25.03.2008, 08:11 Uhr

Die Stadt Zürich wird mit SAP zum Konzern

Die Stadt Zürich betreibt seit Anfang des Jahres einen Grossteil ihrer betriebswirtschaftlichen Applikationen mit SAP. Damit konnte sie ihre Systeme vereinheitlichen.
Erika Bachmann und Daniel Heinzmann: Die IT-Landschaft der Stadt Zürich vereinheitlicht und modernisiert.
Statistisch gesehen sind lediglich ein Drittel aller grossen IT-Projekte von Erfolg gekrönt. Zu diesem Drittel gehört definitiv auch «ERPplus» der Stadt Zürich: Im Rahmen dieses Projekts hat die städtische Verwaltung die Herkulesaufgabe gestemmt, SAP innerhalb von knapp anderthalb Jahren flächendeckend bei rund 80 Organisationseinheiten einzuführen. Damit ist ERPplus das derzeit grösste SAP-Projekt der Schweiz.
Den Grundstein für die SAP-Einführung legte der Zürcher Stadtrat bereits im Jahr 2005 mit der Lancierung des übergeordneten Projekts «Führungsmodell Stadtrat Zürich». Die Idee dahinter: Die Limmatstadt soll ähnlich wie ein Konzern geführt werden und damit effizienter werden und vorausschauender agieren können.
Schnell war damals klar, dass die bestehende Software-Landschaft diese Entwicklung nicht unterstützen konnte. Daniel Heinzmann, Direktor OIZ (Organisation und Informatik Zürich), erinnert sich: «Die IT-Landschaft war bisher äusserst heterogen: Die rund 80 Dienstabteilungen und Organisationseinheiten nutzten ganz unterschiedliche ERP-Software. Teilweise war IRP/KIRP (Kommunales Integriertes Rechnungswesenprogramm) mit vielen Eigenentwicklungen für Auswertungen im Einsatz, einige Stellen nutzten Abacus, andere wiederum bestimmte SAP-Module.»
Um diese Vielfalt zu konsolidieren wurde das Projekt ERPplus aufgegleist. Ziel war es, nicht nur die alten Systeme abzulösen, sondern gleichzeitig auch die Prozesse der Stadtverwaltung zu überdenken und anzupassen. Erika Bachmann, Departementscontrollerin DIB (Departement der Industriellen Betriebe) und Projektleiterin ERPplus, erklärt: «Es wäre mehr als ineffizient gewesen, alte Prozesse in ein neues System hineinzuwürgen.»

Sorgfältige Partnerwahl

2006 machte man sich im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung auf die Suche nach einem geeigneten Einführungspartner - auf SAP hatte man sich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht festgelegt. Für Erika Bachmann war die wichtigste Frage bei der Partnerwahl: Kann dieser die Vielfalt und Komplexität beherrschen und die Organisation entsprechend im System abbilden? Beispielsweise mussten rund 550 Schnittstellen abgelöst oder neu gebaut und enorme Datenberge migriert werden. Überdies musste auch die Schulung der Mitarbeitenden sichergestellt werden.
Auf die Ausschreibung reichten sechs mögliche Partner ein Angebot ein: Drei von ihnen boten auf SAP-Basis an, bei den restlichen Bewerbern handelte es sich um -Anbieter anderer ERP-Systeme. Erika Bachmann: «Es hat sich relativ rasch herauskristallisiert, dass nur SAP mit unseren Anforderungen würde mithalten können. Andere Lösungen waren für unsere Grösse schlichtweg nicht geeignet.»

Die Stadt Zürich wird mit SAP zum Konzern

In der letzten Evaluationsrunde machte die Dübendorfer Exsigno Consulting, vormals Mummert Consulting, als Generalunternehmerin zusammen mit SAP Stäfa und asem group das Rennen. Erika Bachmann begründet: «Schlussendlich waren es neben den fachlichen Kompetenzen die Referenzen, die Exsigno vorgelegt hat. Die Dienstleisterin hatte umfassende Erfahrungen mit SAP-Einführungen bei der öffentlichen Hand vorzuweisen.»

Tempobolzen bei der Einführung

Die SAP-Einführung erfolgte nach einem ehrgeizigen Zeitplan: Nur 17 Monate hatte man für den Umstieg einkalkuliert. Ein sportliches Ziel - zumal mehrere Module gleichzeitig eingeführt wurden: Jene für die Bereiche Human Resource Management, Finanz- und Rechnungswesen sowie Logistik. Wie Ex-signo-Geschäftsführer Matthias Scherler zu Protokoll gibt, habe sich das hohe Einführungstempo schlussendlich als Vorteil erwiesen: «Auf diese Weise blieb die Projektdynamik stets sehr hoch.»
Besonderes Augenmerk legte Erika Bachmann bei der Einführung darauf, dass sämtliche Aufgaben mit SAP-Standard-Modulen abgedeckt werden konnten. «Eigenentwicklungen und Modifikationen im SAP-System stellen meist nur unnötigen und unterm Strich teuren Ballast dar», ist sie überzeugt. Ein weiterer Schritt in der Einführungsphase bestand im Abspecken der Funktionalitäten auf dem Bildschirm. «Die User sollten nur jene Funktionen sehen, die sie auch tatsächlich brauchen, beziehungsweise für die sie berechtigt sind», erklärt die ERPplus-Projektleiterin. Vor der Einführung der einzelnen Module erfolgte eine intensive Testphase bis kurz vor der Produktivsetzung im Januar 2008.
Inzwischen können rund 1200 Mitarbeitende das SAP-System nutzen - Tendenz steigend. Mit dem SAP-HR-Modul arbeiten seit 1. Januar 2008 sämtliche Dienstabteilungen. Seine erste Feuerprobe bestand das neue System mit dem Lohnlauf Ende Januar: Die Lohnzahlungen an die rund 24000 Mitarbeitenden der Stadt Zürich erfolgten nahezu reibungslos.
Das Finanz- und Rechnungswesen-Modul sorgt derweil seit Mitte Januar bei den allermeisten Dienstabteilungen dafür, dass Zahlungsein- und -ausgänge, die nunmehr durch einen elektronischen Kontoauszug gemeldet werden, automatisch weiterverarbeitet werden. Dafür wurde ein Regelwerk mit derzeit rund 300 Regeln angelegt, so dass die automatische Zuordnung zu den Buchungskreisen und Konten erfolgt und somit den personellen Einsatz optimiert.
Das Logistikmodul ist bisher nur bei einigen grossen Abteilungen implementiert; hier besteht noch deutlicher Aufholbedarf mit weiteren Einführungen.
Ende April schliesslich wird die Stadt Zürich das SAP-System offiziell abnehmen und in die Bewirtschaftung der Fachabteilungen übergeben. Für den technischen Betrieb und den Support wird ab diesem Zeitpunkt das neu geschaffene SAP CCC (Customer Competence Center) voll verantwortlich zeichnen. Dessen 14 Mitarbeitende wurden vorwiegend aus den eigenen Reihen rekrutiert. «Wir wollten den OIZ-Mitarbeiterbestand nicht ausbauen. Deshalb haben wir das nötige SAP-Know-how intern durch Umschulungen und Weiterbildungen aufgebaut und uns nur mit vier SAP-erfahrenen externen Profis verstärkt», führt Daniel Heinzmann aus.

Die Stadt Zürich wird mit SAP zum Konzern

Knackpunkt Mitarbeitermotivierung

Als grosse Herausforderung bezeichnet Bachmann die Motivierung der Mitarbeitenden. So habe es anfangs einige Zweifler und Kritiker in den Dienstabteilungen gegeben, die an ihren alten Systemen festhalten wollten. «Ein solcher Systemwechsel ist aber nicht zu schaffen, wenn nicht alle an einem Strick ziehen.» Deshalb setzte Bachmann auf eine transparente Kommunikation und nutzte verschieden Kanäle wie Newsletter und Veranstaltungen, um die Mitarbeitenden laufend zu informieren. In der Konzeptphase wurden ausgedehnte Workshops mit den Betroffenen und während des ganzen Projekts alle zwei Monate grössere Informationsveranstaltungen durchgeführt.
Grossen Wert legte Bachmann auf die Schulung der Mitarbeitenden: An insgesamt 325 Kursen wurden die künftigen User für SAP fit gemacht.
Bachmann ist überzeugt, dass die SAP-Einführung den Mitarbeitenden nicht nur einen Mehraufwand beschert hat, sondern ihnen auch einen konkreten Mehrwert bietet: «Zum Einen werden durch SAP innerhalb der Stadt, insbesondere bei der OIZ, neue attraktive Fachkarrieren möglich. Zum anderen erwerben die Mitarbeitenden durch ihre SAP-Kenntnisse auch zusätzliche Qualifikationen für den Arbeitsmarkt.»

Positive Bilanz

Ingesamt zieht Bachmann eine positive Projektbilanz: «Durch die Vereinheitlichung wird der Unterhalt der Systeme einfacher. Zudem haben wir nun eine bessere Übersicht über den Einsatz der städtischen Ressourcen, was uns entsprechend bessere Planungsmöglichkeiten bietet. So werden wir beispielsweise beim Einkauf von Gütern und Dienstleistungen weiteres Optimierungspotenzial nutzen können.»
Das Projekt ERPplus schlug unterm Strich mit rund 23 Millionen Franken zu Buche. 14,5 Millionen davon wurden als externe Kosten verbucht. «Das mag zwar nach viel klingen, dennoch liegen wird damit weit unter dem Durchschnitt für ein solches Grossprojekt», erklärt Erika Bachmann. Heinzmann doppelt nach: «Es macht mich stolz, dass wir uns bei diesem Projekt in jeder Hinsicht mit der Privatwirtschaft messen können.»
Dass die SAP-Einführung so reibungslos über die Bühne gegangen ist, hat laut Bachmann zwei Gründe: Zum Einen habe man mit der Partnerwahl goldrichtig gelegen. Zum anderen sei der Erfolg auch dem Stadtrat zu verdanken. Er hätte jederzeit voll hinter dem Vorhaben gestanden und die Wege für Entscheidungen stets kurz gehalten. Exsigno-Chef Scherler will einen weiteren Erfolgsfaktor festgehalten haben: «Die Stadt Zürich hat ein Projektteam aufgestellt, das in Sachen Kompetenz und Motivation seinesgleichen sucht.»

Die Arbeit geht weiter

Laut Bachmann stünden nun noch einige Anpassungen und vereinzelte Systemablösungen an. Daneben könne man die zweite Phase von ERPplus in Angriff nehmen. Diese sieht unter anderem den Ausbau des SAP-Systems im Bereich Logistik vor.
Die SAP-Einführung ist allerdings nur ein Teil der Informatikstrategie der Stadt Zürich. Ab Mitte 2008 will diese mit der Konsolidierung der Rechenzentren beginnen und rund 15000 einheitliche IT-Arbeitsplätze auf Basis von Vista und Office 2007 einrichten sowie einen stadtweiten Service-Desk einführen.
Claudia Bardola



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