Warum Scheitern zum Wettbewerbsvorteil wird

Keine Ausnahme ohne Regel

Auch wenn sich mit Sanktionen Fehler nicht wirksam bekämpfen lassen, so haben sie in Unternehmen durchaus ihren Sinn. Neben den unvermeidlichen Missgeschicken gibt es nämlich auch mehr oder weniger bewusst herbeigeführte Probleme, etwa durch grobe Fahrlässigkeit oder absichtliche Regelverstösse. Solches Verhalten lässt sich durch Sanktionen durchaus positiv beeinflussen, wobei das Ausmass der drohenden Strafen eher eine untergeordnete Rolle spielt: «Disziplin lässt sich nicht allein durch hohe Sanktionen, sondern nur durch eine hohe Kontrolldichte erreichen», sagt Berner, «man muss leider ständig und konsequent gegen die Tendenz der menschlichen Psyche arbeiten, es sich so leicht wie möglich zu machen.»
Quelle: Betreibergesellschaft
Um Fehler überhaupt von Regelverstössen unterscheiden zu können, braucht es eine klare Kommunikation. Mitarbeiter müssen wissen, was von ihnen verlangt wird und welche Konsequenzen sie zu erwarten haben, wenn sie bewusst oder grob fahrlässig von den Vorgaben abweichen. In der Produktion werden diese Regeln meist in sogenannten Standard Operating Procedures (SOP) festgelegt, in anderen Unternehmensbereichen ist es jedoch häufig nicht so klar, wo der Handlungsspielraum des Mitarbeiters aufhört und ein Regelverstoss beginnt.
Das ist problematisch, vor allem wenn dabei nicht zwischen Fehlern und Regelverstössen unterschieden wird. «Es ist ein Riesenunterschied, ob jemand aus Versehen auf einen falschen Knopf drückt oder ob er absichtlich eine Abkürzung nimmt, weil ihm das vorgeschriebene Prozedere zu lange dauert», sagt Berner. Wenn Unternehmen beide Sachverhalte nicht sorgfältig trennten und gleichermassen bestraften, sei dies ein fatales Signal: «Mitarbeiter lernen dann, dass es besser ist, einen Fehler zu vertuschen.» Das Ziel müsse jedoch sein, Fehler schnellstmöglich aufzudecken: «Es geht nicht darum, wer Schuld hat und wie das passieren konnte, sondern darum, wie man den Schaden begrenzen und was man für die Zukunft daraus lernen kann.»
Neben den bereits erwähnten vertraulichen Meldesystemen kann auch eine simple Regel dazu beitragen, Fehler schneller aufzudecken: Der Mitarbeiter muss, soweit es in seiner Macht steht, den angerichteten Schaden selbst beheben. «Das fördert die Motivation, ein Missgeschick möglichst rasch zu melden, um die Folgen auch für einen selbst so gering wie möglich zu halten,» sagt Berner.

Raum für Experimente

Ohne Fehleraversion und Fehlervermeidung sind komplexe Wirtschaftsprozesse undenkbar. Wenn sie jedoch die Fehlerkultur eines Unternehmens dominieren, erstarrt die Organisation. «Das sorgfältige Abarbeiten standardisierter Prozesse, wie es sich in den vergangenen hundert Jahren im Zuge der Industrialisierung entwickelt und etabliert hat, ist nicht mehr in jedem Bereich zielführend und sinnvoll», sagt Personalberaterin Thielecke, «ein Unternehmen muss genau hinschauen und die Bereiche identifizieren, in denen Experimente und Fehler notwendig sind, wo es sich öffnen muss und wo neue Schnittstellen geschaffen werden müssen.»
“"Wer jedes Risiko scheut, wird in unserer schnelllebigen digitalen Welt nicht erfolgreich sein"„
Susanne Thielecke
Inhaberin von LaRenzow Personal
Eine solchen anderen Umgang mit Fehlern könne man nicht verordnen, sagt Thielecke: «Nur weil der CEO sagt, ‚wir machen das jetzt anders‘, ändert sich noch lange nichts.» Es brauche Zeit: «Man kann eine über viele Jahre gewachsene Kultur nicht einfach umkrempeln, indem man einen Schalter umlegt.» Geduld und das Verändern von Rahmenbedingungen seien daher wichtige Voraussetzungen, so Thielecke weiter: «Wenn ich jahrelang dafür belohnt wurde, vorgegebene Erwartungen zu erfüllen, fällt Veränderung schwer.»
Um einen anderen Umgang mit Fehlern etablieren zu können, müssen leitende Angestellte und Manager sich aber auch über ihren Führungsstil klar werden. «Die meisten Führungskräfte nehmen sich selbst anders wahr, als sie tatsächlich nach aussen wirken», betont die Personalberaterin. Auf dem Weg zur Selbsterkenntnis spielt die Rückmeldung der Kollegen eine immer wichtigere Rolle: «Führungskräfte dürfen nicht nur Feedback geben, sie müssen es auch aktiv einholen.»



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