! Man staunt, reibt sich die Augen und fragt: Wirklich jetzt? Und die Antwort darauf ist tatsächlich noch nicht klar. Wir haben auf europäischer Ebene wie auf nationaler Schweizer Ebene professionelle Spezifikationen, die sich wie Standards lesen, aber es fehlen konkrete Umsetzungsbeispiele und eine fassbare Beschreibung realistischer Umsetzungen. Anders gesagt: Die Theorie ist geklärt, die Praxis fehlt aber noch. Das heisst auch, die Theorie ist noch nicht validiert. Dies muss jetzt geschehen.



Das könnte Sie auch interessieren